Eurovision Song Contest Russland: Darum wird die ESC-Sängerin Manizha gemobbt
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09. April 2021, 06:37 Uhr
Sechs Wochen vor dem Eurovision Song Contest droht der russische Beitrag für den internationalen Wettbewerb im eigenen Land zum Politikum zu werden. Beim nationalen Vorentscheid hatte die Sängerin Manizha ihre Konkurrenz bei der Zuschauerabstimmung weit hinter sich gelassen. Jetzt wollen konservative Russinen und Russen ihren Auftritt im Mai in Rotterdam verhindern.
Alles sah nach einem geschickten Schachzug der Verantwortlichen des ausrichtenden Staatssenders "Perwy Kanal" aus. Manizha ist nicht nur beim jungen Publikum in Russland beliebt, sondern trifft aus Sicht der TV-Verantwortlichen auch den europäischen Zeitgeist. Die 29-jährige Sängerin stammt aus Tadschikistan, setzt sich öffentlich für Rechte von Frauen und gegen Diskriminierung von Homosexuellen ein. In ihrem Lied "Russian Woman" geht es um die Stärke der russischen Frauen, die sich gegen altbackene Rollenbilder durchsetzen, aber auch um kaputte Familien und die Liebe zu sich selbst. Aus russischer Sicht ein perfekter Beitrag, um in Europa viele Stimmen zu sammeln. Im offiziellen ESC-Kanal auf YouTube wurde Manizhas Clip bislang mehr als sieben Millionen Mal geklickt.
Ein Welle der Empörung: Konservative Russen protestieren gegen Manizha
Doch was in Europa für ein modernes Russland stehen soll, stößt nun daheim auf heftige Kritik. Zuerst beschwerten sich viele konservative Russen in den sozialen Netzwerken, Männer wie Frauen, über Manizhas Song. Dieser würde angeblich für Russland fremde Werte propagieren. Andere störten sich an Manizhas Herkunft, schließlich sei sie nicht in Russland geboren und könne deswegen kein Lied über russische Frauen singen. Ein Veteranenverband und auch ein christlicher Frauenverband protestierten öffentlich gegen Manizhas Nominierung.
Auf Messers Schneide: Wird Manizha tatsächlich beim ESC auftreten?
Was zunächst wie eine Posse wirkte, könnte nun doch Manizhas Teilnahme am ESC gefährden. Inzwischen schaltete sich vor wenigen Tagen sogar eine Spitzenpolitikerin ein. Die Vorsitzende des Föderationsrates, Valentina Matwijenko, zweifelte öffentlich an, dass bei der Zuschauerabstimmung alles mit rechten Dingen zugegangen war. Vorgestern ließ die zuständige Ermittlungsbehörde durchsickern, man prüfe ob der Liedtext nicht gegen russische Gesetze verstoße. Zu allem Überfluss kommentierte sogar der Kreml offiziell den Streit. Putins Sprecher sagte, dass die Öffentlichkeit das Recht habe, sich zu beschweren. Einmischen werde man sich in die Sache allerdings nicht. Manizha selbst hält sich mit Kommentaren bislang zurück. In einem Interview mit der Journalistin Xenia Sobtschak sagte sie allerdings, dass der Hass der Menschen für sie ein Schock sei.
Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell Radio | 01. April 2021 | 12:00 Uhr