Tradition trifft Zukunft Der Rasen bleibt: Thüringer Fußball-Kultstätte "Kaffeetälchen" wird saniert
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22. Mai 2024, 13:40 Uhr
Ein Dorf mit einem Fußballstadion, das einem Großstadtverein genügen würde - das ist das "Waldstadion im Kaffeetälchen" in Tiefenort. Jetzt soll die Traditions-Spielstätte saniert werden - ohne den Zankapfel Kunstrasen.
- Das Kaffeetälchen wird wegen fehlender Fördergelder nur schrittweise saniert.
- Die Sportstätte bekommt neue Zufahrt.
- Der Kunstrasen ist vom Tisch.
Warum das Kaffeetälchen Kaffeetälchen heißt, kann auch der Vize-Vereinsvorsitzende der Fußballer von Kali Werra Tiefenort nicht zweifelsfrei klären. Ralf Rubisch meint, das gehe wohl darauf zurück, dass die Tiefenorter einst zum Kaffeetrinken in das Waldtal gezogen seien.
Zu DDR-Zeiten fasste das Stadion 8.000 Zuschauer, gespielt wurde über Jahre in der zweithöchsten Spielklasse, der DDR-Liga. "Hier wurde Fußballgeschichte geschrieben", sagt Rubisch. Und auch der Bürgermeister von Bad Salzungen Klaus Bohl (Freie Wähler) weiß: "Für die Tiefenorter hängt unheimlich viel Herzblut am Kaffeetälchen."
Stadion im Einigungsvertrag
Als Tiefenort vor einigen Jahren mit der Kreisstadt fusionierte, schaffte es das Waldstadion in den Einigungsvertrag. Die Sanierung war einer der Wünsche, die Eingang fanden. Ein Fachbüro für Sportstätten erstellte ein umfangreiches Konzept. Es sah für 7,8 Millionen Euro unter anderem Neubauten für Schützen und Kegler vor und einen Kunstrasen für das Stadion.
Letzteres allerdings sorgte weit über Thüringen hinaus für Unmut: Fußball-Enthusiasten und Puristen, die sogar aus Österreich und der Schweiz zu dieser Kultstätte pilgern, fürchteten um den besonderen nostalgischen Charme des Kaffeetälchens.
Das Besondere des Ortes erkannten im vergangenen Jahr auch der Fußballweltmeister Philipp Lahm und die Europameisterin Célia Šašić: Im Rahmen des 110-jährigen Jubiläums des FSV Kali Werra Tiefenort präsentieren sie die bundesweite Initiative "Treffpunkt Fußball", die sich unter anderem die Stärkung des Amateurfußballs zum Ziel gesetzt hat, und honorierten das Ehrenamt vor Ort.
Für die Sanierung bekam Bad Salzungen nicht die erhofften Fördermittel. Damit war klar, sagt der Bürgermeister: Es kann nur schrittweise etwas bewegt werden. In diesem Jahr fließt etwa eine halbe Million Euro in die Sportstätte. Bereits im Gange ist die energetische Sanierung des Vereinsheims der Fußballer. Dort wurde eine neue Heizungsanlage eingebaut, eine Photovoltaikanlage kommt dazu.
Geld vom Land für Straße und Abriss
400.000 Euro vom Land hat die Stadt für deutlich sichtbarere Schritte erhalten, sogar eine 100-Prozent-Förderung. Damit soll am hinteren Ende des Stadions ein Gebäudeteil abgerissen werden, die marode frühere Gaststätte. Sie wird nicht mehr benötigt. Das benachbarte Domizil der Schützen und Kegler aus den 1960er-Jahren bleibt erhalten. Außerdem wird die Zufahrt zu diesem Gebäude erneuert - als Baustraße wird sie befestigt und bekommt eine Asphaltdecke. Bisher besteht der Fahrweg aus Betonteilen.
Schützenverein baut Bogensport aus
Der Schützenverein hofft darauf, den Hartplatz oberhalb des Stadions weiter nutzen zu können. Der Verein hat vor zehn Jahren die Sparte Bogensport aufgebaut und sich damit stark verjüngt. Auf dem Hartplatz sollen Wettkämpfe stattfinden, gleich daneben plant der Verein noch in diesem Jahr einen Bogenparcours mit dreidimensionalen Zielen im Wald, für sogenanntes jagdliches Bogenschießen.
Als Lager und für Wettkämpfe will die Stadt den Schützen einen Container auf den Hartplatz stellen. Tiefenort ist mittlerweile einer von vier regionalen Stützpunkten des Deutschen Schützenbundes in Thüringen, um Bogensport-Nachwuchs zu sichten.
"Leben in der Bude"
"Im Kaffeetälchen ist Leben in der Bude", stellt Ralf Rubisch auch für die Fußballer fest. Im Verein gibt es 17 Nachwuchsmannschaften, alle Spielklassen kann der Verein besetzen, dazu drei Männermannschaften und "edle Herren", wie Rubisch die älteren Sportler nennt. Auch bei Arbeitseinsätzen ist das Stadion belebt, gilt es doch, die Hänge und die weitläufigen Tribünen regelmäßig zu pflegen und freizuschneiden. Rund 5.000 Plätze sind geblieben.
Und was ist aus den Kunstrasen-Plänen geworden? Für das Kaffeetälchen sind sie vom Tisch, so der Bürgermeister. Um die Nachwuchsarbeit der Fußballer zu würdigen, soll stattdessen mit Hilfe des Wartburgkreises auf der Heerstatt in Tiefenort ein Kunstrasen-Trainingsplatz entstehen - mit Leichtathletikanlagen, beides nutzbar auch für den Schulsport.
Ralf Rubisch wünscht sich, dass dieser Kunstrasenplatz etwas größer ausfällt. Das kleinste Großfeld wäre "die optimale Lösung, weil beim Nachwuchs ab C-Jugend auf Großfeld gespielt wird". Kunstrasen im Kaffeetälchen wäre für ihn auch kein Tabu, räumt er ein. Wenn das Flair so bleibe - "unsere Fußballer haben nichts gegen Kunstrasen".
MDR (ost/nir)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 21. Mai 2024 | 18:45 Uhr
Flaneur vor 23 Wochen
Zweifellos eines der schönsten Fußballstadien in ganz Deutschland. Sein nostalgischer Charme sollte unbedingt erhalten bleiben. Ob die Thüringer Landesregierung und die Bad Salzunger Kommunalpolitiker wissen, dass sie hier ein echtes Juwel mit bundesweiter Bekanntheit "besitzen"?
GRR vor 23 Wochen
Glauben kann man an den lieben Gott oder eben auch nicht. Erlebte Geschichte ist zum Glück nicht einfach "wegzuglauben". Wer einst toll besuchte Spiele im Kaffeetälchen miterlebt hat, wird mir Recht geben. Und die gabs! - auch ganz ohne DFB!
Maria A. vor 23 Wochen
Schon bei der Benennung vom "Kaffeetälchen" überkommt einem ein positives Gefühl. Das, wegen der guten Aussichten, auch nach Kenntnisnahme des Sachverhalts, anhält. Wünsche eine erfolgreiche Sanierung.