Strippen für Männer aus dem Westen Sexcam-Industrie in Osteuropa boomt
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Ob in Ungarn, Rumänien oder Bulgarien – in den vergangenen Jahren sind Sexcam-Studios in Osteuropa regelrecht aus dem Boden geschossen. Dort strippen junge osteuropäische Frauen zur Unterhaltung betuchter Nordamerikaner und Westeuropäer. Vor allem da, wo die Einkommen niedrig und die Jobperspektiven schlecht sind, lockt der Cam-Girl-Markt junge Frauen mit schnell verdientem Geld. "Heute im Osten" hat eine junge Frau aus Budapest bei ihrer Arbeit begleitet.

Szandra arbeitet als Cam-Girl. Ihr Job ist es, im Internet mit Männern zu chatten und sich per Video-Livestream für sie auszuziehen.
Ich mache das seit drei Jahren. Wenn der Kunde ordentlich zahlt, dann kriegt er von mir auch eine ordentliche Show. Aber nur dann.
Etwa zehn Webcam-Studios gibt es in Budapest. Sexcam-Firmen sind in Ungarn zwar nicht illegal, aber die Regierung gibt den Unternehmern keine eigene Gewerbenummer. Viele Studios nennen sich daher Model-Agenturen oder Callcenter. In dieser Grauzone unterliegt das Sexcam-Gewerbe keinen Regeln und der Staat weiß nicht, wie groß die Branche tatsächlich ist.
Frühmorgens für die Kunden in Amerika strippen
Szandra steht für ihren Job früh auf. Sie ist die erste im Studio im achten Budapester Bezirk, der sich gerade zur angesagten Partymeile mausert. Dass ihre Arbeit als Webcam-Girl frühmorgens beginnt, hat einen Grund:
Jetzt ist online gerade der meiste Verkehr, in Amerika sitzen die Kunden gerade vor dem Rechner. Wenn ich also erst später komme, verdiene ich nichts. Und umsonst werde ich hier nicht rumsitzen.
15 junge Frauen arbeiten in diesem Studio im Schichtdienst. In den Zimmern steht ein Bett – darauf gerichtet sind Webkameras – und am Fuße des Bettes stehen ein Bildschirm und eine Tastatur. Während sich Szandra oder eine ihrer Kolleginnen für die Männer auszieht und tanzt, kann sie parallel mit ihnen chatten.
Die Show muss so lange wie möglich gehen
Szandra öffnet ihr Sex-Chat-Profil. Die 28-Jährige, die im "echten Leben" nicht Szandra heißt, tritt in dem Portal unter noch einem anderen Namen auf. 23 Männer tummeln sich inzwischen auf ihrer Seite. Doch erst, wenn jemand Szandra für eine private Sitzung bucht, muss er bezahlen und bekommt dann auch mehr zu sehen. Auf Wunsch wackelt sie mit den Brüsten oder dem Po, tanzt nackt und benutzt Sexspielzeuge. Szandra stöhnt, ahmt Sex nach - wie der Kunde es bestellt.
Der neueste Trend in der Branche: Sex zwischen zwei oder drei Frauen. Dafür sind die Kunden auch bereit, mehr Geld zu bezahlen. In jedem Fall gilt, dass die Show vor laufender Kamera so lange wie möglich dauern muss, damit die Cam-Girls etwas verdienen. Schlecht fürs Geschäft sind Kunden, die schnell befriedigt sind:
Es gibt natürlich auch die Typen, die auftauchen und nach einer halben Minute schon gekommen sind.
Täglich vier bis acht Stunden vor der Webcam
Szandra hat auch Stammkunden wie Todd aus Kalifornien. Elf Minuten war er in der Leitung und hat dafür 18 Euro ausgegeben. Szandra bekommt davon 5,40 Euro. Bis zu 15 Mal pro Schicht zieht sie eine solche Show vor der Webcam ab. Täglich ist sie vier bis acht Stunden online.
Als Webcam-Girl verdient Szandra umgerechnet etwa 1.500 Euro im Monat - mehr als doppelt so viel wie der durchschnittliche Ungar. Davon bezahlt die Budapesterin noch Steuern und Krankenversicherung. Sie gilt als selbstständige Kleinunternehmerin. Warum macht die junge Frau diesen Job?
Früher habe ich gekellnert. Ich hab das richtig gern gemacht, die Leute waren nett, die Arbeit und der Chef auch. Aber es war viel zu wenig Geld! Sechs Tage die Woche immer 16 Stunden schuften und am Ende nur 250 Euro verdienen! Wie soll man davon leben?
Nach einer Weile beginnt der Hass auf die Menschen
Im "echten Leben" hat Szandra Abitur gemacht und wollte studieren. Niemand außer ihrer Halbschwester und ihrem Freund weiß, womit sie ihr Geld verdient. Die Webcam-Welt soll nur eine Zwischenstation sein. Sobald sich eine bessere Gelegenheit ergebe, höre sie auf, hat sich Szandra geschworen. Und träumt davon, Kosmetikerin zu werden oder im Winter im warmen Thailand zu leben - irgendwann.
Wer diesen Job zu lange macht, der hasst Menschen irgendwann. Lange möchte ich diesen Job nicht mehr machen. Höchstens drei Jahre noch. Du merkst einfach, wie dich das kaputt macht.
(mj/adg)
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Heute im Osten - Reportage | 18.05.2019 | 18:00 Uhr