
Polen, 07. März 2019 Im Fall Priester Jankowski: Denkmal, Platz und Ehrenbürgerschaft weg
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07. März 2019, 14:49 Uhr
Henryk Jankowski galt als Solidarność-Legende, doch er soll jahrelang Kinder missbraucht haben. Der Fall bewegt ganz Polen seit Monaten und ganz besonders, seitdem Aktivisten das Denkmal des Priesters in Danzig vom Sockel gestürzt hatten. Mit ihrer Aktion wollten sie gegen den Umgang der katholischen Kirche mit dem Thema Missbrauch protestieren. Denn trotz breiter öffentlicher Diskussion in Polen mauert die Kirche bislang. Die Stadt Danzig dagegen positionierte sich heute eindeutig zum Fall.
Der Stadtrat von Danzig hat heute den Abriss des umstrittenen Denkmals für den Priester Henryk Jankowski (1936-2010) beschlossen. Zugleich sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, dass der Jankowski-Platz, auf dem das Denkmal steht, umbenannt werden soll. Außerdem wird der einstigen Solidarność-Legende der Titel als Ehrenbürger von Danzig aberkannt. Das Danziger Parlament reagiert damit auf erneut erhobene Missbrauchsvorwürfe gegen Jankowski. Nach entsprechenden Medienberichten Ende 2018 war im Februar das Denkmal in einer nächtlichen Aktion vom Sockel gestürzt worden.
Nachts vom Sockel gestürzt
Das Video verbreitete sich rasend schnell in den sozialen Netzwerken und eroberte polnische Nachrichtenportale innerhalb weniger Stunden: Es zeigt, wie drei Männer in der Nacht zum 21. Februar ein Seil um den Hals der Skulptur legen, den Sockel freilegen und dann so lange ziehen, bis das Denkmal umfällt. Damit es nicht beschädigt oder gar zerstört wird, hatten die Aktivisten zuvor alte Autoreifen ausgelegt. Sie "wollten den falschen und abscheulichen Mythos von Henryk Jankowski" und nicht das Denkmal als solches zerstören, erklärten die Männer.
Das am Boden liegende Denkmal umwickeln sie mit dem Gewand eines Ministranten und in die Hand legen sie der Statue eine Kinderunterhose - als Symbol für die Mädchen und Jungen, die Jankowski sexuell belästigt und missbraucht haben soll. So steht es auch sinngemäß in einem Manifest, das die Aktivisten im Internet veröffentlicht haben.
Dass sie sich ausgerechnet das Denkmal des Solidarność-Pfarrers ausgesucht haben, kommt nicht von ungefähr. Jankowski war im Jahr 1980 als Beichtvater des Danziger Streikführers und späteren polnischen Staatspräsidenten Lech Wałęsa bekannt geworden. Auch wegen dieser Funktion galt Jankowski lange Zeit als moralische Instanz im Land.
Das Leben von Pfarrer Jankowski in Kürze
Henryk Jankowskis Leben ist eng mit der Stadt Danzig verbunden: Hier nimmt er seine erste Stelle als Geistlicher an. Hier wird er in den 1980er-Jahren Pfarrer der Gewerkschaft Solidarność. In dieser Zeit suchen die Großen und Mächtigen seine Kirche auf, unter ihnen George Bush senior und Margaret Thatcher. Lech Wałęsa hat in seinem Pfarrhaus sogar sein Büro eingerichtet.
Nach dem demokratischen Umbruch 1989 fällt er durch umstrittene Predigten mit judenfeindlichen Parolen auf. 2004 wird er von seinem Amt als Pfarrer der Brigittenkirche in Danzig suspendiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs gegen den Priester, das Verfahren wird jedoch eingestellt. 73-jährig stirbt Henryk Jankowski 2010 in Danzig. Erst Ende 2018 melden sich neue Opfer zu Wort.
Der Mythos wackelt
Acht Jahre nach seinem Tod, im Dezember 2018, veröffentlicht die liberale Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" einen Artikel mit dem Titel "Die Geheimnisse von St. Brigitte". Darin beschreibt die Autorin Bożena Aksamit die bis dato wenig beachtete, dunkle Seite des Henryk Jankowski: Er steht im Verdacht, in den vergangenen Jahrzehnten viele Mädchen und Jungen sexuell belästigt und missbraucht zu haben.
Der Film "Klerus" bricht ein Tabu
Damit stach die Journalistin Bożena Aksamit in ein Wespennest. Denn auch in Polen wird das Thema Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche seit Monaten heiß diskutiert. Dafür sorgte insbesondere der Film "Klerus" von Regisseur Wojciech Smarzowski, der im September 2018 Premiere hatte. Darin thematisiert er, wie sich Priester an Kindern vergehen und bricht damit ein Tabu in Polen. Filmkritiker lobten unter anderem, wie der Regisseur offenlegt, dass auch polnische Priester gegen das Zölibat verstoßen haben und Kinder missbrauchten.
Alleine in den ersten zwei Wochen nach der Premiere schauten sich mehr als 3,5 Millionen Zuschauer "Kler", wie der Film im Original heißt, an. Bis Ende 2018 waren es 4,5 Millionen – "Kler" wurde in der polnischen Presse zum populärsten Film des 21. Jahrhunderts erklärt. Außerdem ist Smarzowskis Werk einer der meistgesehenen Filme seit 1989. Mit "Kler" hat die internationale Diskussion über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche auch Polen erreicht.
Zeitpunkt für Denkmalsturz kein Zufall
Papst Franziskus hat in dieser Woche eine Konferenz einberufen, um über den Umgang der katholischen Kirche mit sexuellem Missbrauch an Kindern durch Geistliche zu beraten. "Möge es eine Zeit der Bekehrung sein", twitterte er. In seiner Rede forderte der Papst eine aufrichtige und vertiefte Diskussion über die weltweiten Missbrauchsvorwürfe. Politische Beobachter in Polen vermuten vor diesem Hintergrund, dass sich die Aktivisten die internationale Aufmerksamkeit zunutze machen wollen und deshalb den Zeitpunkt des Denkmalsturzes im Umfeld der Missbrauchskonferenz im Vatikan gewählt haben.
Schwarzbuch an Papst übergeben
Unterdessen hat die Stiftung "Fürchtet euch nicht" einen Bericht über Pädophilie in der polnischen Kirche veröffentlicht. Er ist auf der Internetseite der Stiftung abrufbar. Darin tauchen viele bekannte Namen aus allen Ebenen der kirchlichen Hierarchie auf, die mit Missbrauchsvorwürfen in Verbindung stehen. In dem Bericht wurde behauptet, dass der Danziger Erzbischof Tadeusz Gocłowski über die Verbrechen von Jankowski Bescheid wusste.
Ein ernstes Problem ist Deine Einstellung zu jungen Männern, zu heranwachsenden Jungen.
Streit über Umgang mit Jankowski
Trotz der Vorwürfe gibt es in Danzig auch Menschen, die das Andenken an Jankowski bewahren wollen. Gleichwohl sind sie in der Minderheit. Die Verteidiger des Geistlichen wollten einen Abtransport des Denkmals verhindern. Es kam zu Auseinandersetzungen, sodass die Polizei einschreiten musste.
(Dies ist eine Aktualisierung des Artikels zum Thema vom 22.02.2019.)
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL im Radio: MDR | 22.02.2019 | 07:00 Uhr