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UngarnVerletzungsgefahr: Messerscharfe Muscheln am Balaton

19. Juli 2022, 10:33 Uhr

Wenn sich Urlauber am Balaton verletzen, sind meist Muscheln die Ursache. Zwei invasive Arten, die Wandermuschel und die Quagga-Muschel haben heimische Muscheln so gut wie verdrängt und verderben Urlaubern den Spaß am Baden.

Muscheln sind die Ursache der meisten Verletzungen, die am Balaton in der Urlaubssaison behandelt werden müssen. Das zeigen die Statisiken des ungarischen Roten Kreuzes, das am Balaton einen Erste-Hilfe-Dienst betreibt, Jahr für Jahr aufs Neue.

Badeschuhe nicht vergessen: Die scharfen Kanten der Muscheln können Badende verletzen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Wandermuschel und die Quagga-Muschel sind scharfkantig und maximal drei Zentimeter groß. Sie setzen sich in großer Zahl auf Steinen, Treppen, an Booten oder sogar auf anderen, größeren Muscheln fest und können schmerzhafte Schnittwunden verursachen - meist an den Füßen der Badegäste.

Verdrängungskampf unter Muscheln

"Als ob Rasierklingen den Boden des Plattensees bedeckten" - schrieb die Presse bereits in den 1930er Jahren über die Wandermuscheln. Bildrechte: Csilla Balogh

In den 1930er Jahren sorgte die plötzliche Verbreitung der Wandermuschel in Ungarn für große Aufregung. Der Strand von Tihany, einem beliebten Urlaubsort am nördlichen Ufer des Plattensees, war Mitte der 30er Jahre über mehrere Saisons hinweg für Badegäste unbenutzbar. "Als ob Rasierklingen den Boden des Plattensees bedeckten" - so beschrieb die Presse damals das Phänomen. Diese extreme Ausbreitung war jedoch nur vorübergehend. "Zum Beginn solcher Invasionen kann die Reproduktion intensiver sein", erklärt Csilla Balogh, Biologin am Limonologischen Forschungsinstitut (einem Institut zur Erforschung von Binnengewässern - d. Red.) am Balaton.

Die Wandermuschel ist am Boden von Schiffen aus dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer nach Mitteleuropa gekommen und verbreitete sich schnell auf dem Kontinent. Im Balaton, der über den Sió-Kanal mit der Donau verbunden ist, wurde sie 1932 entdeckt. Die Quagga-Muschel hingegen ist erst 2008 im Ballastwasser von Schiffen aus Amerika über die Niederlanden nach Ungarn eingeschleppt worden und stellt nun eine starke Konkurrenz für die Wandermuschel dar.

Csilla Balogh erforscht Muscheln am Balaton. Bildrechte: Csilla Balogh

"Wenn die Quagga-Muscheln in einem Ökosystem auftauchen, verdrängen sie meist in ein paar Jahren die Wandermuscheln", sagt Csilla Balogh. Am östlichen Ende des Plattensees, jenseits der Halbinsel von Tihany, wo weniger Nährstoffe im Wasser sind, sei die Quagga-Muschel bereits so gut wie die Alleinherrscherin. Anderswo am Balaton, wo mehr Algen im Wasser sind, sei eher das Zusammenleben der beiden Arten typisch. Die heimischen Muschelarten wurden von den beiden invasiven Arten inzwischen fast völlig verdrängt.

Saisonbedingte Ausbreitung

Auf wie viele Muscheln die Urlauber in diesem Jahr stoßen werden, lässt sich noch nicht sagen. Die Ausbreitung der Muscheln hängt zum einen von der Saison, zum anderen von Umweltbedingungen ab, so die Forscherin, etwa von der Wassertiefe oder -temperatur. Genaue Daten gibt es dazu erst im Herbst. Der Klimawandel könnte die Muscheln dezimieren, denn extreme Hitze mögen diese Tiere nicht. Andere menschengemachte Einflüsse sind dagegen zu ihrem Vorteil: So siedeln sie sich gerne an Uferbefestigungen aus Stein an.

Eine Muschelkolonie im Balaton. Bildrechte: Csilla Balogh

Die Muscheln sind aber flexibel, was ihren Standort betrifft: Sie können sich auch im Schlamm ansiedeln - und sie können chemische Signale aussenden, damit sich ihre Artgenossen um sie herum niederlassen, bis sie den Boden des Sees wie ein Teppich bedecken. Urlauber sollten also die Badeschuhe nicht vergessen.

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | HiO Reportage | 17. April 2021 | 18:00 Uhr