Polen Die Innenarchitektin - Polen war auf dem richtigen Weg

Marta Lebiedzińska ist eine junge Innenarchitektin aus Gdańsk. Sie ist verheiratet mit einem Franzosen, die beiden haben ein gemeinsames Kind, und die Familie funktioniert dreisprachig. Marta findet, Polen war auf dem richtigen Weg in Richtung Europa, bis 2015 die PiS die Regierung übernommen hat. "Ich hoffe, die werden wieder abgewählt und wir machen da weiter, wo wir aufgehört haben."

Die Wohnung ist noch leer, aber schon beeindruckend. Marta Lebiedzińska steht am Fenster und bewundert den Ausblick: Von hier kann man auf die Danziger Werft sehen, ganz in der Nähe hat die Solidarność 1980 mit ihrem Streik die politische Wende im Ostblock eingeleitet.

Gegenüber sind zwei moderne Apartment-Türme zu sehen. Im dritten steht die junge Innenarchitektin und arbeitet. In ein paar Monaten soll die Wohnung bezugsfertig sein. Marta hat noch viel zu tun: "Im Februar sind wir hier in eine total rohe Wohnung gekommen. Jetzt warten wir, dass am Freitag das Parkett verlegt wird, dann kommt der Tischler mit den Türen, Küchenschränken und Möbeln. Meine Projekte sind immer ganz unterschiedlich, so wie meine Kunden."

Danzig auch dank der EU beliebtes Reiseziel

Teuer sei das, ja, aber für Danziger Verhältnisse noch kein Luxus, sagt die 37-jährige. Die Stadt floriert und Marta Lebiedzińska profitiert davon. Ob ihre Kunden hier selbst wohnen werden oder Touristen ist noch unklar. Bedarf sei da, denn dank der EU sei Danzig inzwischen auch ein beliebtes Reiseziel.

Die Mehrheit der Investitionen in unserer Stadt Gdańsk finden mit Hilfe der EU statt. Neue Straßen, Brücken, das entsteht alles auch dank der EU. Also ich merke das im Alltag und es macht mein Leben besser.

Marta Lebiedzińska

Glutenfreier Apfelkuchen in der Altstadt

Marta Lebiedzińska lädt ein in ein modernes Café in der Altstadt, es gibt glutenfreien Apfelkuchen und etliche social-media-taugliche Fotomotive. Dass das moderne Polen zur EU gehört, ist für Marta selbstverständlich - auch weil sie so ihren Mann kennengelernt hat.

Mein Mann ist Franzose. Wir haben uns kennengelernt, eben auch weil die Menschen in der EU frei reisen können.

Marta Lebiedzińska

Cyril, ihr Mann, habe ein Erasmus-Studium in Finnland gemacht. Dort habe er einen Freund von ihr kennengelernt, der - auch dank der EU - dort habe arbeiten können. "So haben wir uns getroffen", erzählt Marta Lebiedzińska. Ihr vier Jahre alter Sohn wächst dreisprachig auf: mit dem Vater Französisch, mit der Mutter Polnisch und gemeinsam Englisch. Der Kleine sei ein echter Danziger und damit: echter Europäer.

"Gdańsk ist außergewöhnlich pro-europäisch"

"Gdańsk ist eine außergewöhnliche Stadt unter den Städten Polens, sehr pro-europäisch, auch dank des verstorbenen Stadtpräsidenten Paweł Adamowicz", sagt die Innenarchitektin. Für sie habe die EU eigentlich nur Vorteile, auch wenn sie die politischen Details nicht verfolge.

Ich finde es schade, dass es jetzt eine politische Kraft in Polen gibt, die nur nehmen und nichts geben will. Ich schäme mich dafür.

Marta Lebiedzińska

Europa ist für sie ein gutes Gefühl. Dass sie damit nicht für alle Polen steht, weiß sie.

Polens Europa-Skepsis auch geschichtlich begründet

Das liege auch an der polnischen Geschichte, sagt Marta Lebiedzińska. Polen war über 100 Jahre geteilt und besetzt, danach kamen die Nationalsozialisten und die Sowjets. Souveränität sei daher heute für viele Polen wichtig. Die Europäische Union fühle sich da wie eine Einmischung von außen an.

Polen ist eigentlich halb-und-halb geteilt. Es gibt Menschen wie mich, die auf das Glas schauen und sagen, es ist halbvoll und nicht halbleer. Der andere Teil - das sind leider Menschen, viele auch in meinem Alter oder jünger, mit einer anderen Einstellung, die immer einen Feind suchen.

Marta Lebiedzińska

Sie werde natürlich bei den EU-Parlamentswahlen abstimmen. Marta Lebiedzińska sagt, Polen sei ja auch schon mal auf einem guten Weg gewesen, bis die PiS-Regierung kam. Hoffentlich könne man bald dahin zurückkehren.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 09:00 Uhr

Der Reporter

Martin Adam mit Video
Bildrechte: Martin Adam, RBB