Interview mit Berlinale-Regisseurin Russlands Männer und die Freiheit in der Garage
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26. Februar 2020, 05:00 Uhr
In "Garagenvolk" zeigt Filmemacherin Natalija Yefimkina eine etwas andere Geschichte des postsowjetischen Russlands. Erzählt wird von einem Refugium russischer Männer, die sich in ihren Garagen alternative Lebensräume geschaffen haben. Auf kleinem Raum bauen sie Maschinen aus Schrott, züchten Wachteln oder schnitzen Heiligenfiguren. Der Dokumentarfilm feierte bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin Premiere. Für MDR Heute im Osten sprach Uta Georgi mit der Regisseurin.
Heute im Osten: Wie haben Sie die Garagen-Siedlungen im russischen Norden entdeckt?
Natalija Yefimkina: Eine Garagen-Siedlung ist ein Phänomen, das jedem Russen bekannt ist. Ich war als Regieassistentin mit einem Spielfilmprojekt auf der Kola-Halbinsel. Alles, was ich dabei brauchte, habe ich in einer Garage besorgt. Da habe ich verstanden, dass sich in der Garage das eigentliche Leben in Russland abspielt.
Was macht für Sie die Faszination dieser Orte aus?
Durch das Leben in den Garagen kann man in Russland die Gesellschaft erzählen. Nicht nur die Alten sind in der Garage, sondern auch die Jungen. Nicht nur die Aufsässigen, sondern auch Bergwerksingenieure, Künstler, Musiker, Intellektuelle.
Durch die Garage erzähle ich das moderne Russland.
Sind das wirklich nur Männer, die dort ihr Refugium gebaut haben oder auch Frauen?
Es sind hauptsächlich Männer, die ich porträtiert habe. Aber die Männer haben oft Frauen, auch wenn die meistens zuhause sind. Aber es gibt auch Frauen, die mit in einer Garage leben und den Garagenalltag mit ihren Männern teilen. In meinem Film kommt eine Frau vor, die in einer Garage ihre Hundezucht hat. Frauen kommen also vor, aber eher am Rande.
Einer der Protagonisten in ihrem Film hat vier unterirdische Stockwerke unter seine Garage gebaut. Sind das Menschen mit einfach nur sonderbaren Hobbys oder steckt mehr hinter ihren Geschichten?
Viele Männer dort haben unterschiedliche Hobbys, die skurril sind. Aber jeder macht das, wonach ihm ist. Und dieser Mensch gräbt sich in die Erde runter und versucht so, aus seinem Alltag zu verschwinden oder sich einen Ort zu schaffen, wo er sein kann, wie er ist.
Es ist skurril, aber es ist auch eine Flucht vor dem Alltag in Russland.
In ihrem Film heißt es, die Garagen-Siedlungen seien der letzte Orte der Selbstverwirklichung für diese Menschen. Was sagt das über das moderne Russland aus?
Die Garagen sind für die russischen Männer der Ort, wo sie sich frei fühlen. Wo sie sich ausleben können, wo sie ihre Träume und auch ihren Individualismus leben. Und das wird auch nicht reglementiert. Vielleicht sind das wirklich die letzten Orte wo der russische Mensch sich richtig frei füllen kann.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. Januar 2020 | 07:44 Uhr