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MoskauRussland: Liebesentzug für Rammstein-Sänger Lindemann?

04. September 2021, 04:56 Uhr

Rammstein-Frontmann Till Lindemann soll am Wochenende bei einem Militärmusikfestival in Moskau auftreten. Obwohl er gerade Ärger in Russland hat. Lindemann scheint beim Kreml in Ungnade gefallen zu sein.

von Denis Trubetskoy

Kaum ein Musiker ist in Russland so beliebt wie Rammstein-Frontmann Till Lindemann. Um die Jahrtausendwende dominierten Rammstein-Videos das russische Musikfernsehen. Seitdem hat nicht nur die Band, sondern vor allem Lindemann den Status einer Ikone. Im Frühjahr gelang Lindemann ein besonderer Coup, als er für einen Kriegsfilm den sowjetischen Jagdflieger-Militärklassiker "Geliebte Stadt" interpretierte – und zwar komplett auf Russisch.

Das hatte nicht nur den meisten Russen, sondern auch dem Kreml gefallen. Schließlich ist das offizielle Moskau stets auf der Suche nach internationalen Stars, die gegenüber Russland freundlich auftreten. Und so überraschte es kaum jemanden, als Lindemann unlängst als Headliner des vom Verteidigungsministerium veranstalteten Militärmusikfestivals "Spasskaja Baschnja" (Spasski-Turm) auf dem Roten Platz in Moskau vorgestellt wurde. Dort soll er an diesem Wochenende zweimal auftreten. Doch ob es dazu wirklich kommt, ist trotz offizieller Bestätigung nach den Entwicklungen der letzten Tage fraglich.

Till Lindemann bekommt Besuch von der russischen Polizei

Denn es scheint, als sei Rammstein-Sänger Till Lindemann beim Kreml in Ungnade gefallen. Vergangene Woche bekam der gebürtige Leipziger, der sich gegenüber den russischen Machthabern immer loyal verhält, nächtlichen Besuch von russischen Polizisten. Sie suchten ihn in seinem Hotelzimmer auf und ermahnten ihn nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax eindringlich, sich bei seinem geplanten Auftritt auf einem Musikfestival in Twer, 170 Kilometer nordwestlich von Moskau, an die Corona-Regeln zu halten. Das Festival inklusive Lindemanns Auftritt wurde schließlich abgesagt. Nach Angaben der Veranstalter sei zuvor bereits die Bandprobe von Till Lindemann gescheitert, weil russische Polizisten sämtliche Autos daran gehindert hätten zum Festivalgelände zu fahren. Es scheint, als habe das Vorgehen des Staates einen politischen Hintergrund. Denn das Festival in Twer wurde von einem ehemaligen Politiker der Regierungspartei Einiges Russland organisiert, dessen Sohn nun für eine andere Partei ins Lokalparlament einziehen möchte.

Rammstein-Sänger Till Lindemann (l.) mit seinem Manager Anar Reiband Bildrechte: picture alliance / Grigoriy Sisoev/Sputnik/dpa | Grigoriy Sisoev

Lindemanns Manager droht Ausweisung

Noch überraschender war die Nachricht der russischen Nachrichtenagentur Interfax, dass die russische Staatsanwaltschaft gegen Anar Reiband, den Manager des Sängers, ermittelt. Er solle gegen die Einreiseregeln verstoßen haben. Laut Interfax hatte Reiband als Reiseanlass angeblich einen touristischen Aufenthalt in Russland angegeben, obwohl er Konzerte organisierte. Reiband, so Interfax, drohe nun die Ausweisung aus Russland.

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Eremitage erhebt schwere Vorwürfe gegen Lindemann

Und die Probleme häufen sich. Auch bei der berühmten Gemäldegalerie Eremitage in Sankt Petersburg hat sich der Rammstein-Frontmann extrem unbeliebt gemacht. Lindemann, der für sein Video "Geliebte Stadt" auch in der Eremitage gedreht hatte, soll, so der Vorwurf des Museums, gegen den Vertrag verstoßen haben. Der Sänger, der sich, wie das Musikmagazin Rolling Stone am 18.08.2021 online schreibt, auch als digitaler Kunsthändler betätigt, habe Bilder und Videos, die ihn in der Eremitage zeigen, als sogenannte NFT-Token, das sind digital verschlüsselte Objekte, zum Verkauf angeboten. Dafür habe er bis zu 100.000 Dollar verlangt. Aus Sicht der Eremitage verstößt das eindeutig gegen den Drehvertrag mit dem Museum. Der Konflikt soll nun gerichtlich gelöst werden.

Lindemann erntet Schadenfreude von russischer Opposition

Die russische Opposition übt sich derweil in Schadenfreude. Das kommt nicht von ungefähr: Im Frühjahr wurde Alexej Borowikow, Ex-Koordinator des Stabes des Oppositionellen Alexej Nawalny im nordrussischen Archangelsk, zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf: Verteilung von Pornografie. Borowikow hatte 2014 das Rammstein-Video zum Lied "Pussy" in sozialen Netzwerken geteilt. Während Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe Borowikow unterstützte, äußerte sich Lindemann nicht.

Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe Bildrechte: picture alliance/dpa | Christophe Gateau

"Glauben Sie nicht, dass Lindemann ein prinzipientreuer Unterstützer Putins und Gegner Nawalnys ist", meint etwa der Kolumnist der regierungskritischen Zeitung Nowaja Gaseta, Jan Schenkman. "Hätte Borowikow so viel Geld wie das russische Verteidigungsministerium, hätte Lindemann auch für ihn ein Lied aufgenommen (wie den Militärklassiker "Geliebte Stadt", Anmerkung der Redaktion). Ihm scheint es offenbar, als könnte man in Russland aus dem Nichts Millionen machen. Im Prinzip stimmt das. Doch das können nur Auserwählte, während andere in der Nacht besucht und an Corona-Regeln erinnert werden."

Die Redaktion hat Till Lindemanns Management angeschrieben und um Stellungnahme zu den Ereignissen in Russland gebeten, bislang aber keine Antwort erhalten.

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Dieses Thema im Programm:MDR Aktuell Radio | 30. April 2021 | 10:00 Uhr