Justiz Generalbundesanwalt klagt mutmaßliche Neonazi-Kampfsportler aus Eisenach an

15. Mai 2023, 12:44 Uhr

Mehr als ein Jahr nach ihrer Festnahme sind vier mutmaßliche Mitglieder der Eisenacher Neonazi-Gruppe "Knockout 51" angeklagt worden. Sie sollen Kampfsport trainiert haben, um "Gegner" angreifen zu können.

Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Eisenacher Neonazi-Gruppe "Knockout 51" erhoben. Leon R., Bastian A., Maximilian A. und Eric K. sollen die "kriminelle und terroristische Vereinigung" gegründet oder ihr angehört haben. Am 6. April 2022 wurden die Beschuldigten festgenommen. Seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft.

Die sogenannte Kampfsportgruppe soll unter dem sportlichen Deckmantel Menschen für Angriffe auf Polizisten, Angehörige der linken Szene und andere "als bekämpfenswert erachtete" Personen ausgebildet haben. Das Vorgehen der Gruppe sei von Anfang an auf Körperverletzungen angelegt gewesen.

Generalbundesanwalt: Als Selbstverteidigung getarnte "tödlich wirkende Gewalt" trainiert

"Knockout 51" soll in Eisenach außerdem versucht haben, einen "Nazi-Kiez" zu schaffen und dort die Ordnungsmacht zu übernehmen. Spätestens seit April 2021 sollen die Mitglieder gezielt die Auseinandersetzung mit Linksextremisten gesucht haben, um - als Selbstverteidigung getarnt - "tödlich wirkende Gewalt" anwenden zu können, wie es heißt. Dafür statteten sie sich laut Generalbundesanwaltschaft mit Messern, Hieb- und Stichwaffen aus.

Unter anderem schlugen zwei der Angeklagten im Februar 2021 auf einen jungen Mann in Eisenach ein. Er erlitt Knochenbrüche im Gesicht. Die Anklage listet eine Vielzahl weiterer gewalttätiger Übergriffe auf. 

Angeklagt ist auch eine Tat, die der Beschuldigte Bastian A. erst in der Nacht vor seiner Festnahme ausgeführt haben soll. Er soll "einer Person nahe Eisenach mehrere Tritte gegen den Brustkorb sowie Faustschläge ins Gesicht" versetzt haben, "wodurch die Person einen Nasenbeinbruch erlitt". Die Tat diente laut Bundesanwaltschaft "der Bestrafung des Geschädigten für dessen Angaben zu 'Knockout 51' im Rahmen einer Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Dresden."

Opfer hatte im Lina E.-Prozess ausgesagt

Nach MDR-Informationen handelt es sich bei diesem Opfer um einen damals 18-Jährigen, der Ende März 2022 im Staatsschutzverfahren am Oberlandesgericht im Verfahren gegen Lina E. und drei weitere mutmaßliche Linksextremisten ausgesagt hatte. Der Mann will ursprünglich gesehen haben, wie beim Überfall auf das rechtsextreme Szenelokal "Bull's Eye" von Leon R. im Oktober 2019 eine Frau nach dem Angriff das Lokal verlassen hatte. Bei seiner Befragung vor Gericht verstrickte sich der Zeuge jedoch in Widersprüche.

So sagte der Jugendliche beispielsweise aus, sich erinnern zu können, wie er kurz vor dem Überfall in einem örtlichen Supermarkt Zigaretten kaufen ging, und dabei wegen der Pandemie eine Maske tragen musste. Die Corona-Pandemie begann aber erst im März 2020. Eine Tatortrekonstruktion zur Überprüfung seiner Aussagen im "Bull's Eye" durch das Landeskriminalamt Thüringen im September 2022 konnte seine Angaben nicht maßgeblich stützen.

Polizisten stehen vor der Gaststätte "Bull's Eye".
Polizisten am 6. April 2022 vor dem Szenelokal "Bull's Eye" in Eisenach. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Wichmann TV

Leon R. schwer belastet

Von der Verteidigung der Angeklagten befragt, machte der Zeuge vor Gericht in Dresden allerdings auch einige Angaben zur Gruppe "Knockout 51". Unter anderem berichtete er darüber, wer mutmaßlich zur Gruppe gehörte und wo sie sich zum Kraftsport traf. Außerdem belastete er Leon R. schwer. Vor Gericht erklärte er, dass der Eisenacher Rechtsextreme und Wirt des "Bull's Eye" auf seinem Oberschenkel ein Hakenkreuz tätowiert habe. Diese Tätowierung habe er gesehen, als er mit R. die Kneipe renoviert habe und der dabei eine kurze Hose trug.

Leon R. war mit seinen Aussagen gegen Lina E. bis zum Sommer 2022 der wichtigste Zeuge der Anklage im Dresdner Verfahren. Das änderte sich erst, als diese mit Johannes D. einen "Kronzeugen" aus dem Umfeld der Anklagten vor Gericht präsentieren konnte.

Die Bundesanwaltschaft ist davon überzeugt, dass Leon R. und seine Mitstreiter zu den Taten im Kern die Wahrheit gesagt haben, auch wenn sie dabei gegen ihre politischen Gegner aussagten. Die Verteidigung wiederum bezweifelt die Aussagen der Eisenacher Rechtsextremisten und wirft ihnen vor, bewusst falsch auszusagen, um härtere Urteile gegen die Angeklagten zu erzielen.

dpa/MDR (seg/Edgar Lopez)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 15. Mai 2023 | 19:00 Uhr

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