Bosnien und Herzegowina: Ein unregierbares Land
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25 Jahre sind seit dem Ende des Bosnien-Krieg vergangen, doch das Land ist ethnisch und politisch tief gespalten. Das liegt auch an den Provokationen aus der Serbenrepublik. Der dortige Präsident fährt einen eigenen Kurs. Eine Einschätzung unseres Ostbloggers.
Jährlich feiert die Republika Srpska, die serbische Entität in Bosnien und Herzegowina, am 9. Januar ihren Nationalfeiertag. Unter dem Motto "Stolz und ewig" gab es auch diesmal das übliche Programm: eine Militärparade, feierliche Reden. Zu den Ehrengästen gehörte die serbische Regierungschefin Ana Brnabić, der serbische Patriarch Irinej hielt einen Gottesdienst in Banja Luka.
Doch die Feierlichkeiten fanden für einen eigentlich verbotenen Tag statt. Denn vor vier Jahren hatte das bosnische Verfassungsgericht den Nationalfeiertag für verfassungswidrig erklärt. Das Datum des 9. Januar sei für Nichtserben "diskriminierend", begründeten die Richter. An diesem Tag hatten 1992 bosnische Serben ihre Republik ausgerufen. Hingegen verbinden Bosniaken und bosnische Kroaten mit diesem Datum etwas völlig anderes: den Auftakt zum Krieg, Völkermord und Vertreibung. Rund 100.000 Menschen wurden im Bürgerkrieg getötet.
Verfassungsurteil ignoriert
Die Verfassungsrichter gaben nach ihrem Urteilsspruch der Serbenrepublik sechs Monate Zeit, den Feiertag abzuschaffen oder zu verlegen. Der Präsident der Entität, Milorad Dodik, ignorierte das Ultimatum und ließ stattdessen ein Referendum austragen, bei dem sich über 99 Prozent der bosnischen Serben für den Nationalfeiertag aussprachen. Seitdem wird er trotz Verbot jedes Jahr am 9. Januar gefeiert und löst jedes Mal heftigen Streit aus - auch zwischen Sarajevo und Belgrad, dessen Vertreter eifrig in Banja Luka mitfeiern.
Land ist ethnisch tief gespalten
Allein die Tatsache, dass lokale Politiker in einem Staat die Urteile des Verfassungsgerichts ignorieren, wenn sie ihnen nicht passen, und staatliche Institutionen nichts dagegen unternehmen können, spricht Bände über das unregierbare Bosnien.
Auch die internationale Gemeinschaft hat keine Lösung für das im Krieg (1992-1995) ethnisch gespaltene Land, das bis heute nicht zusammengewachsen ist. Egal, ob man sich im bosniakischen (muslimischen), serbischen oder kroatischen Teil des Landes befindet, man wird den Eindruck nicht los, dass der ethnische Konflikt nicht beendet, sondern nur eingefroren ist, dass der Geist des Krieges allgegenwärtig ist, obwohl die Toten längst begraben sind.
Machtlosigkeit des Westens
Die ethnisch gespaltene Republik Bosnien und Herzegowina geht in ihrer heutigen Form aus dem 1995 unterzeichneten Friedensabkommen von Dayton hervor. Zwar beendete der Vertrag das Blutvergießen in Bosnien, Einigkeit konnte er aber nicht schaffen: Er teilte Bosnien in zwei Entitäten mit weitgehender Autonomie – in die Serbenrepublik und die bosniakisch-kroatische Föderation – und sichert den drei Ethnien ein Vetorecht in gesamtbosnischen Institutionen zu.
Seit 1995 unterliegt das Land auch einem internationalen Mandat. Ihr Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina - der Österreicher Valentin Inzko - hat weitgehende Vollmachten. Sein Amt ist weltweit einmalig: Er kann gewählte Amtsträger entlassen, Gesetze aufheben, neue Behörden schaffen oder abschaffen. Doch verzichtet Inzko lieber auf einen härteren Kurs gegenüber der Serbenrepublik und beschränkte sich auf verbale Kritik, als sie das Verbot des Nationalfeiertages in diesem Tag erneut ignorierte.
Ein Mann des Kremls
Der Präsident der Serbenrepublik, Milorad Dodik, fährt unterdessen seinen eigenen Kurs. Stetig droht er mit Abspaltung der serbischen Entität vom Gesamtstaat, ignoriert Urteile des bosnischen Verfassungsgerichts, blockiert in gesamtbosnischen Institutionen die Anerkennung des Kosovo oder den Nato-Beitritt des Landes. Auch sympathisiert er unverhohlen mit Russland.
Einem Zusammenwachsen Bosniens stellt er sich explizit entgegen. Dennoch wurde er bei den gesamtbosnischen Wahlen im Oktober 2018 als serbischer Vertreter ins dreiköpfige gesamtbosnische Staatspräsidium gewählt.
Kompliziertes Regierungssystem
Doch die Unregierbarkeit des Landes liegt nicht nur an politischen Anführern wie Dodik. Bosnien-Herzegowina besitzt das komplizierteste Regierungssystem Europas, manche sagen sogar der Welt. Der Gesamtstaat, die beiden Entitäten und die zehn Kantone der Förderation haben jeweils eigene legislative und exekutive Strukturen. Ein gemeinsames Regieren ist damit so gut wie ausgeschlossen.
Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell TV | 29. November 2019 | 17:45 Uhr