Polen, Italien, Ungarn - Im EU-Parlament drohen neue populistische Allianzen
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Italiens Innenminister Matteo Salvini schmiedet derzeit neue Allianzen mit der rechtspopulistischen Elite Europas. Jetzt hat er eine Achse "Italien-Polen" angekündigt. Für viele Beobachter ist das eine überraschende Konstellation, denn Salvini und Kaczyński sind nur bedingt auf einer Wellenlänge.

Die Bilder nach den Treffen ähneln sich: Ein bestens gelaunter Matteo Salvini, daneben wechselnde Größen der rechtspopulistischen Elite Europas. Mal ist es Frankreichs Marine Le Pen, mal der österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache und mal Ungarns Viktor Orbán. Nach dem Treffen mit Polens Jarosław Kaczyński am 10. Januar 2019 gab es kein Foto. Doch das habe nichts zu bedeuten, die Zusammenkunft in Warschau sei trotzdem sehr "freundlich" gewesen, heißt es aus den Reihen der PiS. Kaczyński selbst hat sich bis jetzt nicht zu seiner Unterredung mit Italiens populistischem Innenminister geäußert, der auch Chef der nationalistischen Lega Nord ist.
Achse Italien-Polen
Matteo Salvini befindet sich in diesen Wochen auf einer Art Werbetour durch Europa. Sein Ziel: Allianzen schmieden. Und so betonte er sowohl nach seinem Treffen mit Kaczyński als auch mit seinem polnischen Amtskollegen Joachim Brudziński, dass im Mai ein neuer "europäischer Frühling" anbrechen werde. "Ich weiß, dass sich in vielen Ländern gerade die Interessen verschieben. Etwa in Spanien, Frankreich, Österreich, Deutschland oder Ungarn. Wir haben jetzt eine historische Möglichkeit. Es wird Zeit, der französisch-deutschen Achse die Achse Italien-Polen entgegenzustellen", verkündete Salvini nach den Gesprächen in Polen im Januar gewohnt selbstsicher vor Journalisten in Warschau.
Salvini ist Putin-Fan, Kaczyński bekanntlich nicht
Während sich die französisch-deutsche Achse gerade noch einmal erneuert hat mit einer Neuauflage des Élysée-Vertrags, ist eine Achse "Warschau-Rom" für viele Beobachter eine überraschende Konstellation, sind Salvini und Kaczyński doch nur bedingt auf einer Wellenlänge. "Natürlich haben beide das Ziel, die EU zu schwächen. Sie sind dagegen, noch mehr Kompetenzen an die EU abzugeben", sagt Josef Janning vom europäischen Think Tank "European Council on Foreign Relations". "Aber nach solchen Treffen werden natürlich immer große Worte gewählt und es wird vermieden, die Differenzen zwischen Warschau und Rom zu betonen." Die liegen vor allem im Thema Migration. Salvini fordert Solidarität bei der Verteilung von Migranten, die in Italien ankommen. Polen lehnt deren Aufnahme strikt ab. Polen wiederum hätte es gern, dass die EU mit einer Stimme gegen Russland spricht. Salvini hingegen gilt als glühender Putin-Fan. Vor allem dieser Punkt, so wird berichtet, habe Kaczyński lange zögern lassen, Salvini zu empfangen.
"Ein Weg raus aus der europäischen Familie"
Eingefädelt wurde das Treffen wohl von der Staatssekretärin Anna Maria Anders. Sie bewundere Salvini, sagte Anders gegenüber polnischen Medien. Vor allem seine lustigen Tweets gefielen ihr. Beobachtern in Polen gefiel die Unterredung zwischen den beiden Populisten weniger. Grzegorz Schetyna von der oppositionellen Bürgerplattform PO schrieb auf Twitter: "Polen ist durch die PiS isoliert in der EU. Kaczyński setzt auf Partner wie Orbán oder Salvini. Beide sind Putin näher als der EU. Das ist leider ein Weg raus aus der europäischen Familie, die Polen können dabei nur verlieren."
Brexit verschiebt Machtgefüge im EU-Parlament
Josef Janning vom "European Council on Foreign Relations" glaubt nicht, dass Kaczyński und Salvini daran gelegen ist, die EU zu verlassen. Zu groß sei die finanzielle Abhängigkeit von der Gemeinschaft. Vielmehr gehe es ihnen darum, die EU nach ihren Vorstellungen zu formen. Und dazu braucht es eben neue Allianzen. Im März steht der Brexit an. Die Europäischen Konservativen und Reformer, derzeit drittstärkste Fraktion im EU-Parlament, der auch die PiS angehört, verlieren mit den Torries den Großteil ihrer Abgeordneten. Die PiS-Abgeordneten sind daher im Moment umworben wie selten. Die Frage ist, wem sie sich anschließen nach der Europa-Wahl im Mai. "Dabei geht es gar nicht so sehr darum, dass die Populisten eine eigene Fraktion haben wollen. Vielmehr wollen sie fraktionsübergreifend arbeiten, denn während man die Größe einer Fraktion beziffern kann, wären Allianzen über Fraktionen hinweg wenig kalkulierbar und damit umso mächtiger."
Orbán freut sich über neue Achse
Viktor Orbán etwa gehört mit seiner Fidesz der Europäischen Volkspartei, EVP, an. Und wird da sicherlich auch nach den Wahlen bleiben wollen, obwohl inhaltlich eine größere Nähe zu Kaczyński, Salvini und Co. besteht. Orbán freute sich daher über Salvinis Vorstoß einer neuen Achse "Italien-Polen", einer "Antimigrationsachse", wie Orbán sie nannte. Endlich entstehe rechts von der EVP eine einwanderungskritische Kraft, denn, so Orbán: "Ich habe die Nase voll, dass sich die EVP nur mit Pro-Immigrations-Kräften, mit den Liberalen oder den Sozialisten verbündet."
EU-Parlament sollte sich an die Macht der Populisten gewöhnen
Wie zugeneigt die PiS-Abgeordneten im Europa-Parlament einer Zusammenarbeit mit Kräften wie Fidesz oder der Lega Nord sind, dazu hüllen sie sich in Schweigen. Für ein Interview hatte in dieser Woche keiner der Angefragten Zeit.
Welche neuen populistischen Allianzen sich am Ende im EU-Parlament wirklich bilden und wie mächtig die sein werden, hängt natürlich vom Ausgang der Europa-Wahlen im Mai ab. Zu einer Prognose lässt sich Josef Janning vom "European Council on Foreign Relations" aber hinreißen: "Die Populisten werden, selbst wenn sie triumphieren, nicht mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellen. Aber auch die haben Macht." Und so tue der Rest des EU-Parlaments gut daran, sich an diese Macht zu gewöhnen und sich ihr konstruktiv entgegenzustellen. Denn vielleicht gibt es im Mai dann doch noch ein Bild eines lachenden Salvini an der Seite von PiS-Chef Jarosław Kaczyński.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Radio: 25.01.2019 | 07.15 Uhr