Oligarch Ihor Kolomojskyj Der neue Strippenzieher in der Ukraine

16. Mai 2019, 09:59 Uhr

Selenskyj hat die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine gewonnen. Doch womöglich feierte jemand anderes den Sieg noch mehr als der Kandidat selbst: der Oligarch Kolomojskyj. Es könne kein Zufall sein, dass er heute Nacht in die Ukraine zurückreiste, sagt unser Ostblogger Denis Trubetskoy. Die Amtseinführung von Selenskyj steht kurz bevor. Es mehren sich die Anzeichen, dass sich der Milliardär in die Politik einmischen will.

Mit 73 Prozent der Stimmen siegte der ukrainische Kabarettist und Fernsehproduzent Wolodymyr Selenskyj am 21. April bei der Stichwahl um das Präsidentschaftsamt gegen Amtsinhaber Petro Poroschenko. Doch womöglich feierte jemand anderes den Sieg noch mehr als der Kandidat selbst. "Wir sind Selenskyjs Fanclub. Aber eigentlich waren wir Fans aller Kandidaten, die Chancen gegen Poroschenko hatten", sagte der Oligarch Ihor Kolomojskyj in einem Interview nach dem Wahlerfolg Selenskyjs.

Dem 56-jährigen Kolomojskyj wurde bereits vor der Wahl eine besondere Nähe zum designierten Präsidenten nachgesagt. Nicht zuletzt, weil Selenskyjs extrem erfolgreiche TV-Serie "Diener des Volkes" im Sender von Kolomojskyj läuft, einem der meist gesehenen in der Ukraine. In der Serie spielte Selenskyj einen Durchschnittsukrainer, der mehr oder minder zufällig Präsident der Ukraine wird.

Das Firmenimperium des Ihor Kolomoskyj
Kolomojskyjs Vermögen wird vom Forbes-Magazin auf 1,1 Milliarde US-Dollar geschätzt. Den Grundstein dafür legte er Ende der 1980er-Jahre: In seiner ukrainischen Heimat Dnipro, wo er aus Moskau importierte Büromöbel verkaufte. Nach dem Zerfall der UdSSR stieg er ins Banken- und Ölgeschäft ein. Heute kontrolliert Ihor Kolomoskyj neben seinem erfolgreichen Medienkonzern "1+1" auch anteilig die größte ukrainische Fluggesellschaft "Ukraine International Airlines".

Flugzeuge der Ukraine International Airlines auf dem Flughafen Boryspil
Die "Ukraine International Airlines" ist ein Teil des Imperiums von Ihor Kolomojskyj. Bildrechte: imago images / ZUMA Press

Enteignung der "PrivatBank" beschäftigt Ukraine

In Selenskyjs Umfeld gibt es Personen, die Kolomojskyjs persönlichen Interessen im Weg stehen. Dazu gehört Olexander Danyljuk, eines der politischen Schwergewichte im Wahlstab des künftigen Präsidenten. Danyljuk war zuvor Finanzminister und als solcher 2016 maßgeblich an der Verstaatlichung der "PrivatBank" beteiligt. Diese hatte der damalige Präsident Petro Poroschenko mehr oder minder direkt angeordnet. Grund war eine drohende Pleite der größten Bank der Ukraine.

Eben jene "PrivatBank" hatte Ihor Kolomojskyj Anfang der 1990er-Jahre mit aufgebaut und war bis zur Verstaatlichung mit einem weiteren Geschäftspartner der Inhaber. Kolomojskyj wirft Poroschenko bis heute vor, die drohende Zahlungsunfähigkeit der Bank absichtlich provoziert zu haben. Der Streit machte beide endgültig zu Erzfeinden. Dass der an der Enteignung beteiligte Finanzminister Danyljuk unter dem neuen Präsidenten Selenskyj wieder in eine wichtige Position kommen könnte, könnte für Kolomojskyj zum Problem werden.

PrivatBank, 2016
Bis zur Verstaatlichung im Jahr 2006 war Ihor Kolomoskyj Inhaber der "PrivatBank". Bildrechte: imago images / Ukrainian News

Denn wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl hatte ein Berufungsgericht die Verstaatlichung der "PrivatBank" für rechtswidrig erklärt. Nun will Kolomojskyj sich nicht nur seine Bank zurückholen, sondern peilt auch eine Entschädigung von zwei Milliarden US-Dollar an. Danyljuk hält die Verstaatlichung der Privatbank aber nach wie vor für richtig und erklärte bereits, der designierte Präsident Selenskyj würde sich am Fall "PrivatBank" "messen lassen" müssen, sprich: Er dürfe Kolmojskyj nicht zu viele Zugeständnisse machen.

Oligarch strebt nach mehr Einfluss

Der Einfluss des Oligarchen auf die ukrainische Politik dürfte unter dem neuen Präsidenten dennoch zunehmen. Aus Angst vor Repressionen durch seinen Erzfeind Poroschenko reiste Kolomojskyj seit längerem nicht mehr in die Ukraine. Er lebte bereits seit Jahren im Ausland, erst in der Schweiz und dann in Israel. Dorthin emigrierte er 2018 aus Angst, die Schweizer Behörden könnten ihn an die USA ausliefern, wo gegen Kolomojskyj wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelt wird. Die israelische Staatsbürgerschaft schützt ihn vor einer Auslieferung.

Kolomojskyj ist jüdischer Abstammung und besitzt neben der ukrainischen und der israelischen auch die zypriotische Staatsbürgerschaft. Und das, obwohl eine doppelte Staatsbürgerschaft laut ukrainischem Gesetz nicht erlaubt ist. "Es geht dort aber um zwei Pässe, nicht um drei", scherzte Kolomojskyj darüber öffentlich.

Nun ist der Oligarch, der 2015 kurze Zeit Gouverneur seiner Heimatregion Dnipro in der Ostukraine war, noch vor der Amtseinführung Selenskyjs in die Ukraine zurückgekehrt. Hat er vor, mehr Einfluss auf die Politik zu nehmen? Davon geht man in der Ukraine mittlerweile fest aus. Die entscheidende Frage ist, ob Selenskyjs Präsidentschaft dann von den Forderungen seines Förderers Ihor Kolomojskyj bestimmt wird. Oder ob der neue Präsident genügend politisches Gewicht und Durchsetzungswillen besitzt, um eines seiner zentralen Wahlversprechen zu erfüllen: eine Ukraine mit weniger Einfluss der Oligarchen.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR aktuell | 01.04.2019 | 19:30 Uhr

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