Teller, Tassen und Schalen laufen in der Produktion einer Porzellanfabrik durch einen Ofen
Porzellanhersteller verbrauchen für die Produktion große Mengen Gas. In Triptis beendete wegen der hohen Preise der Porzellanhersteller Eschenbach seine Produktion. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/David Ebener

Wirtschaft Trotz Lob für Staatshilfen: Thüringer Unternehmen blicken sorgenvoll auf 2023

02. Januar 2023, 15:45 Uhr

Corona, Ukraine-Krieg, Lieferengpässe, Energiekrise, Inflation - das Jahr 2022 war für die Thüringer Wirtschaft nicht einfach. Gemessen daran haben sich die Unternehmen zwar noch relativ gut geschlagen. Sagt die Landesregierung. Insgesamt gesehen fällt die Bilanz der Wirtschaft für das zurückliegende Jahr aber durchwachsen aus. Und die Erwartungen an das Jahr 2023 sind überwiegend pessimistisch.

Ein Jahr der verschiedenen Krisen - so wird 2022 für die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer in Erinnerung bleiben. Dabei seien die Firmen eigentlich hoffnungsfroh in das zurückliegende Jahr gestartet, sagt Stefan Lobenstein, Präsident der Handwerkskammer Erfurt und Präsident des Thüringer Handwerkstages. Im Vertrauen darauf, dass das Corona-Tief überwunden sei.

Dieser Optimismus sei dann aber schnell Ernüchterung gewichen: "2022 war ein turbulentes Jahr, wie ich es noch nicht erlebt habe. Ich bin ja auch schon über 25 Jahre selbständig", sagt der Bäcker- und Konditormeister Lobenstein.

"Aber selbst mein Großvater und Vater, wenn ich denen zuhöre, die haben so was noch nicht erlebt. Wir werden in einer Breite getroffen, Lieferkettenabriss, Preisexplosion, Lohnkostenexplosion. Und dann noch die Energiekrise, der Krieg in Europa - das ist eine geballte Ladung gewesen."

2022 war ein turbulentes Jahr, wie ich es noch nicht erlebt habe. Ich bin ja auch schon über 25 Jahre selbständig.

Stefan Lobenstein

Hohe Energiekosten drücken den Gewinn

Ähnlich schätzt der Verband der Wirtschaft Thüringens (VWT) die Lage ein. Die Probleme im vergangenen Jahr hätten es den Unternehmen schwer gemacht, zu planen. Das habe für Unsicherheit gesorgt, so VWT-Sprecherin Ute Zacharias.

Sie verweist auf die Entwicklung in der Industrie, wie etwa im Bereich Metall und Elektro: Dort seien die Umsätze zwar bis zum Spätsommer 2022 gestiegen. Aber preisbereinigt, also nach Abzug der Inflationsrate, sei kaum ein Plus übrig geblieben.

Auch der Präsident der Industrie- und Handelskammer Erfurt, Dieter Bauhaus, stellt enttäuscht fest, dass im letzten Jahr Diskussionen über immense Energiekosten zum Alltagsgeschäft wurden. Er lobt aber auch die Unternehmerinnen und Unternehmer: "Mit Herzblut, Durchhaltevermögen und Mut steuern sie ihre Unternehmen, denken an das Morgen, ihre Mitarbeiter und investieren in die Zukunft. Das macht Unternehmertum aus", lobt Bauhaus.

Tiefensee: Wirtschaftsleistung in Thüringen steigt

Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung in Thüringen im vergangenen Jahr um etwa ein Prozent angestiegen ist. Die Thüringer und die deutsche Wirtschaft hätten sich trotz der Krisen besser geschlagen, als viele erwartet hätten.

"Es gibt sicherlich eine Reihe von Unternehmen, die schon jetzt mit den gestiegenen Energiekosten zu kämpfen haben und teilweise in ihrer Existenz bedroht sind", sagte Tiefensee MDR THÜRINGEN. "In der Breite der Wirtschaft hat der massive Energiepreisanstieg aber noch nicht voll durchgeschlagen."

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD)
Wolfgang Tiefensee gibt sich optimistisch für 2023. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Was die weiteren Aussichten betrifft, sieht der Wirtschaftsminister zwar Risiken, aber auch Grund für Zuversicht. "Nach jetzigem Stand ist für 2023 zumindest nicht mit einem massiven Wirtschaftseinbruch zu rechnen. Eher ist von einer konjunkturellen Seitwärtsbewegung auszugehen", so Tiefensee.

Er rechnet zwar damit, dass Energiepreise, Inflation und Lieferkettenprobleme weiter für die Unternehmen eine Herausforderung darstellen werden. Er geht aber auch davon aus, dass sich die Lage auf den Energiemärkten leicht entspannen und die Energiepreisbremsen eine positive Wirkung entfalten werden.

Thüringer Unternehmen mit sorgenvollem Blick in die Zukunft

Wirtschaftsverbände loben die staatlichen Energiehilfen. "Das gibt den Unternehmen das Gefühl, nicht im Regen stehen gelassen zu werden", sagt Handwerkskammerpräsident Lobenstein. Insgesamt gesehen blicken die Unternehmen aber wenig zuversichtlich in die Zukunft. Für 2023 überwiege der Pessimismus, sagt VWT-Sprecherin Ute Zacharias.

Sie verweist auf eine aktuelle Umfrage des Verbandes: "Mehr als die Hälfte der Firmen geht 2023 von einer negativen Entwicklung aus. Das heißt, die Betriebe werden weniger produzieren und investieren." Handwerkskammerpräsident Lobenstein registriert für 2023 in seiner Branche - Zitat - "bestenfalls Zweckoptimismus".

Mehr als die Hälfte der Firmen geht 2023 von einer negativen Entwicklung aus. Das heißt, die Betriebe werden weniger produzieren und investieren.

Ute Zacharias

Staatliche Energiehilfen als positives Signal

Im neuen Jahr erwarten die Unternehmen von der Politik vor allem verlässliche Rahmenbedingungen - auch und gerade beim Thema Energie. "Priorität muss die Sicherstellung der Energieversorgung sein - mit pragmatischen Sofortmassnahmen und technologieoffenen Antworten - sonst wird die Kostenlast zum irreparablen Standortnachteil", warnt Ralf-Uwe Bauer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Gera.

Und VWT-Sprecherin Ute Zacharias ergänzt: "Wir sind für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für nachhaltiges Wirtschaften, keine Frage. Aber so lange die Krise und die hohen Preise im Raum stehen, müssen alle Ressourcen genutzt werden, also auch die Atomkraftwerke."

Handkwerkskammerpräsident Lobenstein bereitet zudem Sorgen, dass die staatlichen Energiehilfen nur zeitlich begrenzt gezahlt werden können. Wie es danach weiter gehe, sei offen. Die Unternehmen müssten aber auch in Zukunft in der Lage sein, in die Umstellung auf erneuerbare Energien investieren zu können, so Lobenstein.

Handwerkskammer fordert Hilfen für neue Fachkräfte

Die Industrie- und Handelskammer Erfurt fordert zudem Hilfe vom Land beim Abbau von Bürokratie und beim Fachkräftemangel. Laut IHK kann jedes zweite Unternehmen offene Stellen längerfristig nicht besetzen.

Die IHK spricht sich dafür aus, in Thüringen eine zentrale Ausländerbehörde einzurichten. Damit über den Zugzug von internationalen Fachkräften schneller, berechenbarer und einheitlicher entschieden werden kann. "Hier muss die Politik zügig agieren, weil wir sonst in die nächste Krise laufen", so IHK-Präsident Bauhaus.

MDR (dvs)

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 02. Januar 2023 | 12:00 Uhr

3 Kommentare

sorglos am 02.01.2023

Vielleicht macht es ja auch Sinn, mal drüber nachzudenken, ob wirklich so "autark" sind und ohne Atomstrom auskommen (den kaufen wir teuer in Frankreich und Tschechien), ohne Kohlekraftwerke (wir haben die modernsten in Europa!), ob es sinnvoll ist, auf preiswertes russisches Gas zu verzichten (es gab/gibt auch anderswo auf der Welt Kriege!!), ob es hinnehmbar ist, dass z.B. Eschenbach dicht gemacht hat (auch ein Steuerzahler weniger)... WANN in der Geschichte D hat die Politik mal Fehler zugegeben? Es hätte Vertrauen beim Wähler gegeben, aber es geht weiter mit der Selbstzerstörung! Und: warum darf nicht z.B. über Wissenschaft gesprochen werden, die Windparks bezüglich Austrocknung der Böden in Frage stellt, warum hört man nicht z.B. Japan zu, die Atomstrom als "grüne" Energie wieder beleben etc. pp.??? WEM nützt es, wenn hier deindustrialisiert wird? WER profitiert von der Pleite des kleinen Mittelstandes?

Ralf G am 02.01.2023

Deutschland gehört zu den wenigen Ländern der EU, deren Wirtschaftsprognose für 2023 negativ ist. Übrigens hat die Schweiz eine Inflationsrate unter 3%.
Hat es vielleicht doch etwas mit dem Fachkräftemangel im grünen Wirtschaftsministerium zu tun?

sorglos am 02.01.2023

Die Politik hatte 2 Jahre (Corona, Energiekrise, Ukrainekonflikt...) Zeit, die Entwicklung zu analysieren. Was passiert? NICHTS! Staatshilfen sind ein Tropfen auf den heißen Stein! Andere Länder rudern zurück - bleiben bei Atomkraft, bei Kohle, sehen, dass e- Autos teuer und schmutzig sind, was die seltenen Erden aus Afrika z.B. betrifft) Hier wird weiter gemacht, statt zu begreifen, dass insolvente Unternehmen keine Steuern mehr zahlen, statt zu begreifen, dass D Mittelstand Jahrzehnte das Rückgrat des Staates war. Jahrzehnte wurde jenen Menschen, die mit Solar quasi kostenlose Sonnenenergie aufs Dach bringen wollen, bürokratische Steine in den Weg gelegt. Kosten explodieren - gerade im Osten gibt es keine finanziellen Polster. Die Deindustrialisierung des "Ostens" geht weiter, wie schon seit 1990, Millionen Menschen stehen vor dem Aus, die Politik verfolgt ihre Agenda - koste es was es wolle???

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