Katholische KirchePolens berühmtester Exorzist in U-Haft: Krumme Geschäfte mit der PiS-Regierung
In Polen sitzt derzeit ein Priester wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und Geldwäsche in Untersuchungshaft. Der Mann ist bis in höchste Politiker-Kreise hinein vernetzt. Schon in der Vergangenheit hatte er aber Schlagzeilen gemacht – als er nämlich versuchte, mit Hilfe von Sülzwurst Dämonen aus einer angeblich besessenen Frau auszutreiben. Unsere Ostbloggerin hat den Skandal für uns aufgeschrieben – und kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.
Inhalt des Artikels:
Pater Michał Olszewski ist ein Mann vieler Talente: Schriftsteller, Geschäftsmann, Exorzist. Schon vor einigen Jahren fiel er auf, als er von seinen regelmäßigen Kontakten mit dem Satan berichtete: "Ich erlebe ständig seine verschiedenen Tricks, wie zum Beispiel Droh-SMS von unbekannten Nummern, die meist um 15 Uhr oder um 3 Uhr morgens verschickt werden. Besonders viel Angst hatte ich jedoch, als er anfing, mich nachts zu belästigen."
Teufelsaustreibungen mit Hilfe der Sülzwurst
Richtig berühmt wurde der Pater von der Kongregation der Priester vom Heiligsten Herzen Jesu jedoch als Exorzist. Ein Fall aus dem Jahr 2018, bei dem er versuchte, einer jungen Frau den "Dämon des Vegetarismus" auszutreiben, brachte ihm landesweit einen zweifelhaften Ruhm. Seine Erlebnisse bei der Austreibung von Teufeln verschiedener Art hat er in seinem Buch "Wie Hiob sein" aufgeschrieben.
Darin schildert er auch seine Interaktion mit den vermeintlichen Dämonen der jungen Frau: "Ich frage: 'Wer seid ihr?' und sie sagen, sie seien Dämonen des Vegetarismus. Ich befehle ihnen, aus dem Körper der Frau herauszukommen, und sie sagen, sie wollen nicht herauskommen. Ich frage: 'Was hindert euch daran, herauszukommen?', worauf sie antworten: 'Du wirst sie nicht mit Fleisch füttern.'" Der tapfere Mann Gottes tat es dennoch und fütterte die junge Frau mit dem, was gerade zur Hand war: mit Sülzwurst. Die Prozedur war seiner Darstellung nach erfolgreich: Die Vegetarismus-Dämonen waren raus.
Dieses groteske Tun kann aber ernste Konsequenzen haben. Geht es laut Pater Olszewski bei Exorzismen darum, "die Besessenen davon abzuhalten, sich selbst und anderen Schaden zuzufügen", ist es laut Psychologen genau anders herum: Exorzismen können bei denen, die einer solchen Prozedur meist gegen ihren Willen unterworfen werden, ernsthafte Schäden anrichten. Denn sie gehen oft mit körperlichen und seelischen Misshandlungen einher – gelegentlich auch mit Elementen sexueller Belästigung, die langandauernde Traumata verursachen können. Über den Gesundheitszustand der jungen Frau, die den Sülzwurst-Exorzismus erdulden musste, ist allerdings nichts bekannt.
Millionen für Polens berühmtesten Exorzisten
Pater Michał Olszewski hätte noch lange Teufelsaustreibungen betreiben können, wenn er nicht eine neue Mission entdeckt hätte, von der er dann gänzlich besessen war: Er wollte sich künftig um Verbrechensopfer kümmern. Auf diese Weise kreuzten sich die Wege des umtriebigen Priesters und des polnischen Justizministeriums und dessen "Gerechtigkeitsfonds", der – zumindest offiziell – gerade für solche Zwecke gedacht war.
Bereits 2014 hatte der Ordensmann die Profeto-Stiftung gergründet, eine sehr vitale und gut funktionierende Medienstiftung mit der Ambition, "die größte Kanzel im Internet" zu werden. Inzwischen führt sie ein katholisches Online-Portal, ein Radio und eine Evangelisierungsplattform. Sie organisiert außerdem Konferenzen, Kurse und Online-Übertragungen. Das verlinkte Video zeigt den Exorzisten noch als freien Mann, der anderen predigt, wie man ein ehrliches, gottgefälliges Leben führt – wenig später wurde er wegen seiner offenbar krummen, nicht so gottgefälligen Geschäfte verhaftet.
2020 gewährte das Justizministerium ausgerechnet dieser Stiftung einen Zuschuss in Höhe von fast 100 Mio. Złoty (gut 23 Mio. Euro) für den Bau und Betrieb eines Hilfszentrums für Verbrechensopfer – und das, obwohl Profeto in diesem Bereich gar keine Erfahrung hatte. Bekannt ist aber, dass der damals zuständige Justizminister Zbigniew Ziobro und seine Kleinstpartei "Souveränes Polen" schon lange von einem eigenen Fernsehsender träumten. "Souveränes Polen" tritt seit 2015 mit der rechtspopulistischen PiS auf einer gemeinsamen Liste bei den Wahlen an.
Mit dieser üppigen Finanzierung baute Pater Olszewski im Blitztempo eine Anstalt mit dem stolzen Namen "Archipel – gewaltfreie Inseln" auf. Doch der edle Zweck des Baus – den Opfern von Verbrechen zu helfen – und dessen Ausstattung passen nicht so recht zusammen: Das prächtige Gebäude beherbergt unter anderem Wohnräume, fünf Aufnahmestudios, drei Regiestudios für die Postproduktion, Serverräume und einen gewaltigen Veranstaltungssaal.
U-Haft wegen Veruntreuung und Geldwäsche
Als im Oktober 2023 die Regierung der rechtspopulistischen PiS-Partei – und mit ihr der Justizminister – abgewählt wurde, wurden die Bauarbeiten abrupt eingestellt. Inzwischen hat die neue Regierung begonnen, die Ausgaben aus dem "Gerechtigkeitsfonds" genauer unter die Lupe zu nehmen. Der umtriebige Pater sitzt in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Geldwäsche und Veruntreuung von Steuergeldern.
Nach seiner Verhaftung fanden zahlreiche Solidaritäts-Demos von empörten Anhängern des Paters und PiS-Abgeordneten statt. Die Protestierenden behaupteten wahrheitswidrig, die Regierung von Donald Tusk würde den "armen Priester" in der Haft foltern. Beweise oder auch nur Indizien für diese Anschuldigung konnten die Anhänger des Priesters aber nicht vorlegen. Stattdessen schickten sie Protestbriefe an alle wichtigen Behörden, auch an die UNO, um seine Freilassung zu erreichen. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Pater bis zu zehn Jahren Haft.
Katholische Kirche "melkt" Vater Staat
In Polen regen sich viele Polen schon gar nicht mehr über intransparente Geldströme zwischen Staat und Kirche auf, sie werden eher mit einem resignierten Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Dass aber ein Mann, der als Exorzist abseits jeglicher Realität agiert, aus einem Ministerium derartige Summen erhalten und ganz real verbauen konnte – das hat große Teile der Öffentlichkeit dann doch erschüttert.
Der Experte für Image und politisches Marketing von der Handelshochschule in Warschau, Dr. Mirosław Oczkoś, erklärt den Fall so: "In Polen spielt die Priesterfigur immer noch eine ganz besondere Rolle in der Sozialhierarchie, die Rolle einer Autorität. Dies mag damit zusammenhängen, dass Polen in seiner Entwicklung die Aufklärungs-Epoche übersprungen hat und dass kritisches Denken defizitär ist. Emotionen und Glauben haben mehr Gewicht als rationale Analyse."
Außerdem seien die öffentlich-rechtlichen Medien unter der PiS-Regierung gezielt genutzt worden, um solche zwielichtigen Geschäfte zu verschleiern. Diese permanente Desinformation habe bei vielen Menschen Spuren hinterlassen, so der Experte: "Diese Partei hat keine Wähler, sondern Verehrer", so Oczkoś, "und die Politiker nutzen diese Schwäche gnadenlos aus."
Eine Rückkehr zu einer rationalen Debatte auf Basis von Fakten sei da auf Seiten der PiS-Anhänger so bald nicht zu erwarten, meint der Experte: "Ich fürchte, dass der Entgiftungsprozess noch Jahre dauern wird, zumal er das Fundament ihrer Weltanschauung untergräbt." Und so steht der Fall des Sülzwurst-Exorzisten mit staatlicher Millionenförderung bei aller Absurdität für ein echtes Problem innerhalb der polnischen Gesellschaft.
MDR (vm/baz)
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Heute im Osten | 24. August 2024 | 11:16 Uhr