Impressionen vom Plastic Cup
An drei Tagen wurden beim diesjährigen "Plastic Cup" auf dem Theiß-See in Ungarn fünf Tonnen Plastikmüll gesammelt. Bildrechte: Plastic Cup

Ungarn Schwimmende Kühlschränke in der Theiß

28. August 2021, 04:56 Uhr

Kühlschränke, Autoreifen und Plastikflaschen - davon gibt es in der Theiß reichlich. Der längste Nebenfluss der Donau gilt auch als einer der schmutzigsten in Europa. Eine Gruppe von jungen Leuten geht das Problem spielerisch an und veranstaltet den "Plastic Cup". Müllsammeln bis der Arzt kommt!

Seit acht Jahren gibt es den "Plastic Cup" auf der Theiß in Ungarn schon, zum zweiten Mal fand er nun am Theiß-See statt. Die Regeln des Wettbewerbs sind im Grunde simpel: Wer den meisten Müll auf einer etwa 25 Kilometer langen Strecke zwischen den Städten Tiszafüred und Kisköre sammelt, der gewinnt. Auf die Geschwindigkeit kommt es hier also nicht an. Zumal der Wettbewerb über mehrere Tage geht. Das Spannende dabei: Die Boote sind Eigenkonstruktionen aus Plastikmüll.

Die Theiß - einer der schmutzigsten Flüsse Europas

"In diesem Abschnitt der Theiß haben wir Müll aus Rumänien, der Ukraine, aus der Slowakei, aber auch von uns, aus Ungarn. Man muss es der Ehrlichkeit halber sagen, auch wir selbst sind Schuld", sagt Attila Dávid Molnár, einer der Organisatoren des "PET Kupo", des "Plastic Cup" also.

Impressionen vom Plastic Cup
Attila Dávid Molnár ist einer der Organistoren des "Plastic Cup" auf dem ungarischen Fluss Theiß. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Theiß, die ihren Ursprung in der Ukraine nimmt, durchfließt Ungarn von Nord nach Süd, bevor sie in Serbien in die Donau mündet. Auf ihrem Weg wird die Theiß von vielen Nebenflüssen mit Wasser versorgt, die ihren Ursprung bei den Nachbarn Ungarns nehmen. Das ist die Ursache für die enorme Verschmutzung.

Die Theiß ist einer der schmutzigsten Flüsse in ganz Europa.

Attila Dávid Molnár

Die vielen Zuflüsse der Theiß stammen aus Regionen, die kein Abfallentsorgungssystem haben. "Wir sprechen hier über hunderte Ortschaften, die ihren Müll einfach in den Fluss leiten", so Molnár. Insbesondere bei Überschwemmungen kommt es zu wahren Fluten von Plastikmüll, der auch von den Ufern der Zuflüsse mitgerissen wird. Mittlerweile sprechen die Menschen entlang der Theiß bei solchen Ereignissen von "Plastik-Tsunamis".

Der längste Nebenfluss der Donau

Die Theiß ist mit 966 Kilometern der längste Nebenfluss der Donau. Sie entsteht in den ukrainischen Waldkarpaten. Ende des 19. Jahrhunderts galt sie als fischreichster Fluss Europas - heute macht sie durch Umweltverschmutzung Schlagzeilen.

1970 wurde die Theiß mitten in der Puszta-Ebene angestaut. Dadurch entstand der künstliche Theiß-See, der sich als billigere Alternative zum Plattensee vor allem bei einheimischen Urlaubern großer Beliebtheit erfreut.

Außerdem ging die Theiß 1697 in die Geschichte ein: Damals erlitt das Osmanische Reich an ihren Ufern, in der Schlacht bei Zenta, eine vernichtende Niederlage gegen die verbündeten christlichen Armeen. Schätzungen zufolge ertranken rund 10.000 osmanische Krieger.

Der Müll-Sammelwettbewerb der Plastik-Piraten

Um der Verschmutzung ihres Flusses entgegenzuwirken haben sich Anwohner der Theiß 2013 zu einer Initiative zusammengeschlossen und den "Plastic Cup" ins Leben gerufen. Sich selbst nennen sie seitdem Plastik-Piraten. Der Wettbewerb teilt sich in drei Phasen. Als erstes wird über Monate hinweg entlang des Flusses Müll gesammelt. Aus dem Plastik werden dann nach strengen Kriterien Boote gebaut. In der dritten Phase sammeln die Teams mit ihren Booten weiteren Müll entlang einer festgelegten Strecke.  

Impressionen vom Plastic Cup
Teilnehmer des "Plastic Cup" beim Bau eines Bootes aus Plastikmüll. Bildrechte: Plastic Cup

Mittlerweile finden jährlich mehrere dieser Events an der Theiß statt. Die Plastik-Piraten haben sich fest in der ungarischen Gesellschaft etabliert. Der "Plastic Cup" am Theiß-See etwa findet unter der Schirmherrschaft des Staatspräsidenten statt und der größte Sponsor der Initiative ist das ungarische Ministerium für Innovation und Technologie. "Der Schlüssel zum Erfolg des "Plastic Cups" liegt darin, dass hier eine schwierige und teils gefährliche Aufgabe, nämlich das Müllsammeln entlang der Flussufer, in Spaß und eine inspirierende Teambildungsmaßnahme verwandelt wird, in ein einmaliges Abenteuer", schreiben die Organisatoren auf ihrer Internetseite.    

Müllsammeln als Abenteuer

Auch dieses Mal sind elf Teams verschiedener ungarischer Unternehmen beteiligt. "Heute haben wir noch nichts Besonderes rausgefischt", erzählt einer der Teilnehmer. "Aber gestern gab es einen Kühlschrank, so einen echten großen Kühlschrank, wenn auch schon ausgeschlachtet. Regelmäßig finden wir alte Autoreifen und sehr viel Styropor. Dann Flaschen – davon gibt es am meisten. Und alle Arten von Spielzeug. Leider gibt es hier von allem Unmengen."

Impressionen vom Plastic Cup
Den gesammelten Plastikmüll liefern die Teams des "Plastic Cup" beim Mutterschiff "M.V. Petényi" ab. Bildrechte: Plastic Cup

Der gesammelte Müll wird zum Mutterschiff gebracht - der "M.V. Petényi", benannt nach dem ungarischen Zoologen Salamon János Petényi. Die Organisatoren sind besonders stolz auf dieses Gefährt Marke Eigenbau, das sie liebevoll "Müllfresser" nennen. Seine Unterkonstruktion besteht aus Gitterkisten, die mit Plastikmüll gefüllt werden können und so für Auftrieb sorgen.

Fünf Tonnen Müll in drei Tagen gesammelt

1.222 Säcke machen die Teilnehmer allein bei der diesjährigen Aktion voll, das sind rund fünf Tonnen Plastikmüll - eine anstrengende Beschäftigung, auch für die freiwilligen Helferinnen auf der "M.V. Petényi". "Wir sind sehr müde. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, wenn wir sehen, was wir geschafft haben", sagt eine von ihnen.

Impressionen vom Plastic Cup
Das Siegerteam der "Zentralen Theiß-Wasserdirektion" lieferte 254 Säcke mit Plastikmüll ab. Bildrechte: Plastic Cup

Gewonnen haben den "Plastic Cup" am Theiß-See im Übrigen Mitarbeiter der "Zentralen Theiß-Wasserdirektion". Sie haben 254 Säcke voller Müll abgeliefert und konnten damit ihren Titel von 2019 erneut verteidigen. Als Preis gab es einen Pokal – natürlich aus Plastikmüll gefertigt.

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