TV-Duell im Stadion: Ukrainischer Wahlkampf wird zum Zirkus

15. April 2019, 18:07 Uhr

Drogentests und ein Fernsehduell im Nationalstadion: Die Präsidentschaftswahl in der Ukraine wird endgültig zum absurden Showevent. Das hat mit Politik kaum noch etwas zu tun und schadet dem Land. Ein Kommentar von Denis Trubetskoy.

Denis Trubetskoy 1 min
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Die Präsidentschaftswahl in der Ukraine ist endgültig zur Show geworden. Erst hat der Amtsinhaber Petro Poroschenko der Forderung seines Stichwahlgegners und Favoriten Wolodymyr Selenskyj zugestimmt, ein TV-Duell im Kiewer Olympijskyj-Stadion auszutragen, wo sonst Fußball gespielt wird.

Dann haben sich die Kandidaten umschwirrt von hunderten Journalisten auf Alkohol und Drogen testen lassen: Poroschenko im Olympijskyj selbst, Selenskyj in einer privaten Klinik. Noch absurder kann es eigentlich nicht mehr werden. Obwohl. Bis zur Stichwahl am 21. April gibt es dafür noch reichlich Zeit.

Bilder von Drogentests gehen um die Welt

In Sachen TV-Duell gibt es erstmal mehrere offene Fragen: Findet es wie erwartet am 19. April statt? Gibt es vielleicht mehrere Duelle zu unterschiedlichen Themen, wie es sich Präsident Poroschenko wünscht? Werden die Zuschauer wirklich zum Duell zugelassen und dürfen sie dann einfach Tickets kaufen, um ins Olympijskyj zu gelangen?

So unklar die Antworten auf diese Fragen, so klar ist eines: schon die Bilder vom Freitag werden nicht nur in der Ukraine im Gedächtnis bleiben. Präsident Poroschenko, dem im Stadionlabor vor 200 wartenden Journalisten Blut abgenommen wird. Und Wolodymyr Selenskyj, dessen Medizincheck live auf seiner Facebook-Seite übertragen wurde.

Alberner Event oder demokratische Transparenz?

Musste denn all das wirklich sein? Einerseits: Natürlich ist ein Fernsehstudio für ein ernsthaftes Politikgespräch der beiden Kandidaten für das höchste Amt des Landes viel passender als ein gigantisches Sportstadion. Ein Präsidentschaftsduell darf nicht zur reinen Massenunterhaltung verkommen.

Andererseits: Außer einem kleinen Detail im Wahlgesetz spricht an sich wenig gegen ein Duell im Stadion. Inhaltlich würde die Sendung wohl leiden, doch sie wäre auch ein fettes Ausrufzeichen in Sachen Transparenz und Demokratie, sollten die beiden Kandidaten ihre Ideen von der Zukunft des Landes vor 70.000 Live-Zuschauern verteidigen müssen.

Poroschenko auf unbekanntem Terrain

Doch es gibt noch andere Gründe. Der politisch unerfahrene Selenskyj wäre Amtsinhaber Poroschenko in einem ernsthaften Duell wohl klar unterlegen. Als Comedian und Unterhaltungsprofi versucht er deshalb, das Spiel auf ihm bekanntes Terrain zu verlegen und das Ganze möglichst ad absurdum zu führen.

Monatelang gab sich das Team von Poroschenko dagegen seriös und erklärte, ein Clown wie Selenskyj können kein Land mitten im Krieg übernehmen. Nun will Selenskyj Poroschenko selbst lächerlich dastehen lassen. Etwa durch seine Forderung nach dem Alkohol- und Drogentest.

Die spielen gleich auf zwei Dinge an: So hatten die Anhänger des Präsidenten monatelang behauptet, Selenskyj sei drogensüchtig. Seine Anhänger hatten dem Präsident wiederum einen Hang zum Alkohol nachgesagt. Beides soll nun öffentlich geklärt werden, so die Message von Selenskyj.

Sieger: ungewiss, Verlierer: die Ukraine

Doch warum lässt sich Poroschenko auf das Spiel seines Gegners ein? Weil er unter riesigem Druck steht. Sein Sieg in der Stichwahl ist Stand heute unwahrscheinlich, er muss daher etwas Überraschendes liefern. Die Zusage für das Duell im Olympijskyj war daher ein cleverer Schritt. Der Medizincheck hingegen war es nicht.

Damit macht Poroschenko seine eigene Glaubwürdigkeit zunichte und der Unterschied zwischen dem erfahrenen Politiker und dem Komiker verschwimmen in der öffentlichen Wahrnehmung. Ob Selenskyj selbst am Ende wirklich von der ganzen Show profitiert, ist übrigens noch lange nicht ausgemacht. Sehr wohl aber, dass der Zirkus rund um das TV-Duell dem internationalen Image der Ukraine schadet.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR aktuell | 31.03.2019 | 19:30 Uhr

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