Polen Die Kiez-Aktivistin und das alte Kurhaus von Brzeźno

Dorota Kuś lebt in Brzeźno, einem Stadtteil von Danzig. Sie engagiert sich in ihrem Kiez, will das alte Kurhaus sanieren. Heimat ist für sie ihr Ort. Aber als Polin, sagt sie, sei sie auch Europäerin.

Die Straßenbahngleise hier, sagt Dorota Kuś, ja, die habe  die EU finanziert. Die Straßenbahn, die darauf fahre, übrigens auch. Dorota Kuś ist lieber mit dem Fahrrad gekommen, auf einem Fahrradweg, der – da muss sie lachen - auch von der EU gefördert wurde. Ja, es stecke viel Europa hier in Gdańsk Brzeźno, ihrem Bezirk. Aber eigentlich möchte sie lieber über das alte Kurhaus sprechen.

Brzeźno  - ältester Kurort an der Danziger Küste

Heruntergekommenes Kurhaus mit zugenagelten Erdgeschoss-Fenstern und holzverkleidetem ersten Stock
Brzeźno gilt als ältestes Seebad an der Danziger Küste. Bildrechte: Martin Adam

"Wir stehen an dem wunderschönen, dem früher wunderschönen, Kurhaus, dem man aber die Spuren der alten Schönheit noch ansieht", erklärt Dorota Kuś. "Es wurde Anfang der 1890er-Jahre gebaut. Brzeźno war der erste Kurort an der Danziger Küste, älter noch als Sopot. In diesem Haus hier gab es sogenannte Warmbäder, es gab Hotelzimmer, einen Ballsaal und Erholungsräume. Mir hat einfach das Herz geblutet, als ich gesehen habe, wie das verfällt."

Geld sammeln für das alte Kurhaus

Heruntergekommenes Eingangshaus eines größeren Gebäudes mit neoklassizistischen Säulen, Jugenstilornamenten und zugenagelten Erdgeschoss-Fenstern
Umgerechnet 3,5 Millionen Euro soll die Sanierung des Kurhauses kosten. Bildrechte: Martin Adam

Das Kurhaus ist ein imposantes Gebäude. Mit Säuleneingang und Stuckfassade, mit hölzernen Laubengängen - und: vernagelten Fenstern. Seit Jahren steht das Kurhaus leer.

Dorota Kuś will es sanieren. Gemeinsam mit ihrer Stadtteil-Initiative hat sie dafür Geld eingeworben - von der Stadt Danzig - und von der Europäischen Union. 15 Millionen Złoty soll das Vorhaben kosten, knapp dreieinhalb Millionen Euro. Nur einen Bruchteil davon steuert die EU bei, aber immerhin - es hilft ihrem Brzeźno, und das ist Dorota Kuś das Wichtigste.

Europa vieler kleiner Heimaten

"Brzeźno ist meine kleine Heimat", erzählt Dorota Kuś. "Ich möchte, dass der Stadtteil immer schöner wird. Und ich denke, es ist wichtig, dass es ein Europa vieler kleiner Heimaten gibt."

Ich fühle mich als Polin, ich bin Bewohnerin von Brzeźno, Pommern ist meine Region, die auch herrlich und wunderschön ist, und gleichzeitig ist Polen ein Teil Europas. Das hängt alles zusammen.

Dorota Kuś

Dorota Kuś arbeitet in der Verwaltung der Danziger Verkehrsbetriebe - nicht sonderlich spannend, sagt sie. Spannender findet sie: Brzeźno. Hier spielt sich für sie das Leben ab, hier ist Europa.

Rückkehr nach Europa? "Ich war nie weg"

Die Reisefreiheit sei fantastisch, sagt sie - weil immer mehr Besucher nach Brzeźno kämen. Ständig könne man neue Leute kennenlernen. Der freie Markt, auch gut - weil Danzig wohlhabender wird und Geld für Brzeźno übrig hat. 2004, als Polen - und damit Brzeźno - Teil der Europäischen Union wurde, habe man damit geworben, Polen würde endlich zurückkehren nach Europa. Dorota Kuś sagt: "Ich war nie weg."

Im Herzen war ich immer in Europa und habe mich als Europäerin gefühlt. Aber es hat natürlich viele Sachen erleichtert, die Grenzen geöffnet.

Dorota Kuś

Sie habe den EU-Beitritt damals mit viel Hoffnung erwartet, denn für Polen sei das ein neuer Schritt gewesen, "insbesondere die Reisefreiheit und Unabhängigkeit".

Debatte um Pol-Exit "inakzeptabel"

Manchmal, sagt Dorota  Kuś, höre sie in den Nachrichten, die EU mische sich zu sehr in die polnische Politik ein. Aber das könne sie nicht beurteilen, die Details interessierten sie nicht sonderlich. Nur, dass es so viele Konflikte zwischen Warschau und Brüssel gebe und manche sogar über einen Pol-Exit, einen Ausstieg aus der EU diskutierten, das finde sie inakzeptabel.

Jeder Staat verfolgt doch erstmal vor allem die eigenen Interessen, obwohl wir eine Gemeinschaft sind. Ich hoffe sehr, dass wir die Konflikte in den Griff bekommen und dass es zu einer Verständigung kommt, dass die Feuer wieder gelöscht werden.

Dorota Kuś

Nach 15 Jahren sei es so normal, dass Polen EU-Mitglied sei, das falle eigentlich niemandem mehr sonderlich auf, sagt sie. Aber man dürfe deswegen noch lange nicht vergessen, dass Isolation nie eine gute Idee sei - nicht für Polen und schon gar nicht für Brzeźno.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 09:00 Uhr

Der Reporter

Martin Adam mit Video
Bildrechte: Martin Adam, RBB