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Nach über 100 toten TierenHerdenschutzhunde schützen Schafe vor dem Wolf

28. Dezember 2022, 15:54 Uhr

Nach rund zwei Jahren endet in Ohrdruf ein Pilotprojekt zum Herdenschutz. Ziel war es, einen optimalen Schutz von Schafen und Ziegen vor dem Wolf zu ermöglichen. Dafür hat das Umweltministerium die Fachstelle Herdenschutzhunde Thüringen ins Leben gerufen, die insgesamt neun Betriebe in Thüringen unterstützt hat.

von Nicole Franz, MDR THÜRINGEN

Der Wolf treibt sich besonders gerne in Ohrdruf im Kreis Gotha herum. Dort lebt rund um den Truppenübungsplatz ein Rudel von acht bekannten Wölfen. So viele Wölfe wie sonst nirgends in Thüringen. Allein im Jahr 2019 soll die Ohrdrufer Wölfin mit ihrem Nachwuchs laut Umweltministerium mehr als 100 Schafe und Ziegen gerissen haben.

Um die Herdentiere besser zu schützen, hat das Umweltministerium ein zweijähriges Pilotprojekt zum Thema Herdenschutz finanziert, das nun endet. Im Rahmen des Projekts wurde die "Fachstelle Herdenschutzhunde Thüringen" eingerichtet. Diese hat in den vergangenen zwei Jahren unentgeltlich Herdenschutzhunde zur Verfügung gestellt, sowie Futter, Tierarztkosten und eine Aufwandsentschädigung für die Betreuung der Tiere bezahlt. Hinzu kam materielle Hilfe, zum Beispiel wolfssichere Zäune und Unterstände, an denen sich die Hunde tagsüber ausruhen konnten.

40 Herdenschutzhunde: Fachstelle zufrieden mit Pilotprojekt

Insgesamt umfasste die Förderung 900.000 Euro. Unterstützt wurden damit laut Umweltministerium neun schaf- und ziegenhaltende Betriebe mit insgesamt 40 Herdenschutzhunden.

Michael Sinke, Fachberater der Stelle Herdenschutzhunde Thüringen und Vereinsvorsitzender des Verbands Herdenschutz, sieht das Pilotprojekt als Erfolg an. In den zwei Jahren seien Schäfer betreut, Hunde eingearbeitet und Ausrüstung zur Verfügung gestellt worden. Zudem sei zumindest in den geförderten Betrieben verhindert worden, dass Wölfe weitere Schafe töten konnten.

Schafhalter mit guten Erfahrungen bei Herdenschutzhunden

Das Projekt kam auch bei den Betrieben gut an. Gerd Steuding, Abteilungsleiter bei Agrarprodukte Schwabhausen in Wechmar, war vor allem mit der schnellen, unbürokratischen Hilfe zufrieden. "Für den, der das erste Mal tote Schafe auf der Weide liegen sieht, dem geht erstmal alles andere durch den Kopf, außer: Welche bürokratischen Schritte muss ich jetzt als erstes, als zweites machen? Da war das Projekt perfekt für uns."

Die 120er-Zäune waren für unsere Wölfin hier in Ohrdruf kein Hindernis. Die ist über 1,50 Meter weggesprungen und hat Schafe gerissen.

Gerd Steuding, Schäfer in Wechmar

Der Betrieb hat die Herdenschutzhunde bereits vor über fünf Jahren angeschafft, als es die ersten großen Übergriffe durch Wölfe gab. "Die 120er-Zäune waren für unsere Wölfin hier in Ohrdruf kein Hindernis. Die ist über 1,50 Meter weggesprungen und hat Schafe gerissen." Dieses Wettrüsten habe man nicht gewinnen können. Jeden Tag hätten Zäune versetzt werden und Landschaftspflege mit den Schafen betrieben werden müssen.

"Wir standen vor der Situation: Entweder wir hören auf mit der Schafhaltung oder wir probieren es mit den Herdenschutzhunden", sagt Steuding. Seitdem hätten die Wölfe keine Schafe der Herde mehr getötet. Doch auch wenn die Hunde kuschelig erscheinen und eine große Hilfe sind, rät Steuding, es erst einmal ohne Hunde zu versuchen. Der Arbeitsaufwand, die Tiere zu versorgen, sei sehr hoch.

Hütehund oder Herdenschutzhund: So arbeiten sie

Herdenschutzhunde werden für genau diese Aufgabe gezüchtet. Steuding erzählt, dass die Pyrenäenhunde zum Schutz einen besonders dicken Hals hätten. Wenn der Wolf einen Kehlbiss durchführen will, habe der Hund am Hals genug Pufferfläche, um sich umdrehen zu können und den Wolf zu beißen. Bevor es so weit kommt, versuchten die Hunde, die Wölfe und andere Eindringlinge durch lautes Bellen zu vertreiben.

Von klein auf werden Herdenschutzhunde daran gewöhnt, mit Schafen oder Ziegen zusammenzuleben. Sie sehen die Herde als ihre Familie an, die sie beschützen. Nachts sind die Hunde bei den Schafen auf der Weide, bis zu 16 Stunden passen sie auf. Tagsüber, wenn Schäfer und Hütehunde auf die Herde aufpassen, können sich die Herdenschutzhunde ausruhen. Auch im Winter leben die Hunde bei den Schafen im Stall.

Welche Rassen sich als Herdenschutzhund eignen

Neben Pyrenäenhunden eignen sich auch noch andere Rassen, beispielsweise Mastín Español, Maremmano Abruzzese oder Kangal als Herdenschutzhunde. Eine Förderung vom Umweltministerium ist für alle Hunderassen möglich, die eine Zertifizierungsprüfung bestehen. Die Betriebe, die sich im Rahmen des Projektes einen Herdenschutzhund bei der Fachstelle geliehen haben, sollen diesen auf Wunsch behalten können.

Da das Pilotprojekt in Ohrdruf endet, wird die "Fachstelle Herdenschutzhunde Thüringen" zum Jahresende aufgelöst. Das Umweltministerium will den Herdenschutz aber weiter fördern. Schutzmaßnahmen müssen direkt beim Amt beantragt werden.

Das sagen unsere User dazu:

Unverhältnismäßig fanden die Ausgabe von 900.000 Euro Atze71 und Hobbyviruloge007 ("Da zahlt man gerne Steuern"). Gurg verteidigte das Projekt als "gut angelegtes Geld", denn es gehe um die Koexistenz von Schafhaltung und Wölfen. Der Wolf sei Teil unserer Tierwelt und solle es bleiben. "Wer definiert solchen Anspruch, der nur Ärger und Kosten verursacht", fragte Breakpoint zurück. Dem "nur" widersprach ralf meier, denn Wölfe könnten die immer größeren Bestände von Rehen und Wildschweinen und die von ihnen verursachten Schäden verringern: "Wölfe könnten dafür sorgen, das es wieder ein natürliches Gleichgewicht gibt." Aus Sicht von moische bedeute das aber das Aus für kleine Schafhalter, die finanziell überfordert seien, weil es ein absolut wolfsabweisendes praktikables System nicht gebe - ein Argument, das auf Facebook Volker Julianlisanicklas Kassner teilte: "Bei privaten Nutztierhaltern bleibt dann wohl immer noch das nächtliche Einsperren der Tiere, was ja wiederum nicht artgerecht ist."

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MDR (sar)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. Dezember 2022 | 06:00 Uhr

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