Polen Ostern in Polen: Stop-and-go zur Familie
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21. April 2019, 06:00 Uhr
In Polen trifft sich Ostern die ganze Familie. Zur Tradition gehört auch, dass selbst Verwandte aus dem Ausland anreisen. Und fast alle fahren mit dem Auto. Das führt zu Megastaus. Und so schafft es nicht immer jeder, auch rechtzeitig anzukommen.
Jedes Jahr dasselbe: Osterverkehr in Polen bedeutet lange Staus. Doch egal wie schlimm die Verkehrsprognosen klingen, kaum ein Pole lässt sich davon abschrecken. Offenbar auch nicht von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Nach Angaben der polnischen Verkehrspolizei fahren viele Polen vor allem im Frühjahr mit einem sehr "schweren rechten Fuß". Das erlebe auch ich immer wieder, wenn ich über die Grenze von Deutschland nach Polen fahre. 20 bis 40 km/h schneller zu fahren als erlaubt, ist die Regel. Wer sich an die Vorschriften hält, wird von den anderen Autofahrern als Hindernis wahrgenommen.
Expertenrat: Welches Navi kennt die besten Schleichwege?
Doch wirklich energisch kann man in Polen vor Ostern gar nicht aufs Gaspedal treten. Vor allem die Ein- und Ausfahrten der Städte sind hoffnungslos verstopft. Mehr als Tempo 20 ist nicht drin. Experten überbieten sich Jahr für Jahr mit Ratschlägen, welche Navigationsgeräte die besten Schleichwege zeigen. Manchmal sind die Tipps auch skurril. So wie dieser: "Fahr erst am Samstagnachmittag oder am besten am Ostersonntag, wenn die Straßen leer sind." Da würde man dann allerdings das Osterfrühstück mit der Familie verpassen! Und wir lieben unsere Rituale und Traditionen.
"Fahrerlatein": Meine unglaubliche Reise zur Familie
Zu den neueren Ritualen am feierlichen Ostertisch gehören seit einigen Jahren Berichte über die Anreise. Da ist immer auch eine Menge "Fahrerlatein" im Spiel. Beliebtes Thema ist, wie man die Staus "überlistet" hat. Mein Schwager, der vor einigen Jahren in England arbeitete, berichtete einmal fasziniert von seinem polnischen WG-Mitbewohner in Manchester. Der war zum österlichen Familienfest von Großbritannien nach Polen mit dem Auto gefahren, statt zu fliegen. Seine Reise durch halb Europa dauerte zweieinhalb Tage. Denn nicht nur die polnischen Autobahnen sind vor Ostern voll. Zu den Einheimischen gesellen sich immer auch viele polnische Arbeiter, die von ihren Baustellen- oder Kellnerjobs im Ausland für ein paar Tage nach Hause fahren.
Fliegen? Exilpolen fahren Auto!
"Du hast das Gefühl, dass Millionen von Polen aus verschiedenen Ecken Europas nach Hause fahren. Auf den Straßen nach Polen sieht man Autos mit Kennzeichen aus England, Luxemburg, Frankreich, der Schweiz, aus Belgien und natürlich aus Deutschland. Du stehst in riesigen Staus und schwörst dir, dass du nächstes Jahr fliegst. Und dann steigst du doch wieder ins Auto ein. Es ist verrückt, aber vielleicht fühlst du ausgerechnet dann die Zugehörigkeit zur polnischen Kultur. Welcher Mensch bei gesundem Verstand würde denn wieder mit Auto durch Europa fahren?", fragt selbstironisch Piotr, ein Schulfreund von mir, der seit Jahren in London lebt.
Geschichtenerzählen vor dem Klo
Piotr wird regelrecht sentimental, wenn er von den Begegnungen mit seinen Landsleuten auf deutschen Parkplätzen erzählt. Da treffen sich die aus allen Richtungen nach Hause strömenden Polen und tauschen sich aus - oft beim Schlangestehen vor den Toiletten. Da werden auch traurige Geschichten erzählt. Wie die vom LKW-Fahrer, der sein Osterfrühstück auf einem Parkplatz hinter der deutsch-polnischen Grenze verspeisen musste. Er hat die Staus in Deutschland völlig unterschätzt. Und an Feiertagen gilt in Deutschland ja bekanntlich ein LKW-Fahrverbot. Zu Hause tauchte er dann erst nach Ostern auf.
Alles bleibt, wie es ist
Auf den polnischen Autobahnen gibt es immer noch keine Systeme, die den Verkehr überwachen, die Geschwindigkeit regulieren und damit den Verkehrsfluss verbessern. Sie sollen zwar gebaut werden, doch das wird wohl noch Jahre dauern. Statistiken zeigen, dass die Anzahl der Autos in Polen jedes Jahr um 10 bis 12 Prozent steigt. Neue Straßen werden gebaut, einige Strecken sind im Umbau. Doch schon jetzt fühlen sich die meistens zweispurigen Autobahnen viel zu eng an. In den nächsten Jahren wird sich die Lage noch zuspitzen, was natürlich besonders vor großen Feiertagen spürbar werden wird. Doch ob chronisch verstopfte Straßen meine Landsleute dazu bewegen, auf Flugzeug oder Bahn umzusteigen, bezweifele ich sehr. Das Meckern über die Autobahnen ist doch viel spannender.
Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im TV: 03.08.2018 | 17:45 Uhr