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UkraineTuberkulose : Die "Weiße Pest" kommt zurück

01. Juli 2020, 13:06 Uhr

Während derzeit Corona die Debatten bestimmt, ist auch eine andere Infektionskrankheit in Osteuropa wieder auf dem Vormarsch - die Tuberkulose. 1,5 Millionen Menschen sterben jährlich daran. Und das, obwohl es Medikamente gibt. Aber die Behandlung ist langwierig und teuer.

Tuberkulose-Patient in einer Klinik in der Republik Moldau: Die "Schwindsucht" zehrt den Körper aus. Bildrechte: imago/imagebroker

Tuberkulose ist für die meisten von uns so weit weg wie die Pest. Irgendetwas von Früher. Hatte Oma mal nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals kam man in die TBC-Heilanstalt und wurde, wenn man Glück hatte, geheilt. Heute ist TBC, der "Weiße Tod", die "Schwindsucht", Geschichte. Irrtum! Die Tuberkulose kostet auch heute noch viele Menschen das Leben. Nach Abgaben der WHO steckten sich allein 2018 rund 10 Millionen Menschen mit TBC an. 1,5 Millionen sterben jedes Jahr an der Infektionskrankheit. In Europa grassiert Tuberkulose vor allem in ehemaligen Sowjetrepubliken: in Belarus, in der Ukraine und in der Republik Moldau. Gewissermaßen vor unserer Haustür. Erreger der "Schwindsucht", die so heißt, weil die Kranken oft sehr viel Gewicht verlieren, ist das Mycobacterium tuberculosis.

Erreger: Tuberkulose-Bakterien Bildrechte: imago/Science Photo Library

Immer mehr Kranke mit antibiotika-resistentem Erreger

Tuberkulose kann behandelt werden - aber die Medikamente - spezielle Antibiotika - sind teuer und müssen über einen langen Zeitraum eingenommen werden. Weil gerade in ärmeren Ländern Medikamente nicht verfügbar sind oder auch die Behandlung vorzeitig abgebrochen wird, gibt es immer mehr Erkrankte auf der Welt, die einen gegen die meisten Antibiotika resistenten Erreger in sich tragen. Eugen T. ist einer von ihnen. Er kommt aus der Ukraine, ist 36 Jahre alt. Weil es in der Ukraine keine Hilfe mehr für ihn gab, kam er auf eigene Faust nach Deutschland. Nun wird er im schleswig-holsteinischen Borstel behandelt. Seit zwei Jahren liegt er dort schon im Fachklinikum für Lungenkrankheiten. Ende August soll er als geheilt entlassen werden.

Eugen ist seinem Krankhauszimmer in Borstel - er hofft, dass er Ende August entlassen werden kann. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wegen Corona: Medikamente nicht geliefert

Prof. Christoph Lange, Leiter des Krankenhauses in Borstel, ist einer der angesehensten Experten auf dem Gebiet der gefährlichen Infektionskrankheit. Er ist oft in Osteuropa unterwegs, hat Kontakte auch zu Kliniken in der Ukraine. Von dort kommen immer wieder Anfragen nach Hilfe aus Deutschland. Zum Beispiel auch von Lena und den Ärzten, die sie behandeln. Die Ukrainerin Lena ist 32 Jahre alt und arbeitete als Näherin. Sie wird in einem Krankenhaus in Charkiw, der mit 1,5 Millionen Einwohnern zweitgrößten Stadt der Ukraine, behandelt. Lena hat seit 5 Jahren Tuberkulose, eine multiresistente Form, die mit den üblichen Medikamenten nicht zu heilen ist. Ihr Mann Artem ist im März an TBC gestorben. Und auch Lena geht es schlecht, sie kann kaum laufen und sprechen - wegen der Corona-Pandemie werden die notwendigen Medikamente nicht mehr geliefert. Jetzt hoffen sie und die Ärzte auf Hilfe von Prof. Lange aus Deutschland. Eventuell würde Lena ein Gerät helfen, das die Sauerstoffsättigung im Blut erhöht. Aber den Ärzten in Charkiw fehlt sowohl die Erfahrung mit dieser Art Behandlung als auch das Geld für ein Beatmungsgerät. Sie wollen Prof. Lange um Rat fragen.

Lena (ganz rechts) mit zwei Spezialisten, die den Zustand ihrer Lunge beurteilen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Drehgenehmigung nur mit Beziehungen

Ein relevantes Thema, über das die Osteuropa-Redaktion des MDR nun eine Reportage in der Ukraine dreht, die auf dem deutsch-französischen Sender arte und im MDR laufen soll. Eigentlich sollte das Drehteam den Leiter der Klinik in Borstel, Prof. Christoph Lange, auf seiner Reise in die Ukraine begleiten. Doch aufgrund der Corona bedingten Reisebeschränkungen ist nun ein ukrainisches Team aus Kiew vor Ort für uns unterwegs. Doch auch für sie war es schwer, Drehgenehmigungen in den Tuberkulose-Kliniken zu bekommen."Nur durch die persönliche Beziehung von Prof. Lange zu Dymtro Butov, Professor an der Medizinischen Universität in Charkiw haben wir eine Drehgenehmigung für das Krankenhaus bekommen, sonst hätten uns die Behörden keine erteilt", erzählt unsere Autorin in der Ukraine Liudmyla Berdnyk. Das Team durfte in der Charkiwer Klinik nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen drehen. Ihre mitgebrachten Schutzmasken mussten sie gegen "sicherere " austauschen. Extra Kittel und Überzüge für die Schuhe waren ebenso Vorschrift beim Dreh.

Tuberkulose in der Ukraine: Unsere Autorin Liudmyla Berdnyk (2. v. r.) in Schutzanzug im Gespräch mit einem Patienten. Rechts neben ihr der Arzt Dymtro Butov. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Tuberkulose und Corona - ein hohes Risiko

Für die Tuberkulose-Kranken kommt inzwischen eine neue Gefahr hinzu, denn eine Corona-Infektion würde bei ihnen ungleich schwerer verlaufen. Nachdem ab dem 25. Mai auch in der Ukraine die strengen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen gelockert wurden, steigen auch hier die Infektionszahlen wieder. Am 24. Juni wurde mit 940 neuen Covod-19 Fällen ein neuer Negativ-Rekord aufgestellt. Liudmyla Berdnyk wundert der in ihren Augen sorglose Umgang mit der Pandemie, auch weil sie um die Gefahren für die vielen Tuberkulose-Kranken weiß: "Hier ist alles so wie früher. In Kiew tragen die Menschen noch Masken in der Öffentlichkeit. Ich war erstaunt zu sehen, dass in Charkiw alle ohne Masken unterwegs sind."

Das "Bezirkskrankenhaus für Tuberkulose Nr. 1" im ukrainischen Charkiw ist vergleichweise gut für die Behandlung von Kranken ausgestattet. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Vielleicht kann Lena mit der Unterstützung von Prof. Lange aus Deutschland geholfen werden. Unser Team in der Ukraine wird Lena weiter begleiten. Ein anderes Team in Deutschland filmt Eugen, der im August aus der Klinik in Borstel entlassen wird und am liebsten in Deutschland bleiben würde.

Dieses Thema im Programm:MDR Aktuell Radio | 04. Juni 2020 | 20:00 Uhr

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