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Abstand halten: Der rumänische Schumacher Grigore Lup präsentiert seine Corona-Schuhe. Bildrechte: Dan Bodea / Transilvania Reporter

Auf AbstandRumänien: Mit "Corona-Schuhen" auf Distanz

01. Juni 2020, 05:00 Uhr

In Corona-Zeiten heißt es: Abstand halten! Mit den Schuhen eines rumänischen Schusters klappt das garantiert. Wenn zwei sie tragen, kommen sie sich nicht näher als 1,50 Meter.

von Annett Müller-Heinze

Schuhmacher Grigore Lup hat in seiner fast 40-jährigen Berufskarriere schon viele Schuhe entworfen: für kleine und große Füße, für kranke oder kerngesunde. Jetzt hat er seit einigen Tagen auch Schuhgröße 70 im Sortiment: Schuhe, mit denen man den in Corona-Zeiten nötigen Mindestabstand einhalten kann.

Theoretisch müssten die Schuhe damit mindestens 1,50 Meter lang sein. Das sei aber technisch nicht umsetzbar, erzählt der Schuhmacher aus dem siebenbürgischen Cluj-Napoca am Telefon. "Die würden auseinander brechen oder so schwer sein, dass Sie sie gar nicht heben könnten." Seine Lederschuhe sind deswegen genau nur 75 Zentimeter lang. "Wenn Ihr Gegenüber auch solche Schuhe trägt", rechnet der Handwerker vor, "dann kommen Sie zusammen auf die nötigen 1,50 Meter. Der Mindestabstand macht ja schließlich erst Sinn, wenn zwei Leute aufeinandertreffen".

Die Sommervariante bekommt nur eine leichte Sohle. Bildrechte: Dan Bodea / Transilvania Reporter

Schuhe für Tanz und Theater

Hätte es die Pandemie nicht gegeben, würde der 55-Jährige derzeit im Atelier kreative Schuhe herstellen: Bei Grigore Lup bestellen Opern- und Theaterhäuser, die Filmindustrie, Hochzeitspaare oder Volkstanzgruppen. Sein Renner im Laden: Sogenannte Opinci, die Mokassins des Balkans, ein weicher, bequemer Bundschuh. Doch dieser Alltag war früher einmal. Als Mitte März in Rumänien der Notstand ausgerufen wurde, musste Grigore Lup sein mittelständisches Unternehmen schließen, seine zehn Mitarbeiter schickte er in Kurzarbeit. Das öffentliche Leben wurde innerhalb kürzester Zeit im Land lahmgelegt.

Mindestabstand "leicht vergessen"

Rumänien hat in der Pandemie wie viele andere osteuropäische Länder auf strikte Ausgangsbeschränkungen gesetzt, auch weil das chronisch unterfinanzierte Gesundheitssystem im Land selbst als Notpatient gilt. Umso strenger sind jetzt die Auflagen, wo langsam Lockerungen Einzug halten sollen: Es gilt Mundschutz-Pflicht in geschlossenen Räumen, vor Supermärkten wird die Temperatur gemessen, und natürlich muss der Mindestabstand eingehalten werden. "Doch wie leicht ist der vergessen", erzählt Lup, "bei uns liebt man es in Gruppen beinander zu stehen und endlos lang zu reden". Mit Lups überlangen Schuhen aber ist es ein leichtes, den richtigen Abstand zu wahren.

Handwerker Grigore Lup in seinem Atelier in Cluj-Napoca, seit 2001 führt er einen eigenen Laden. Bildrechte: Dan Bodea / Transilvania Reporter

Für die nächste Corona-Welle gewappnet

Lup präsentiert seine Schuh-Entwürfe für gewöhnlich auf Facebook. Sein jüngster Entwurf - vom Mindestabstand-Schuh - wurden hundertfach gelikt und kommentiert. Wie soll man denn mit solch langen Schuhen laufen können, fragen die einen skeptisch oder gar Treppen steigen, argwöhnen die anderen? Lup ließ sich nicht beirren und entwarf gleich zwei Varianten: den Sommertyp und den Winterschuh, "für den Fall, uns ereilt in ein paar Monaten die nächste Coronavirus-Welle". Seit Tagen klingelt bei Lup ununterbrochen das Telefon, nicht Kunden sind an der Strippe, sondern Journalisten aus Nah und Fern. Lup antwortet auf alle Fragen geduldig und freundlich. Er hat derzeit viel Zeit, sein Atelier darf er erst ab Anfang Juni wieder öffnen.

Schuhmacher von Nachfrage überrascht

Doch will jemand seine überlangen Schuhe überhaupt tragen? Die Zahl der Bestellungen kann Lup exakt an einer Hand abzählen. Ihn selbst hat die Nachfrage überrascht. Die einen wollen sie zur Erinnerung an ungewöhnliche Zeiten, "die anderen wollen sie tatsächlich tragen“, lacht Lup am Telefon. Der Handwerker weiß, mit seinen Schuhen kann man nur wenige Meter laufen. Doch seit es sie gibt, diskutieren alle wieder über Abstandsregeln und dass man sich an sie halten sollte. Lup sagt: "Mehr will ich doch gar nicht."

Der Handwerker vor seinem Atelier. Bildrechte: Dan Bodea / Transilvania Reporter

Dieses Thema im Programm:MDR Aktuell TV | 27. März 2020 | 17:45 Uhr

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