#RunLuisa Bankraub in der russischen Provinz: Mit 23 Millionen Rubel in den Feierabend
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11. Juni 2019, 05:00 Uhr
Eine russische Bankangestellte flüchtet mit 320.000 Euro aus der Kasse ihres Arbeitgebers und wird dafür bejubelt. Die Polizei fahndet erfolglos. Die Umstände der Tat bleiben unklar.
Bonny und Clyde, Familie Ocean oder doch Robin Hood? Noch suchen Russlands Medien für Luisa Hajrullina aus Baschkirien nach dem richtigen Vergleich. Natürlich hinken sie alle, doch die Geschichte, mit der die Bankangestellte gerade russlandweite Bekanntheit erreicht, scheint durchaus filmreif zu sein. Mit insgesamt 23 Millionen Rubel, etwa 320.000 Euro, hat sich die 35-jährige Angestellte der staatlichen Landwirtschaftsbank (Rosselkhoz) zusammen mit ihrem Mann und Kindern abgesetzt. In einer einfachen Tragetasche, so viel ist bekannt, hat Hajrullina das Geld am frühen Nachmittag aus der Bankfiliale in der kleinen Stadt Salawat, 1.500 Kilometer östlich von Moskau, getragen. Seitdem rätseln Polizei, Medien, Verwandte und natürlich Russlands Netzgemeinde über den Aufenthaltsort von Hajrullina und ihrer Familie.
Die Boulevardpresse wittert eine Story
Ende Mai hatten die Behörden in Baschkirien, einer russischen Teilrepublik unweit der kasachischen Grenze, wo sich der ungewöhnliche Bankraub abspielte, eine kurze Meldung herausgegeben. Gesucht werde eine Frau im Alter zwischen 35 und 40, etwa 160-165 Zentimeter groß, füllig, rundes Gesicht, gerade Nase, dunkelblondes Haar. Sie trug Sonnenbrille und eine dunkelgrüne Jacke. Ihre Beute: mehr als 20 Millionen Rubel aus der Kasse einer Bank, in der sie gearbeitet hat. Name: Luisa Ramilewna Hajrullina. Doch bisher blieb die Fahndung ohne Erfolg. Kurze Zeit später erreichte die Meldung die Hauptstadtpresse. Russlands größte Boulevardzeitungen haben längst Reporter in die russische Provinz geschickt, um nach der Flüchtigen zu suchen. Erst am Dienstag im Mai 2019 war die Bankräuberin Thema in einer der bekanntesten Talkshows des Landes "Prjamoj Efir" auf dem staatlichen TV-Sender Rossija 1.
Im Trüben fischen
Keiner der Verwandten und Bekannten der Familie, die in der Sendung zu Wort kamen, kann sich erklären, warum die als gesetzestreu geltende Frau samt Mann und den beiden Kindern im Schulalter plötzlich verschwunden ist. "Das ist ganz bestimmt kein Diebstahl", mutmaßte Hajrullinas Vater in der Talkshow auf Rossija 1. Die Familie habe keine Geldnöte gehabt. Tatsächlich haben Journalisten bisher herausgefunden, dass die Familie ein für russische Verhältnisse sehr großzügiges Einfamilienhaus im Wert von umgerechnet etwa 120.000 Euro zurückgelassen hat. Der Ehemann von Luisa, Marat Hajrullin, hat sein Geld mit dem An- und Verkauf von Gebrauchtwagen verdient. Was die Familie tatsächlich zur Flucht veranlasst hat, ist bisher unbekannt. Unklar bleibt auch, warum in der kleinen Filiale der Rosselkhozbank in der 150.000-Einwohner-Stadt Salawat so viel Bargeld vorhanden war und wie genau es unbemerkt entwendet werden konnte.
Eine Heldin wird gemacht
Für die Netzgemeinde in Russland ist diese Frage zweitrangig. Denn die ausführliche Berichterstattung hat Hajrullina, unabhängig von dem tatsächlichen Motiv und den Umständen der Tat, bereits zu einer Heldin bei vielen Russen gemacht. "Das Thema hat hier bei uns wirklich für Furore gesorgt, sagt Elena M. (Name geändert, Redaktion bekannt), Angestellte der Stadtverwaltung von Ufa, der Hauptstadt der betroffenen Teilrepublik Baschkirien. Die Summe sei nur ein wenig klein. Auf Russlands beliebtester Forum-Webseite "Yaplakal" sind die drei Diskussionszweige zum Thema bereits mehr als 150.000 Mal geklickt worden. 1.500 User haben kommentiert. Nicht wenige von Ihnen hoffen, dass die ehemalige Bankangestellte nicht gefasst wird. Auch wenn viele darauf verweisen, dass die gestohlene Geldsumme wohl kaum für ein ruhiges Leben reichen wird.
Eine Psychologin tritt auf
Die breite Unterstützung in der Bevölkerung haben russische Psychologen bereits eine Erklärung gefunden. "Das Bankensystem verhält sich streng gegenüber Schuldnern", sagte Irina Hoch, Hauptpsychologin des Gesundheitsministeriums von Baschkirien der Zeitung Argumenty i Fakty. Das sei vor allem auf die negative Haltung gegenüber dem Bankensystem als solches zurückzuführen. "Gleichzeitig seien die Medien derzeit voll von Berichten über horrend hohe Einkommen von Beamten und über kriminelle Machenschaften von Vertretern staatlicher Behörden oder Unternehmern", ergänzt Hoch. Das führe zu einem Gefühl der Ungerechtigkeit unter jenen, deren Einkommen niedrig seien.
Der Vater der Diebin zweifelt an allem
Für Hajrullinas Vater Ramil Mulakhmetow spielt das alles keine Rolle. Er glaubt nicht an einen kriminellen Coup seiner Tochter, sondern sieht sie als Opfer einer bisher nicht erkannten Straftat.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 11.10.2018 | 11:30 Uhr