Schulmassaker in Kasan Warum es in Russland immer wieder zu Amokläufen kommt

12. Mai 2021, 22:25 Uhr

Das Schulmassaker in Kasan ist nicht der erste Amoklauf eines Schülers in Russland. Obwohl die Behörden seit 2014 die Sicherheit an den Schulen erhöht haben, sind sie scheinbar machtlos gegen School-Shootings.

Fotomontage Mann vor Fahne
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Blumen zur Erinnerung an die Toten in einer Schule, Kasan
Blumen zur Erinnerung an die Toten nach dem Massaker in einer Schule im russischen Kasan Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Der Amoklauf von Kasan ist Teil einer langen Kette von Angriffen auf Schulen in Russland, die 2014 mit einer Schießerei in einer Moskauer Schule ihren Anfang nahm. Damals tötete ein Schüler mit einem Jagdgewehr einen Lehrer und einen Polizisten. Glaubt man dem Inlandsgeheimdienst FSB, wurden seit 2018 mindestens 50 Angriffe von Jugendlichen auf Schulen und andere Bildungseinrichtungen vereitelt. Allein im vergangenen Jahr wurden in mindestens sechs Städten Teenager im Alter zwischen 14 und 19 Jahren festgenommen, die nach Angaben der Justizbehörden Schießereien und Sprengstoff-Attentate geplant hatten. Die Behörden präsentierten beschlagnahmte Jagdgewehre, selbstgebaute Sprengsätze und Molotowcocktails.

Trauriges Vorbild USA

Die Ermittlungsbehörden und der FSB machen für diese Welle vor allem die Vorbildwirkung von sogenannten School-Shootings aus den USA und anderen westlichen Staaten verantwortlich. Nach dem bislang blutigsten Angriff auf eine Berufsschule in der Stadt Kertsch mit 20 Opfern im Jahr 2018 machte Präsident Wladimir Putin die "Globalisierung" und die "Verherrlichung des Attentats auf die Columbine-Highschool in den USA im Jahr 1999" als Schuldige aus. Im vergangenen Jahr erklärte der Chef des russischen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, dass mindestens 70.000 Jugendliche zu vermeintlichen Anhängern einer Subkultur im Netz zählen, die solche Angriffe im Netz verherrlicht. 

Vertrauen in russische Sicherheitskräfte gering

Das Vertrauen in diese Zahlen, aber auch in die Fähigkeit der Polizei, Amokläufe tatsächlich zu vereiteln, ist in der Öffentlichkeit gering. In den vergangenen Jahren hat die russische Justiz gleich mehrere Gruppen von Jugendlichen trotz extrem dünner Beweislage wegen angeblichem Extremismus zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Lehrergewerkschaft kritisiert bereits seit langem, dass die Ermittlungsbehörden das Schulpersonal dazu anhalten, auffällige Schüler auszuspähen und den Behörden zu melden. Das würde das Vertrauen zwischen Schülern und Lehrern weiter zerstören. Auch die mittlerweile an allen russischen Schulen verpflichtend eingebauten Eintrittsschranken und die Wachleute konnten das jüngste Attentat in Kasan nicht verhindern. 

Ein Blick auf die Schule Nr. 175 in Kasan
Schule Nr. 175 in Kasan, in der ein Amokschütze um sich schoss Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Verschärfung der Waffengesetze gefordert

Im Mittelpunkt der Diskussion stehen nach dem Amoklauf nun die russischen Waffengesetze. Wie schon beim Angriff in Kertsch hatte der 19-jährige Täter aus Kasan ein offiziell registriertes Jagdgewehr als Tatwaffe benutzt. Gleich mehrere hochrangige Vertreter der Regierungspartei Einiges Russland haben bereits eine Verschärfung der Waffengesetze gefordert. Auch Präsident Putin wies die für Waffenlizenzen zuständige Nationalgarde an, die Auswahl der zulassungsfähigen Waffen zu überarbeiten. In der Teilrepublik Tatarstan sollen nun alle Waffenlizenzen eiligst überprüft werden. 

In der Regionalhauptstadt Kasan hat der Amoklauf neben Schrecken auch eine große Welle der Solidarität ausgelöst. Bilder in sozialen Netzwerken zeigen, dass vor Krankenhäusern mittlerweile viele Menschen Schlange stehen, weil sie Blut spenden wollen.

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Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell Radio | 11. Mai 2021 | 10:00 Uhr

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