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Weihnachten in OsteuropaLitauen: Nicht nur zu Weihnachten verrückt nach Bäumen

22. Dezember 2021, 00:27 Uhr

In Litauen haben Bäume eine besondere Bedeutung: Es wird nicht nur viel Geld mit Holz verdient, Bäume prägen auch die Kultur des Landes sehr stark. Zu Weihnachten liefern sich die Städte einen Wettbewerb um den schönsten Christbaum - und das ganze Jahr über werden Kinder nach Bäumen benannt.

Was haben Birke, Espe, Eiche und Linde gemeinsam? Klar, manchmal stehen sie im Wald oder im Park nebeneinander – in Litauen aber können sie sogar menschliche Nachbarn sein. Denn diese vier Bäume sind zugleich litauische Vornamen: Männer können Beržas (Birke) und Ąžuolas (Eiche) heißen, während Drebulė (Espe) und Liepa (Linde) häufige Frauennamen sind. Und das, obwohl auch in dem größten der drei baltischen Länder Namen fremdsprachiger Herkunft immer beliebter werden.

"Wir Litauer haben eine enge Verbindung zur Natur", sagt Eglė Žurauskaitė. Die 31-Jährige hat gerade ihre Doktorarbeit in Lituanistik, also der Wissenschaft von der litauischen Sprache und Literatur, verteidigt und erklärt, wie sich die Naturverbundenheit des knapp drei Millionen Menschen zählenden Völkchens im Alltag zeigt. Etwa bei den aus der Natur inspirierten Namen: Hier ist die Liste mit etwa Gintarė/Gintaras (Bernstein), Audra (Sturm), Rasa (Morgentau), Sniega (Schnee) oder Ugnė (Feuer) noch längst nicht ausgeschöpft.

Traditionen zum Weihnachtsfest

Die Naturverbundenheit der Litauer zeigt sich auch bei den Weihnachtsbräuchen, wo in dem heute katholischen Land auch der Aberglaube mit einfließt: So wird unter die weihnachtliche Tischdecke Heu als Symbol für die Geburt Jesu Christi im Stall gelegt – aber auch, um damit hinterher in die Zukunft zu sehen: Jeder zieht einen Halm und die Länge des Halms soll die Aussichten für das neue Jahr voraussagen. Zauberei! Und ein wenig Zauber bringen auch in Litauen Weihnachtsbäume in die Wohnstube. Doch Nadelbäume sind in Litauen – wie könnte es anders sein – auch namensstiftend für Personen: Eglė (Fichte), ist ein recht beliebter weiblicher Vorname.

"Die Herkunft unserer Namen aus der Natur ist ähnlich wie bei den Ureinwohnern in Amerika", sagt die Lituanistin Žurauskaitė, eben auch eine Eglė. Wobei Ausländer ihren Namen oft als "Eagle" (Adler) oder Angel (Engel) aussprechen, sagt sie. "Denjenigen, die es ganz genau lernen wollen, nehme ich eine Sprachdatei auf". Wobei das "ė" am Ende als langer Vokal gesprochen wird.

Wer hat den schönsten Baum?

Aber zurück zu den Bäumen. Die Litauer sind schon ein wenig baumverliebt oder sollte man sagen baumverrückt! Zu diesem Schluss kommt man jedenfalls, wenn man Anfang Dezember die Hauptstadt Vilnius oder die zweitgrößte Stadt Kaunas besucht: Alle Landesmedien berichten, wie die großen Weihnachtsbäume in den beiden Städten erleuchtet werden. Wobei von Bäumen oft nicht mehr die Rede sein kann.

Festlich, aber nicht echt: Der Weihnachts"baum" vor der Kathedrale in Vilnius. Bildrechte: Markus Nowak

Denn während in diesem Jahr in Kaunas wenigstens ein echter Baum mit jahreszeitlich fragwürdigen Schmetterlingen dekoriert wurde, verzichtet die Hauptstadt seit Jahren auf echte "Eglės". In diesem Jahr ist der Weihnachts-"Baum" in Vilnius ein pyramidenförmiges Gebilde, das aus beleuchteten Kristallen zusammengefügt ist. Während die beiden Städte um den schönsten Weihnachtsbaum wetteifern, mag deren Anblick Besuchern aus dem Westen zuweilen kitschig vorkommen. Aber Schönheit liegt im Auge des Betrachters – und ist in diesem Fall nicht billig: Vilnius ließ sich seine "Eglė" in diesem Jahr 89.000 Euro kosten, Kaunas übertrumpfte das mit 160.000 Euro für die "Eglė-Deko" am Rathaus.

Holz als Wirtschaftsfaktor

Wobei die Sache mit Holz und Geld in Litauen eigentlich umgekehrt ist: Der Baustoff aus dem Wald bringt der Wirtschaft hohe Einnahmen. Und damit ist nicht nur der Weihnachtsbaumverkauf vor dem Christfest gemeint, der übrigens nicht mit dem 24.12. zu Ende geht, sondern wegen der großen russischsprachigen, orthodoxen Minderheit auch in den Januar hineingeht. In Litauen, vom Bruttoinlandsprodukt her vergleichbar mit Kroatien, macht die Holz- und Forstwirtschaft immerhin 2,2 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Klingt nicht viel, aber immerhin waren in diesem Jahr 27.046 Menschen in dem Sektor beschäftigt. Zur Erinnerung: Das Land hat weniger als drei Millionen Einwohner.

Nur ein kleiner Teil der litauischen Holzwirtschaft: Der Verkauf von Weihnachtsbäumen Bildrechte: Markus Nowak

Jährlich werden Holz und Holzprodukte in einem Umfang von fast einer Milliarde Euro exportiert. Größter Abnehmer ist Deutschland. Längst hat sich aber auch die Möbelkette Ikea nicht nur mit Waren- sondern auch mit Produktionshäusern in dem Ostseeland angesiedelt. Sechs Prozent der weltweiten Ikea-Produktion kommen aus dem kleinen Land. Klingt nach wenig, aber vor Litauen liegen nur Italien und die Möbel-Platzhirsche Polen und China.

Übrigens wollen findige Beobachter dem illustren Namenssystem der Möbelkette mit dem gelb-blauen Logo auf die Schliche gekommen sein: So tragen Bücherregale, Sofas und Couchtische schwedische Ortsnamen, während Betten und Kleiderschränke nach norwegischen Ortschaften bezeichnet sind. Sollte der schwedische Möbelriese wegen der wichtigen Produktionsstätte Litauen auf die Idee kommen, bei neuen Produkten auf litauische Namen zurückzugreifen, bieten sich Holzmöbel geradezu an, ob aus Eiche (Ąžuolas) oder Birke (Beržas). Und die Weihnachtsbäume könnten als Eglė vermarktet werden.

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 09. Dezember 2021 | 19:00 Uhr