Tickende Zeitbombe Sowjetische Atom-U-Boote verrotten in den Weltmeeren

06. August 2019, 05:00 Uhr

Erst Anfang Juli vermeldeten russische Medien erneut den Untergang eines atombetriebenen Unterseebootes der russischen Nordmeerflotte. Und so gesellt sich ein weiteres, höchst gefährliches Wrack zu den Altlasten, die schon die Sowjetunion in den nördlichen Meeren hinterlassen hat.

Weit mehr als 200 Atom-U-Boote besaß die UdSSR. Als sich das sozialistische Riesenreich auflöste, begann die einst "ruhmreiche" Flotte des Landes allmählich zu verrotten. Reaktoren und Brennstäbe von Atom-U-Booten wurden nur notdürftig gesichert und dann vergessen.

Das größte Jagd-U-Boot aller Zeiten

Schon im April 1989, noch zu Zeiten der UdSSR, sank in der Barentssee im Arktischen Ozean das atomar betriebene U-Boot "Komsomolez", das größte Jagd-U-Boot aller Zeiten. An Bord: Zwei Reaktoren, Uran und Plutonium. Das U-Boot ruht noch immer auf dem Grund der Barentssee. Wie es im Innern des Bootes aussieht, weiß niemand.

Eine tickende Zeitbombe

14 Jahre später bekam die "Komsomolez" Gesellschaft. Im August 2003 sank ein Atom-U-Boot der Baureihe K-159 bei schlechtem Wetter in der Barentssee. Das U-Boot K-159, das zur ersten Generation atomar betriebener U-Boote in der UdSSR zählte und ab 1963 produziert wurde, war mit zwei Reaktoren ausgestattet und sollte zum Abwracken geschleppt werden. Bei der Katastrophe kamen zehn Soldaten ums Leben. Das Atom-U-Boot konnte nicht geborgen werden und ruht bis heute auf dem Grund des Ozeans. Russische Behörden versichern, dass von dem U-Boot keinerlei Gefahr ausgehe. Fachleute bestreiten das. Sie sprechen von einer tickenden Zeitbombe.

Zwischenlager für 50 U-Boote

In der Saida-Bucht im Arktischen Ozean nördlich von Murmansk gammelten seit dem Ende der UdSSR in einem sogenannten Langzeitlager mehr als 50 ausgediente Atom-U-Boote der sowjetischen Marine vor sich hin. Sie waren nur notdürftig gesichert und ansonsten weitestgehend vergessen. 2003 schlossen das deutsche Wirtschafts- und das russische Atomenergieministerium ein Abkommen. Deutschland sicherte Russland darin Hilfe bei der Entsorgung der stillgelegten Nordmeerflotte zu. Zunächst wurde eine riesige Halle errichtet - eine Art Zwischenlager, in dem die Reaktoren der U-Boote "abklingen" sollen.

Warum U-Boote aufgeblasen werden müssen

Widjajevo, auf der Halbinsel Kola, ist eine Marinebasis der russischen Nordmeerflotte und ein weiterer Friedhof für ausgediente sowjetische Atom-U-Boote. Tausende Tonnen atomarer Schrott und Atommüll lagern unter freiem Himmel oder sind im Meer versenkt worden. Dutzende ausgedienter Atom-U-Boote dümpeln an den Kaimauern. Um sie am Sinken zu hindern, werden sie ständig mit Luft aufgeblasen. Die Reaktoren sind zum Teil aus den U-Booten ausgebaut und lagern in Hallen auf dem Gelände.

Und auch unweit von Widjajewo, in einem abgeschotteten Militärhafen in der einstmals geheimen Stadt Saosjorsk, liegen zwei ausgemusterte Atom-U-Boote der sogenannten "Alpha-Klasse" (in Dienst genommen zwischen 1968 und 1972) im Eis. Sie rosten vor sich hin.

Beinahekatastrophe wegen nicht bezahlter Stromrechnung

1995 kam es auf der Halbinsel Kola beinahe zu einer Katastrophe. Auf einem Atom-U-Boote drohten die Reaktoren zu überhitzen. Die städtischen Stromwerke hatten dem Militär den Strom abgestellt, weil es seine Rechnungen nicht bezahlt hatte. Die Reaktoren konnten nicht mehr gekühlt werden. Eine Katastrophe konnte in letzter Sekunde abgewendet werden. Die U-Boote freilich rotten weiter vor sich hin.

Ein beunruhigender Bericht

Aber auch Tausende Tonnen anderen atomaren Mülls wurden einfach in de Ozean entsorgt. 2013 veröffentlichte die russische Regierung einen Bericht, in dem aufgelistet war, wieviel Atommüll in den russischen Regionen des Arktischen und Pazifischen Ozeans abgeladen worden sind: 19 Schiffe mit radioaktiver Fracht sowie etwa 20.000 Container mit Atommüll. Die letzte Verklappung soll 1993 stattgefunden haben.

(sl/voq)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Radio | 04. Juli 2019 | 11:30 Uhr

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