Trotz deutlicher Verluste Regierungspartei bei Parlamentswahl in Bulgarien vorn

05. April 2021, 12:12 Uhr

In Bulgarien hat die Partei von Ministerpräsident Borissow die Parlamentswahl nach amtlichem Zwischenergebnis zwar gewonnen, die absolute Mehrheit aber verfehlt. Dem Land steht nun eine schwierige Regierungsbildung bevor. Noch in der Nacht schlug Borissow die Bildung einer Expertenregierung vor.

Die konservative Partei von Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow hat die Wahlen in dem südosteuropäischen Land den amtlichen Zwischenergebnissen zufolge zwar gewonnen, die absolute Mehrheit aber verfehlt. Wie die Zentrale Wahlkommission (ZIK) am Montag nach Auszählung von etwa 42 Prozent der Stimmen mitteilte, kommt Borissows GERB auf gut 24 Prozent der Stimmen. Vor vier Jahren hatte sie noch 33,5 Prozent erhalten. Unklar ist deshalb, ob die Konservativen auch wirklich weiter regieren können.

Protestpartei zweitstärkste Kraft

Zweitstärkste Kraft wurde den Zwischenergebnissen zufolge mit 19 Prozent überraschend die Protestpartei "Es gibt so ein Volk" des TV-Moderatoren und Kabarettisten Slawi Trifonow. Die oppositionellen Sozialisten (Ex-KP) landeten mit fast 15 Prozent auf Platz drei, gefolgt von der Partei der türkischen Minderheit (DPS) mit 8,7 Prozent.

Noch zwei weitere Protestparteien dabei

Ein Wähler gibt seinen Stimmzettel während der Parlamentswahl in Bulgarien ab
Stimmabgabe in einem Wahllokal: Etliche Bulgaren haben diesmal "protest-gewählt". Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Visar Kryeziu

Den bisherigen Zahlen zufolge ziehen mindestens zwei weitere Protestparteien ins Parlament in Sofia ein: die konservativ-liberal-grüne Koalition Demokratisches Bulgarien DB und "Richte dich auf! Mafiosi raus!".

Die nationalistische WMRO hat dagegen die in Bulgarien geltende Vier-Prozent-Hürde nicht überwinden können. Sie war bislang Juniorpartner in Borissows Koalitionskabinett.

Extrem schwierige Regierungsbildung

Angesichts der Kräfteverteilung sowie den Feindschaften zwischen einigen dieser Parteien dürfte die Regierungsbildung problematisch werden. Um weiter regieren zu können, muss sich Borissows GERB einen oder mehrere Partner suchen. Allerdings haben die meisten Parteien vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit der GERB ausgeschlossen, da sie Borissows Koalitionsregierung Korruption und Nähe zu Oligarchen vorwerfen. Beobachter halten deshalb auch Neuwahlen für möglich.

Borissow schlägt Expertenkabinett vor

Eine lange Regierungsbildung könnte es Bulgarien jedoch erschweren, den 750 Milliarden Euro umfassenden Corona-Wiederaufbaufonds der Europäischen Union wirksam zu nutzen, um die unter der Pandemie leidende Wirtschaft in Schwung zu bringen.

Mit Blick auf die voraussichtlich schwierige Regierungsbildung brachte Borissow deshalb die Bildung einer Expertenregierung ins Spiel.

"Ich schlage euch Frieden vor – lasst uns Experten einsetzen und bis Dezember die Verantwortung übernehmen, die Pandemie zu bewältigen, damit es wieder aufwärts geht", sagte der Ministerpräsident in der Nacht zu Montag. Welche Experten in eine solche Regierung berufen werden könnten, erläuterte er nicht.

Rückhalt für Borissow zuletzt gesunken

Borissow ist in Bulgarien seit 2009 fast durchgehend an der Macht. Der 61-Jährige ehemalige Leibwächter des letzten kommunistischen Staatschefs Todor Schiwkow verlor zuletzt aber immer mehr an Rückhalt in der Bevölkerung.

Zwar hat er unter anderem dafür gesorgt, dass Bulgarien im "Warteraum" für die Einführung des Euro sitzt. Allerdings wird das EU-Mitglied von Korruptionsaffären erschüttert. Kritiker werfen Borissow deshalb unter anderem Versagen im Kampf gegen die Korruption und mangelnden Erfolg bei der Justizreform vor.

Auch soll er EU-Gelder an Unternehmungen weitergeleitet haben, die der GERB nahe stehen. Borissow hat das zurückgewiesen. Im Sommer 2020 hatten dennoch tausende Bulgaren seinen Rücktritt gefordert.

Quelle: MDR/dpa/Reuters

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