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Waffeln aus der Bäckerei "Dickery" bilden weibliche und männliche Genitalien nach - und sorgen in Polen für Aufsehen. Bildrechte: Adam Stępień / Agencja Wyborcza.pl

Tabubruch in PolenSündiges Backwerk: Bäckerei schockt mit erotischen Waffelkreationen

25. Juli 2022, 11:58 Uhr

Eine Konditorei im polnischen Breslau backt Waffeln in Form von männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen – und sorgt damit in manchen Kreisen für Empörung. Konservative Politiker würden den Laden am liebsten schließen lassen und die Betreiber ins Gefängnis schicken. Doch bei den Kunden sind die originellen Waffeln so beliebt, dass nun auch in der polnischen Hauptstadt ein Ableger der "Sex-Konditorei" eröffnet wurde.

Die zentral gelegene Konditorei "Dickery" im polnischen Breslau ist kaum zu übersehen. Das Ladengeschäft an der Szewska-Straße ist zwar nicht groß, aber selbst am Freitagabend, kurz vor Ladenschluss, strömen die Kunden in Scharen herbei. Die Wände innen haben einen rosa Anstrich, über einem Spiegel prangt der Schriftzug "Sex is Art". Zwei Arten von Waffeln werden angeboten: "Shero" und "Hero". Die erstgenannte Spezialität hat die Form einer Vulva, bei der zweiten handelt es sich um einen Teigpenis. Beide gibt es wahlweise mit Schokolade, Schokolade und Sahne, Sahne und Früchten, Streuseln oder Eiscreme.

Gebäck gegen Prüderie

Vier Mitarbeiter arbeiten in der Waffelbäckerei. Zeit zu reden haben sie kaum, so groß ist der Andrang. Einer von ihnen bereitet gerade einen mit Schokolade überzogenen Waffelpenis vor. "Was das für ein Gefühl sei? Na so eins, als würdest du den Penis in die Schokolade stecken", sagte er und lacht.

Vor der "Sex-Konditorei" in Breslau ist fast immer Kundschaft. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Es ist Freitagabend, weniger als eine Stunde vor Ladenschluss und trotzdem steht immer noch eine Schlange vor der Konditorei. Die Wartezeit beträgt 40 Minuten, aber die meisten schreckt das nicht ab. Auch dass die weiblichen Shero-Waffeln schnell alle sind, scheint kein Problem zu sein. Konrad (21) wollte eigentlich eine Vulva haben, doch jetzt erfährt er, dass nur noch Penisse übrig sind. Nach kurzem Zögern entscheidet er sich doch noch dafür. Er sagt, er könne es sich gut vorstellen, auch eine neue Freundin zu einem Date hierher einzuladen. "Hängt natürlich davon ab, wie offen sie wäre", sagt er und meint, ein Besuch in der Dickery könnte ein guter Vorwand sein, über Sex zu reden. "In Polen sind die Menschen prüde, vor allem Ältere. Die Jüngeren sind zwar offener, trotzdem wird nicht viel über Sex geredet", meint er.

Sex-Tabu mit Waffeln aufbrechen

Genau das haben Ruslana und Krystian aufgegriffen, als sie ihre Konditorei im April in Breslau eröffneten. "Unsere Waffeln sind wie weibliche und männliche Genitalien geformt. Es wäre nichts Ungewöhnliches daran, wenn es sich nicht um ein polnisches Tabu handeln würde. Über Sexualität muss in Polen mehr als bisher gesprochen werden", schreiben sie auf Facebook.

Eine Teigvulva mit Schlagsahne - Moralapostel laufen dagegen Sturm. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Die "Sex-Konditorei" hat Polen gespalten. Viele begrüßen die Idee, negative Kommentare gibt es aber auch. "Menschen werden eine ungeheuerliche Strafe dafür bekommen. Was Sodom und Gomorra war, wird nur ein kleines Lagerfeuer sein im Vergleich zu dem, was jetzt auf uns zukommt", mahnt eine Frau, die ihrem Facebook-Profil nach zu urteilen Anhängerin rechter Parteien ist. Ein Mann sieht die Unschuld polnischer Kinder in Gefahr: "Was werden um Himmelswillen Eltern ihren Kindern sagen, wenn sie an so einer Konditorei vorbeikommen?" Er fordert, dass das Lokal nur nach Einbruch der Dunkelheit geöffnet ist und nur von Erwachsenen betreten werden darf.

Politiker sehen Kinder gefährdet

Auch Politiker haben die Konditorei inzwischen entdeckt und nutzen das Thema, um sich zu profilieren. Der nationalistische Parlamentsabgeordnete Krzysztof Bosak (Konfederacja) zeigte sich auf Twitter empört, als er ein Foto mit Kindern, die einen Waffelpenis essen, sah. "Es ist traurig, dass schlimmster Schmutz aus der westlichen Welt nach Polen überschwappt und die Herzen, den Geist und die Körper von Kindern und Jugendlichen zerstört". Es gehe jetzt um eine "Schlacht um Polen", bei der die konservativen Werte verteidigt werden müssten.

Auch Ziemowit Przebitkowski, Vorsitzender der einflussreichen nationalistischen Organisation "Allpolnische Jugend", die enge Beziehungen zur katholischen Kirche pflegt, zeigte sich empört. "Ins Gefängnis mit ihnen - oder ins Krankenhaus", schrieb er auf Twitter. Er reagierte damit auf ein Foto, auf dem ein Dickery-Mitarbeiter die anatomisch eindeutigen Waffeln Kindern schenkt. Przebitkowski meinte, es wäre "Pädophilie" und rief zu Straßenprotesten gegen die Konditorei auf.

Doch die Unterstellung, das Bäckerei-Konzept sei ein Import aus dem "gottlosen" Westen, ist nicht ganz richtig. Die beiden Bäckerei-Gründer Ruslana und Krystian sind ein ukrainisch-polnisches Paar. Ihr Geschäft läuft inzwischen so gut, dass sie Anfang Juli eine Dickery-Filiale in Warschau eröffnet haben.

Kunden kommen aus Neugier

Die Atmosphäre sei locker, mit Kunden spreche man wie mit Kumpels, berichtet Cezary vom Dickery-Team (links). Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Es sei vor allem Neugier, die die Menschen lockt, glaubt Cezary, der bei Dickery in Breslau an der Kasse arbeitet. Das bestätigt ein junges Paar Anfang zwanzig, das sich die originellen Waffeln gerade schmecken lässt. Jessika und Sebastian seien "aus reiner Neugier" gekommen. "Wir wollten etwas Neues ausprobieren, was wir noch nicht gekannt haben. Genauso sollte es doch auch beim Sex sein, oder?"

Doch nicht alle seien so offen, wirft Kassierer Cezary ein. Leute, die direkt ihre Wut zeigten, gebe es zwar wenig. Manche würden sich aber kaum hineintrauen: "Sie öffnen schnell die Tür, kichern ein bisschen und laufen wieder weg." Um die Aufgeschlossenheit der Polen zu fördern, bedarf es wohl etwas mehr als die beiden Dickery-Läden.

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 23. Juli 2022 | 06:30 Uhr