Aufwändige gemachte Details in Ceausescu-Villa, Bukarest
In der Ceausescu-Villa findet sich im Inneren viel Liebe zum Detail - hier ein Wasserhahn im Wintergarten. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Bukarest Rumänien: Touristenboom in Ceausescu-Villa

23. November 2019, 05:00 Uhr

Ein Vierteljahrhundert lebte das Ceausescu-Diktatorenpaar in einer bourgeoisen Villa in einem abgeschotteten Bonzenviertel von Bukarest. Heute ist die Residenz eine Touristenattraktion und eine sprudelnde Einnahmequelle für den Staat.

Lucian Alexandrescu kommt ins Schwitzen, wenn er an die Ceausescu-Villa denkt. Vor fast 30 Jahren stürmte er mit einer Gruppe von revoltierenden Freunden die Residenz - am Nachmittag des 22. Dezember 1989. Alexandrescu war damit einer der ersten Aufständischen, der den Prunk des Herrscherpaares mit eigenen Augen sah - in einer bis dato streng abgeriegelten Bonzensiedlung.

Vor allem an die "wohlige Wärme im Haus" erinnert sich Alexandrescu, "alle Räume hatten Zimmertemperatur". Für den Bukarester Ingenieur war das ein unbekannter Luxus angesichts der drastischen Sparmaßnahmen, die der Diktator verordnet hatte: Strom und Wärme waren Ende der 1980er-Jahre auf zwei Stunden pro Tag begrenzt, Lebensmittel wurden auf Ration ausgegeben. "Es herrschte Kälte, Hunger und Angst", erinnert sich Alexandrescu. In der Ceauscesu-Villa sah die Welt völlig anders aus: Golden angemalte Wasserhähne und Amaturen, zimmerhohe Kleidergarderoben mit zahlreichen Pelzmänteln und Gucci-Designerschuhen, durch den Garten stolzierten Pfaue.

Bukarest Einstige Ceausescu-Villa für Touristen geöffnet

Als Nicolae Ceausescu Mitte der 1960er-Jahre zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees avancierte, durfte er mit seiner Ehefrau Elena und den drei Kindern in die repräsentative Villa ziehen. Die zieht heute Touristen an.

Villa von außen in Bukarest, in der das Diktatoren-Ehepaar 25 Jahre lang lebte.
Als Nicolae Ceausescu Mitte der 1960er-Jahre zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Rumäniens avancierte, durfte er mit seiner Familie in diese Villa ziehen. Die Innengestaltung prägte das Diktatorenpaar stark mit. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Gedeckter Tisch in Ceausescu-Villa, Bukarest
Die Villa gehört dem rumänischen Staat. Der will das Leben des Diktatorenpaares möglichst stilecht darstellen. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Schuhe und Kleider von Elena Ceausescu in Ceausescu-Villa, Bukarest
Blick in die Kleiderkammer von Elena Ceausescu. Bis heute wird der Fundus auf öffentlichen Auktionen versteigert. Was man heute noch in der Ausstellung sieht, kann also demnächst schon weg sein. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Weihnachten bei den Ceausescus (Sohn Nicu Ceausescu, Alexandra Petrescu steht hier neben ihrer Tochter Elena Ceausescu und ihrem Schwiegersohn Nicolae Ceausescu – v.l.n.r.). undatiert
Weihnachten bei den Ceausescus (v.l.n.r.): Sohn Nicu, Alexandra Petrescu steht neben ihrer Tochter Elena und Schwiegersohn Nicolae Ceausescu. Wann das Foto entstand, ist nicht überliefert. Bildrechte: RA. A.P.P.S., Bukarest
Badezimmer in Ceausescu-Villa, Bukarest
Vor allem das Badezimmer sorgte in den Revolutionstagen für Schlagzeilen - wegen seiner angeblich goldenen Wasserhähne. Was wie aus Gold schien, war lediglich eine Schutzschicht, die regelmäßig aufgefrischt worden war. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Schutzbezüge für Schuhe, Ceausescu-Villa, Bukarest
Besucher müssen in der Villa Schuhüberzieher tragen. Das soll das Original schonen. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Nicolae Ceausescu (Staatspräsident Rumänien) in Bukarest. 1989
Diktator Nicolae Ceausescu regierte von 1965 bis 1989. Das Bild entstand Ende November 1989 nur knapp ein Monat, bevor Ceausescu vom Volk gestürzt wurde. Am 22. Dezember 1989 hatte die Familie Hals über Kopf die Villa verlassen. (Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 03. November 2018 | 10:46 Uhr) Bildrechte: imago/Milestone Media
Villa von außen in Bukarest, in der das Diktatoren-Ehepaar 25 Jahre lang lebte.
Als Nicolae Ceausescu Mitte der 1960er-Jahre zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Rumäniens avancierte, durfte er mit seiner Familie in diese Villa ziehen. Die Innengestaltung prägte das Diktatorenpaar stark mit. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Das Schachzimmer des Diktators Nicolae Ceausescu in seiner Villa in Bukarest, Rumänien.
Nussbaum-Holz vertäfelte Räume: Im Glasschrank sind Geschenke aus Elfenbein ausgestellt, die der Diktator auf Staatsreisen bekam. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Schachbrett aus Ceausescu-Villa, Bukarest
Weltbekannt ist, dass der einstige Diktator nur einen Vier-Klassen-Abschluss hatte. In der Ausstellung wird er jedoch gern als Stratege und leidenschaftlicher Schachspieler präsentiert. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Blick in Speisezimmer in Ceausescu-Villa, Bukarest
Blick ins Speisezimmer der Villa. Ceausescu ließ alle Speisen vorkosten, aus Angst, dass sie vergiftet sind. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Schlafzimmer in Ceausescu-Villa, Bukarest
Das Schlafzimmer der Ceausescus. Das Foto zeigt die drei Kinder: Nicu, Zoe, Valentin. Die Pyjamas von Nicolae und Elena sind sorgfältig aufs Bett drapiert. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Massive, holzgetäfelte Türen in Ceausescu-Villa, Bukarest
170 Räume hat die Villa insgesamt, Touristen bekommen nur einen Bruchteil zu sehen. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Kleidung des Ceausescu-Paares in Ceausescu-Villa, Bukarest
Es heißt, das Paar habe seine Kleider nur jeweils einmal getragen haben - aus Angst vor Ansteckung und Vergiftung. Möglicherweise ist das aber auch nur ein Mythos. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Spa-Bereich von Ceausescu-Villa, Bukarest
Die Geräte im Spa-Bereich stammten aus Westdeutschland. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Das Solarium von Diktatoren-Ehefrau Elena Ceausescu in ihrer Villa in Bukarest.
Elena Ceausescu, die Frau des Diktators, hatte auf ein Solarium bestanden. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
Schwimmbad in Ceausescu-Villa, Bukarest
Die Schwimmhalle - vor 1989 ein für den Durchschnittsrumänen unvorstellbarer Luxus. Heute beeindruckt sie wohl kaum noch jemanden. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze
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Badezimmer in Ceausescu-Villa, Bukarest
Für besonders viele Schlagzeilen sorgte eines der Badezimmer der Ceausescu. Viele Rumänen dachten, die Wasserhähne seien mit Gold überzogen, doch war es nur eine goldfarbene Schutzschicht, die jedes Jahr frisch aufgetragen wurde. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Villa teils geplündert

Alexandrescu traute sich damals in nur wenige Räume der über 170 Zimmer zählenden Villa: "Natürlich hatte ich Angst. Ich war schließlich in der Residenz des Staatschefs, der bis dato der Herrgott des Landes war".

Lucian Alexandrescu, Bukarest
Lucian Alexandrescu gehörte in den Revolutionstagen 1989 zu einem der ersten, die in die Ceausesu-Villa drangen. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Knapp zwei Stunden zuvor waren die Ceausescus vor dem revoltierenden Volk geflohen. Je mehr Zeit verging, umso mehr Aufständische drangen in die Villa. "Die Leute nahmen, was sie tragen konnten: Pelzmäntel, Fernseher, Videokassetten, Jagdwaffen", erinnert sich Alexandrescu. Er postierte sich mit anderen Umstürzlern am Eingang und kontrollierte, "dass die Leute das Maß nicht verloren". Er verhinderte damit in den ersten Revolutionsstunden, dass die Villa komplett ausgeräumt und unwiederbringlich zerstört wurde. "Mir ging es um einen Systemwechsel", sagt der heute 66-Jährige, "und nicht darum, Ceausescus Haus zu plündern oder anzünden."

Kein Schauplatz internationaler Zeitgeschichte

Als Nicolae Ceausescu Mitte der 1960er-Jahre zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees avancierte, durfte er mit seiner Ehefrau Elena und den drei Kindern in die repräsentative Villa ziehen: Zu dem rund 5.000 Quadratmeter großen Haus gehörte ein doppelt so großer Garten. In seinem vornehmen Zuhause empfing Ceausescu jedoch nur wenig Besuch: Vielleicht wollte er seinen Luxus nicht preisgeben, vielleicht Berufliches von Privatem trennen - bis heute lässt sich darüber nur spekulieren.

Schwimmbad in Ceausescu-Villa, Bukarest
Schwimmbad mit aufwendig gearbeiteten Wandmosaik Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

US-Präsident Richard Nixon war im August 1969 zum Tee eingeladen - er bekam lediglich die Empfangshalle zu sehen. Die weitläufige Villa hatte viel mehr zu bieten: Mehrere Schlafzimmer, Bäder, Arbeitszimmer - selbst für die Kinder. Ehefrau Elena ließ sich im Haus eine Sauna, Swimmingpool und ein Solarium einbauen. Ihr Mann hatte sich dagegen einen eigenen Kinosaal gewünscht, um sich vornehmlich Western-Filme anzusehen. Der Bukarester Museologe Puiu Cristoiu sagt über die Ausstattung: "Kommunisten wie Ceausescu haben immer gesagt, sie bräuchten keinen Luxus. Doch die Innenausstattung der Villa beweist das genaue Gegenteil."

Für die Politik zu symbolbeladen

Nach dem Sturz des Diktators zog kein anderer rumänischer Staatschef in dessen Villa  - das Haus galt als zu symbolbeladen. "Viele Funktionäre wollten die eigene kommunistische Vergangenheit vergessen, wenngleich sie nach 1989 kräftig davon profitierten", sagt der Soziologe und Ex-Politiker Vasile Dancu.

Villa von außen in Bukarest, in der das Diktatoren-Ehepaar 25 Jahre lang lebte.
In dieser Villa lebte Ceausescu mit seiner Familie bis Dezember 1989. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Einst hochrangige Parteifunktionäre übernahmen neue politische Ämter, sie mischten bei Privatisierungen staatseigener Betriebe kräftig mit, sie wurden millionenschwere Unternehmer. "Gut 60 Prozent derer, die vor 1989 eine Machtposition besaßen, sind auch heute noch Entscheidungsträger", meint Soziologe Dancu.

Zehntausende Touristen pro Jahr

Als Dancu 2016 Vize-Premier einer Technokratenregierung war, ließ er die in die Jahre gekommene Ceausescu-Villa für Besucher öffnen - sie wurde schnell zur Attraktion. "Ceausescu ist immer noch der weltweit bekannteste Rumäne, er wird noch viele Touristen ins Land locken", sagt Dancu.

Vasile Dancu, früherer Vize-Premier in Rumänien
Soziologe Vasile Dancu setzte sich für die Öffnung der Villa ein. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Die Zahlen geben dem Ex-Politiker Recht. Im vorigen Jahr wurden in der Villa gut 65.000 Touristen gezählt, allein der Ticketverkauf bringt jährlich 650.000 Euro ein. Doch mit dem Nachlass von Ceausescu lässt sich auch sonst gutes Geld verdienen. Zwei Drittel des Villen-Grundstücks wurden an Investoren verkauft. Immobilienmakler schätzten den Wert auf bis zu 22 Millionen Euro. Im einstigen Bonzenviertel Primaverii findet man heute die teuersten Wohn- und Grundstückpreise von Bukarest.

Ceausescu-Objekte werden weiter versteigert

Auch lässt die staatliche Behörde RA-APPS - der Villa-Verwalter - Objekte aus dem Ceausescu-Nachlass versteigern. Das Parteibuch des Diktators ging bei einer Auktion für 2.000 Euro weg.

Tresor in Ceausescu-Villa, Bukarest
Den Tresor hatten die Revolutionäre, die am 22. Dezember 1989 in die Villa drangen, nicht entdeckt. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Eine Herangehensweise, die nicht allen gefällt. "Jedes Museum versucht seine Ausstellung zu erweitern, statt seine Objekte zu verkaufen", sagt Museologe Puiu Costoiu. Zwei Jahre lang leitete er die Ausstellung in der Ceausescu-Villa. Weil er ein anderes Konzept vertrat, wurde er Anfang 2018 entlassen: "Solange die Objekte versteigert werden, können wir nicht von einem Museum sprechen. Schließlich besteht die Gefahr, dass man manches Ausstellungsstück in zwei Jahren dort nicht mehr findet."

Villen der Politiker sind luxuriöser

Auf den Rundgängen durch die Ceausescu-Villa schweigt man lieber über die Versteigerungen. Stattdessen heißt es, viele Objekte seien bei der 1989-er Revolution unwiederbringlich verschwunden. Der Bukarester Lucian Alexandrescu hatte damals Schlimmeres verhindert. Der heutige Rentner setzte nie wieder einen Fuß in die Villa von Ceausescu, die ihm in den Revolutionstagen "wahnsinnig opulent" erschien. "Unsere heutigen Politiker", sagt Alexandrescu, "besitzen luxuriösere Villen, die sie sich mit korrupten Geschäften finanziert haben." Das verdrieße ihn mehr als der Prunk von Diktator Ceausescu.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 23. November 2019 | 07:15 Uhr

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