Neue Art der Tierhaltung Bad Salzungen: Aktivstall für Pferde im Freien mit Futter-Automaten

16. Oktober 2022, 05:00 Uhr

Pferde mit überschaubarem Aufwand möglichst artgerecht halten - das ist das Ziel von Familie Stäblein. Vor knapp fünf Jahren hat das Ehepaar im Moorgrund eine Reitanlage übernommen und nach dem Konzept des "HIT Aktivstall" umgewandelt. Nun leben die Pferde das ganze Jahr über in Herden im Freien, haben viel Bewegung und holen sich ihr Futter in Automaten - individuell und computergesteuert.

Sie haben "das Abenteuer gewagt": Lange hatten Patricia und Marcus Stäblein aus Bad Liebenstein vor fünf Jahren überlegt, ob sie die Reitanlage in Gräfen-Nitzendorf bei Bad Salzungen von den bisherigen Betreibern übernehmen sollten. Schließlich haben beide einen Job, sie ist im Klinikum Bad Salzungen angestellt, er selbstständig. Aber dann sagten sie mutig ja. Schließlich betreibt Patricia Stäblein seit Kindheit Reitsport, eine Leidenschaft. Ihr Mann ist da "mit reingerutscht". Aber das mit voller Kraft, denn es gehören auch noch landwirtschaftliche Flächen dazu, Heu will produziert werden.

Bis zu 14 Mahlzeiten am Tag

Ihr Ziel sei es gewesen, die Pferdehaltung noch artgerechter zu machen, sagt Patricia Stäblein. Pferde sind Steppentiere, erklärt sie, müssten sich viel bewegen und den ganzen Tag über immer wieder fressen, eher acht bis vierzehn kleine Mahlzeiten als - wie in Ställen üblich - drei bis vier größere Portionen am Tag. Darauf sei ihr Organismus eingerichtet. Aber wie setzt man das um? Die Stäbleins schauten sich um - und fanden schließlich das markengeschützte Konzept des "HIT Aktivstall", das ihren Vorstellungen entsprach. In den vergangenen beiden Jahren haben sie das mit familiärer Unterstützung auf ihrem Gelände am Moorgrund umgesetzt.

Erlebnispark für Pferde

Es hat sich viel verändert: Im Stall sind nur noch zwei Boxen belegt, Ausnahmen aus Alters- oder Gesundheitsgründen, wie Patricia Stäblein sagt. Alle anderen Pferde leben in Herden im Freien, das ganze Jahr über. Den Sommer über gehören dazu auch Ausflüge auf die Koppel. Das Gelände ist genau geplant mit verschiedenen Funktionsbereichen, im Grunde eine Art Erlebnispark: die überdachte Liegehalle mit feiner Einstreu als Ruhe- und Rückzugsort, Wälzplätze zum Toben. Dazu Tränken und Futterplätze, Strohraufen für allzeit verfügbare Snacks und dicke Baustämme zum Schubbern.

Der Untergrund ist möglichst abwechslungsreich gestaltet, der Großteil befestigt mit einer Auflage aus huffreundlichen Matten. Viele Bäume und Sträucher haben sie als Inseln oder Blickfang angepflanzt, zeigt Marcus Stäblein, sie müssen noch groß werden. In der Stutenherde ist eine Art Treppe geplant, eine Aussicht für die Pferde. Wichtig sei, sagt Patricia Stäblein, dass die Tiere viele Wege haben, animiert werden, von einem Ort zum anderen zu pendeln.

Computergesteuerte Futterautomaten

Ein besonders wichtiger Ort, klar: der Futterplatz. Und da kommt Hightech ins Spiel, für die das Gelände des Aktivstalls nicht nur mit Strom und Wasser, sondern auch mit Internet versorgt werden musste, wie Marcus Stäblein erzählt. Die vielen kleinen Portionen, die ein Pferd in freier Wildbahn zu sich nimmt, muss kein Mensch rund um die Uhr liefern. Für sie sorgt ein Futterautomat.

Der besteht aus einer Art Unterstand mit Heudepot und einer schmalen Box, in die das Tier hinein läuft. Jedes trägt einen kleinen runden Transponder, entweder am Halsband oder in die Mähne eingeflochten. Dadurch erkennt der Automat, welches Pferd Futter haben will - und gewährt es ihm: Am Kopfende der Futterbox fährt eine Metallwand so weit herunter, dass das Pferd seinen Kopf ins Heu tauchen und fressen kann. Zusätzlich wird auch Kraftfutter ausgegeben. Ist ausreichend Zeit vergangen, fährt die Wand langsam wieder hoch, das Tier verlässt die Box durch eine Seitenwand.

Kontrolle per App

Bei der Wallachherde funktioniert das bereits seit fast einem Jahr. Die Pferde stellen sich hinter der Box in Warteposition auf, wenn der Automat besetzt ist. Wenn ein Tier ungeduldig oder besonders hungrig ist, poltert es schon mal mit dem Huf gegen die Trennwand zum Heu. Dass der Automat die Pferde individuell erkennt, hat auch einen Sinn: Wer genug gefressen hat, bekommt nichts mehr.

Über eine App können die Stäbleins abrufen, wer wie viel Zeit in den Automaten verbracht hat. Aaron, mit 1,36 Meter Schulterhöhe der kleinste, hat allerdings bereits herausgefunden, wie er von außen ein paar Halme vom Futterdepot naschen kann, das wird nun mit einem neuen Zaun abgesperrt. Er kommt aber genauso gut mit dem Automaten zurecht wie der 1,90 Meter hohe Georgie.

Tiere sind entspannter

Der Übergang von der Box zum Aktivstall sei für alle Pferde eine Umstellung gewesen, sagt Patricia Stäblein, sie seien ja Gewohnheitstiere. Vor allem den Umgang mit dem Futterautomaten mussten sie Schritt für Schritt lernen. Die Geräusche erkennen, die Ausgangstür mit der Brust aufdrücken. Die einen brauchten drei Tage, die anderen drei Wochen. In der neuen Haltung wirken die Tiere zufriedener und entspannter, findet Patricia Stäblein.

Die Pferdebesitzer sind den Weg weg von der Einzelbox nicht alle mitgegangen, einige haben die Anlage verlassen. Dafür haben sich Interessenten für die neue Haltungsform aus dem weiteren Umkreis gefunden, aus Zella-Mehlis, Eisenach und dem Raum Gotha. Die Besitzer sind trotz der Automaten täglich bei den Tieren, beschäftigen auch noch eine Angestellte. Außerdem gibt es mehrere Kameras. "Pferde-TV", sagt Marcus Stäblein. Selbst zu Hause in Bad Liebenstein haben sie Tiere und Gelände immer im Blick.

MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 16. Oktober 2022 | 18:05 Uhr

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