Chef der rumänischen Regierungspartei Liviu Dragnea.
PSD-Chef Liviu Dragnea hier nach einem Prozesstag im April 2019. Bildrechte: imago images / Alex Nicodim

27.05.2019 Rumäniens mächtigster Politiker muss ins Gefängnis

27. Mai 2019, 17:19 Uhr

Der sozialdemokratische Parteichef Liviu Dragnea galt als der Strippenzieher der rumänischen Regierungspolitik. Am 27. Mai 2019 hat ihn der Oberste Gerichtshof in Bukarest wegen Amtsmissbrauchs rechtskräftig verurteilt.

Der Chef der regierenden Sozialdemokraten, Liviu Dragnea, muss wegen Amtsmissbrauch für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Der Oberste Gerichtshof in Rumänien bestätigte am Montag in einem Berufungsverfahren ein Urteil aus erster Instanz vor genau einem Jahr. Der sozialdemokratische Parteichef war damals wie die Staatsanwaltschaft – die Anti-Korruptionsbehörde DNA – dagegen in Berufung gegangen. Das Urteil vom Montag ist rechtskräftig.

Scheinbeschäftigung zum Vorteil der Partei

Dragnea war im Prozess beschuldigt worden, als früherer Kreisratschefs zwei Mitarbeiterinnen seines regionalen PSD-Verbands bei der lokalen Jugendschutzbehörde scheinbeschäftigt zu haben, um seiner Partei auf diese Weise Lohn- und Lohnnebenkosten zu ersparen. Konkret sollen die beiden Frauen zwischen 2006 und 2012 eine Gesamtsumme von rund umgerechnet 23.000 Euro bekommen haben.

Dragnea war mächtiger Strippenzieher

Der 56-jährige Dragnea galt bisher nicht nur als Strippenzieher seiner Partei, sondern auch der amtierenden sozial-liberalen Regierung in Rumänien. Der Sozialdemokrat wäre gern, nach dem klaren Wahlsieg (fast 46 Prozent der Stimmen) seiner Partei bei den Parlamentswahlen Ende 2016 rumänischer Regierungschef geworden. Doch weil der Politiker 2016 bereits wegen Wahlbetrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, blieb ihm der hochrangige Posten verwehrt. Stattdessen zog er die Strippen hinter den Kulissen und sorgte für einen fast zweijährigen Kampf um eine umstrittene Justizreform, die vor allem in den Großstädten für massive Anti-Regierungsproteste sorgte.

PSD bei Europawahl abgestürzt

Die Quittung für ihre umstrittene Politik bekam die Regierungspartei PSD am Sonntag bei der Europawahl, bei der sie eine deutliche Schlappe hinnehmen musste. Nach ersten Auszählungen kam die PSD mit gut 23,7 Prozent auf weniger Stimmen als die oppositionelle Nationalliberale Partei PNL (26,2 Prozent), die umgehend Regierungsanspruch anmeldete. Gestärkt wird die PNL dabei durch ein Referendum über die Justizreform, das am Sonntag parallel zur Europawahl in Rumänien ausgetragen worden war.

Gültiges Referendum über Justiz

Rumänischer Präsident Klaus Iohannis spricht vor EU-Parlament
Rumänischer Präsident Klaus Iohannis - sein Land hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Bildrechte: Genevieve Engel/European Union 2018

Gut 41 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten sich am Referendum vom Sonntag, das nötige Quorum ist damit erreicht. Die Mehrheit von ihnen - rund 80 Prozent - sprach sich für einen harten Anti-Korruptionskurs aus. Staatschef Klaus Iohannis, der die Volksbefragung initiiert hatte, feierte sie als Erfolg. Millionen von Rumänen hätten bei der Abstimmung "dem Populismus, der Demagogie und einem justizfeindlichen Diskurs, der nicht nur von der PSD gekommen sei, eine eindeutige Lektion erteilt", hieß es am Montag in einer Pressemitteilung.

In der Volksbefragung ging es um ein Verbot für Amnestien bei Korruptionsdelikten, ebenso um die Frage, ob die Regierung weiter Änderungen im Strafrecht per Eilverordnungen durchsetzen dürfe. Der Ausgang des Referendums ist für die Politik nicht rechtlich bindend, hätte PSD-Chef Dragnea moralisch in schwere Nöte gebracht.

Regierungspartei vor Zerreißprobe

Mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom heutigen Montag und den Ergebnissen aus der Europawahl steht die regierende PSD jetzt vor einer Zerreißprobe: Mit dem heutigen Urteil muss sie sich zum einen einen neuen Parteichef suchen. Andererseits wird die liberale Opposition beflügelt durch die Ergebnisse der Europawahl versuchen, die PSD aus der Regierung zu drängen.

(amue/mediafax/AFP)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 27. Mai 2019 | 13:15 Uhr

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