Wahlkampf in Tschechien Eingewanderter Bürgermeister macht Stimmung gegen Einwanderer
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Vor den Kommunalwahlen in Tschechien sorgt der Bürgermeister einer Kleinstadt für Aufsehen. Er schießt gegen ausländische Arbeiter des örtlichen Škoda-Werks. Dabei ist der Vater des Bürgermeisters selbst Einwanderer.

Kaum ein anderer Facebook-Post hat in den vergangenen Tagen in Tschechien für so viel Diskussionsstoff gesorgt, wie der von Raduan Nwelati. Darin schrieb der Bürgermeister der Kleinstadt Mladá Boleslav: "Null Toleranz für Ausländer, die unsere Gesetzte nicht respektieren. Willst du hier arbeiten? Halte dich an Regeln! Sonst wollen wir dich hier nicht!"
Der Grund für seinen populistischen Post: Betrunkene halbnackte Menschen auf den Straßen, Lärm in der Nacht und Schlägereien. Dies ist nach Aussage Nwelatis Alltag in seiner Stadt. Und für diese Unruhe macht der Bürgermeister ausländische Arbeiter von Škoda verantwortlich. Der größte tschechische Automobilhersteller hat seinen Stammsitz in Mladá Boleslav. Hier beschäftigt der Konzern 24 000 Arbeiter.
Zuzug durch Wirtschaftsboom
Der Durchschnittslohn bei Skoda liegt bei umgerechnet 2.000 Euro, das liegt weit über dem tschechischen Durchschnitt von 1250 Euro. Doch in Tschechien herrscht durch den Wirtschaftsaufschwung fast Vollbeschäftigung, weswegen der Konzern auch qualifizierte Arbeitskräfte im Ausland sucht. Circa zehn Prozent der Mitarbeiter bei Škoda sind aus dem Ausland, fast alle aus anderen EU-Ländern.
Für Bürgermeister Raduan Nwelati sind die wirtschaftlichen Bedingungen jedoch kein Argument: „Es ist mir egal, ob Škoda mehr Autos produzieren muss oder nicht. Die Firma hat schon jetzt große Gewinne, welche man nicht noch weiter vermehren muss, falls das zur Zerstörung der Stadt führen sollte", schrieb er auf Facebook.
Škoda verteidigt sich
Der Direktor der Stadtpolizei in Mlada Boleslav, Tomáš Krypta, bestätigte dem Nachrichtenportal idnes.cz, dass die Anzahl der Vergehen, bei den in der Stadt arbeitenden Ausländern höher ist als bei den ständigen Einwohner. Der Jahresbericht der Polizei beschreibt auch die Situation als kritisch und erwähnt auch Angriffe an Polizisten.
"Nach unseren Informationen sind unsere Mitarbeiter überhaupt nicht an illegalen Handlungen beteiligt gewesen", verteidigte der Leiter der Unternehmenskommunikation bei Škoda, Tomáš Kotěra, seine Mitarbeiter gegenüber tschechischen Medien. Außerdem kümmere sich Škoda Auto auch um die Sicherheit in der Stadt, finanziere mit 320.000 Euro das Kamerasystem in Mladá Boleslav, so Kotěra.
Kampagne zeigt wie stark Andrej Babiš ist
Die Auseinandersetzung in Mladá Boleslav fällt noch nicht einmal in die heiße Phase des Wahlkamps. Die beginnt traditionell erst nach dem Ende der Sommerferien Anfang September. Doch in diesem Jahr stehen die Kommunalwahlen im Fokus der tschechischen Medien. Sie gelten als Zwischenzeugnis für die Regierung des umstrittenen Multimilliardärs Andrej Babiš, der seit zehn Monaten Regierungschef ist.
Babiš‘ und seine ANO-Bewegung haben in den vergangenen vier Jahren – außer der Senatswahl - jede Wahl gewonnen: darunter die Europawahl, die Regionalwahl, die Parlamentswahl oder die Kommunalwahl. Auch diesmal gilt die ANO-Bewegung als Favorit, es drohen jedoch symbolische Niederlagen. So könnte Babis nach jüngsten Umfragen die eher liberal eingestellte Hauptstadt Prag an die "Piraten"-Partei verlieren. Vor vier Jahren konnte die ANO in Prag noch gewinnen.
Erfolg durch "Null Toleranz"-Politik?
Raduan Nwelati, der Bürgermeister von Mladá Boleslav, war bisher nicht für solche populistischen Aussagen bekannt. Er scheint aber die Vorwärtsverteidigung zu wählen und zu hoffen, der populistischen ANO-Bewegung Wähler abgraben zu können. Doch in den sozialen Netzwerken wird seine Kampagne kontrovers diskutiert.
So schrieb ein Nutzer: "Schande! So eine Hass-Rhetorik sollte strafbar sein. Diese Rhetorik verändert unser Land in eine Insel der Angst." Ein anderer fragte lapidar: "Wurde ihr Facebook-Profil gehackt?" Doch es gibt auch Zustimmung: "Ich stimme mit Ihnen vollkommen zu. Das Gleiche passiert in Kvasiny (ein Ort, wo Skoda ebenfalls ein Werk betreibt). Dieses Problem besteht schon seit Jahren", schrieb eine Nutzerin etwa.
Populist und Einwanderer
Viele verbinden ihre Kritik an Nwelatis Aussagen auch mit einem Verweis auf seine eigene Herkunft. Der Vater des Bürgermeisters war selbst einst aus Syrien eingewandert war. "Mein Vater war ein renommierter Professor und hat bis zu seinem Tod gearbeitet, Er war ein anständiger Mann, der die Regeln eingehalten hat", verbat sich Nwelati einen Vergleich mit den von ihm kritisierten Einwanderern.
Die oppositionellen Christdemokraten sprachen von "Populismus und Fremdenfeindlichkeit". Der Bürgermeister solle sich „nach 12 Jahren im Amt geistig und körperlich ausruhen." Dies scheint aber unwahrscheinlich. Nwelati ist beliebt und die Umfragen sagen ihm gute Chancen für die Wahl im Oktober voraus.
Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: Radio | 27.06.2018 | 10:00 Uhr