Energiepolitik Briketts forever: Polen setzt auf Kohle
Hauptinhalt
Kein Land in der EU setzt bei seiner Energiegewinnung so sehr auf Kohle wie Polen. Geht es nach der polnischen Regierung, soll sich daran auch in Zukunft nicht viel ändern. Doch das Land bezahlt einen hohen Preis dafür.

Schwarz, so sahen die Tagungsräume des 24. Weltklimagipfels (2. - 15. Dezember 2018) in Kattowitz aus. Das sei Absicht, erklärte der COP24-Marketing-Chef Marcin Stańczyk. Das gesamte Kongressgebäude sei innen und außen mit einem schwarzen Metall verkleidet. "Das soll an die Kohle erinnern", sagt Stańczyk. Denn letztlich habe die Kohle die Region aufgebaut.
80 Prozent der Energie mit Kohle erzeugt
Die Farbgebung könnte aber auch als Statement des Gastgeberlandes zu verstehen gewesen sein, dass es weiter auf Kohle als Energieträger setzen wird. Polen erzeugt etwa 80 Prozent seiner Energie mit dem fossilen Brennstoff und hat damit den mit Abstand höchsten Kohleanteil aller 28 EU-Länder. Zum Vergleich: Das in dieser Rangliste zweitplatzierte Tschechien erzeugt etwa 50 Prozent seiner Energie mit Kohle, das viertplatzierte Deutschland 45 Prozent. Etwa 100.000 Menschen sind allein im polnischen Kohle-Bergbau beschäftigt, mindestens noch einmal so viele Arbeitsplätze hängen an der gesamten Kohlewirtschaft und ihren Zulieferern.
Polens Regierung weiter auf Kohlekurs
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki machte bei seiner Antrittsrede im Jahr 2017 denn auch deutlich, dass sein Land auf Kohle als "zentrale Form der Energiegewinnung" nicht verzichten werde. Wie Polen so die CO2-Emissionsziele der EU erreichen will, ist vielen Beobachtern schleierhaft. Brüssel will den CO2-Ausstoß in der Union bis 2030 um 40 Prozent reduzieren und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent (im Vergleich zu 1990).
Polens Umweltminister, Henryk Kowalczyk, ist die Frage nach einem möglichen Kohleausstieg auch sichtlich unangenehm. Fest stehe, dass sein Land bis 2050 Kohleenergie nutzen werde. Da gebe es auch Übereinstimmung mit der EU-Kommission. "Was danach ist, das müssen sie den Energieminister fragen." Der polnische Energieminister, Krzysztof Tchórzewski, ist ein ausgewiesener Kohlefreund und erklärte kürzlich, dass der Kampf gegen den Klimawandel die Wettbewerbsfähigkeit Polens nicht beeinträchtigen dürfe. Bis 2050 könne seine Land den Kohleanteil an der Energiegewinnung auf 50 Prozent senken, mehr gehe nicht.
Nichts geht ohne Solidarność
Wer in Polen ein Ende der Kohle auch nur erwägt, spielt mit seiner politischen Karriere. Gegen den Willen der einflussreichen Gewerkschaft Solidarność ist in Polen wenig machbar. "Wenn uns Gott die Kohle gab, so müssen wir das für uns nutzen", sagt Miroslaw Truchan, Chef der Solidarność in der schlesischen Region. Solange es Kohle-Vorkommen gebe und diese wirtschaftlich zu fördern seien, müsse Polen sie auch für die Energiegewinnung einsetzen.
Und an die Adresse der Regierung gewandt äußert Truchan eine klare Drohung: "Unsere Gewerkschaft hat die Position, dass, wenn jemand uns, die polnische Sache und die der Region schlecht repräsentiert, dann wählt man ihn nicht mehr. Dann wechselt die Regierung."
Teurer Hang zur Kohle
Aber Polen kommt sein Beharren auf den Energieträger Kohle teuer zu stehen. Das Land hat mit einer enormen Luftverschmutzung zu kämpfen, weil neben den Kraftwerken auch viele Haushalte noch immer mit Kohle heizen. Eine Studie verschiedener Umweltverbände ergab, dass der Smog in Polen jährlich 5.800 Tote verursacht. 127.000 Kinder litten wegen der Kohle an Asthma. Die Gesundheitskosten sind demnach enorm: Auf bis zu 16 Milliarden Euro belaufen sich die Schätzungen. Hinzu kommen die jährlich etwa zwei Milliarden Euro Kohle-Subventionen, ohne die viele Gruben und Kohlekraftwerke nicht überlebensfähig wären.
Doch auch die polnischen Bürger spüren gerade, wie die Kohle ihr Lebenshaltungskosten in die Höhe treibt. Grund ist der gestiegenen Preis für CO2-Zertifikate, die jedes Kohlekraftwerk kaufen muss, will es weiter Kohle verfeuern. Allein in den letzten zwölf Monaten ist der Emissionsrechte-Preis um fast 200 Prozent auf etwa 20 Euro pro Tonne gestiegen. Und das spüren Verbraucher und Unternehmen. "Die Großhandelspreise für Strom sind in einem Jahr um fast 70 Prozent gestiegen. Ein Straßenbahnticket kostet deshalb bis zu 60 Prozent mehr", sagt der Warschauer Publizist und Energieexperte Bartłomiej Derski.
Kommt der Ausstieg von allein?
Wie schwierig die Lage für die polnische Kohlewirtschaft ist, zeigt der Bau des Kraftwerks Ostrołęka C, der Mitte 2018 beschlossen wurde. Es soll das letzte neue Kohlekraftwerk Polens sein. Die Baukosten betragen 1,5 Milliarden Euro. Doch mehrere Banken haben bereits abgesagt, das Vorhaben zu finanzieren. Der Grund: Angesichts der hohe CO2-Zertifikatspreise werde das Kraftwerk über die gesamte Laufzeit nicht einmal Gewinn erwirtschaften. Carbon Tracker, ein gemeinnütziger Think Tank, der die Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzmärkte untersucht, bezeichnet Ostrołęka C als "finanzielles und ökonomisches Desaster", falls es überhaupt gebaut werde. Und so könnte der Kohleausstieg in Polen dann doch schneller kommen als es der Regierung und den Gewerkschaften recht ist.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Heute im Osten - Reportage: Polens Hang zur Kohle | 01.12.2018 | 18:00 Uhr