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Geschlossene Schalter prägen das Bild auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo, nachdem die EU, Kanada und die USA ihren Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt haben. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Luftraum gesperrtWie komme ich aus Russland raus?

02. März 2022, 11:53 Uhr

MDR-Reporter Maxim Kireev saß am Sonntag im letzten Flieger, der von Sankt Petersburg nach Berlin noch starten sollte. Doch der Flug wurde in letzter Minute storniert, während die Maschine schon auf dem Rollfeld stand. Es folgte eine langwierige Reise auf dem Landweg. Maxim Kireev schildert, wie er sich nach Deutschland durchschlug.

Dass es der letzte Flug von Russland nach Deutschland für viele Monate sein könnte, hat sich zwar abgezeichnet. Doch die meisten Passagiere der Aeroflot-Maschine von Sankt-Petersburg nach Hamburg am vergangenen Sonntag hofften trotzdem, doch noch aus Russland wegzukommen. Schon in den Tagen zuvor hatten gleich mehrere Länder ihren Luftraum für russische Maschinen geschlossen. Moskau antwortete mit Flugverboten gegen die betreffenden Länder. Die Routine beim Check-In, beim Boarding und bei den Sicherheitsanweisungen der Flugbegleiter nährte jedoch Hoffnung, dass es uns doch noch gelingen wird, Russland auf diesem Wege zu verlassen.

Sanktionen gegen Russland treffen Fluggäste

Umso größer war dann die Enttäuschung, als der Kapitän, etwas entschuldigend, über die Lautsprecher erklärte, dass der Flug gecancelt ist. Unter normalen Umständen wäre ein ausgefallener Flug sicherlich "nur" eine unangenehme Überraschung: unnötige Umstände, Verspätung, kaputte Pläne – ein paar Stunden später wäre aber der nächste Flug gegangen. Doch weil Russland einen Krieg gegen die Ukraine führt, haben europäische Regierungen einen Vorhang über die russischen Luftgrenzen nach Europa gelegt. So war es für uns alle ungewiss, auf welchem Weg man das Land überhaupt noch verlassen kann.

Reihenweise stornierte Flüge Richtung Westeuropa – viele Fluggäste müssen sich nun nach anderen Reisemöglichkeiten umsehen. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Viele Passagiere – auch ich – hatten in diesem Moment ein mulmiges Gefühl. Die meisten von ihnen hatten offenbar deutsche Pässe und wollten am liebsten schnell wieder ins sichere und friedliche Westeuropa – raus aus Russland, das einer ungewissen Zukunft mit Sanktionen, Protesten und Polizeigewalt entgegensteuert. Im Flugzeug saßen Unternehmer, Austauschstudenten, Familien mit Kindern, Touristen. Noch an Bord brachen Diskussionen los, wieso ein so kurzfristiges Flugverbot nötig sei. Mein Sitznachbar fragte mich, welche anderen Wege es noch gibt, nach Deutschland zu kommen. Andere echauffierten sich laut und wollten die Botschaft um Hilfe bitten.

Infobox aufklappen: Wie komme ich aus Russland zurück?

Wer aus Russland nach Deutschland zurückkehren will, muss Flüge über Drittstaaten buchen, die nicht von den gegenseitigen Sanktionen betroffen sind. Die meisten Umsteige-Verbindungen zwischen Russland und Deutschland bietet derzeit der Flughafen Istanbul in der Türkei. In Russland werden Moskau, Sankt Petersburg, Jekatarinburg und Perm angeflogen, in Deutschland sind es Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, München, Köln/Bonn, Düsseldorf, Leipzig und Hannover. Außerdem wird Basel in der Schweiz angeflogen, direkt an der deutschen Grenze gelegen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate werden von Moskau, Sankt Petersburg und Nowosibirsk aus angeflogen. In Dubai können Fluggäste auf einen Flug nach Deutschland umsteigen. Auch Serbien hat keine Sanktionen gegen Russland verhängt. Die nationale Fluggesellschaft Air Serbia bietet täglich Flüge von und nach Moskau sowie wöchentlich von und nach Sankt Petersburg an. In Belgrad können die Fluggäste dann auf Flüge nach Berlin, Frankfurt am Main, München, Düsseldorf und Basel umsteigen.

Möglich ist auch eine kombinierte Rückreise: zunächst mit dem Flugzeug von Moskau nach Sankt Petersburg und anschließend mit dem Zug nach Helsinki in Finnland weiter (derzeit zwei Zugverbindungen täglich). Von dort gelangt man mit dem Flugzeug nach Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, München und Düsseldorf. Eine weitere Option ist ein Flug in die russische Exklave Kaliningrad (die Flugzeuge werden derzeit über die internationalen Gewässer der Ostsee umgeleitet, was die Flugzeit von Moskau um eine Stunde verlängert). In Kaliningrad besteht eine tägliche Busverbindung nach Danzig in Polen. Von Danzig bestehen Flugverbindungen nach Frankfurt am Main, Hamburg, Köln/Bonn und Dortmund. Auch eine Weiterreise mit der Bahn ist bei dieser Option denkbar: Nach Berlin besteht eine Direktverbindung täglich und mehrere Umsteige-Verbindungen.

Wer auf dem Landweg reisen möchte, kann laut Auswärtigem Amt grundsätzlich über die entsprechenden Grenzübergänge nach Finnland, Estland oder Lettland ausreisen und von dort nach Deutschland fliegen.

(Stand: 01.03.2022)

Ich saß nicht in dem Flieger , weil ich aus Russland fliehen wollte. In den vergangenen Tagen sind viele meiner Freunde und ich gegen Putins Krieg auf die Straße gegangen, um zu zeigen, dass dieser Krieg nicht in unserem Namen entfacht wurde. Aber diese wichtige Reise war länger geplant, noch zu einer Zeit, als ein Krieg in der Ukraine in etwa so wahrscheinlich schien, wie ein Überfall Chinas auf Japan. Doch nun ließ auch ich mich von den etwas verzweifelt wirkenden Mitreisenden anstecken. In solchen Momenten steigen bange Fragen auf. Ob nicht jetzt auch die Landgrenzen geschlossen werden? Und was ist, wenn es plötzlich gar keinen Weg mehr aus Russland heraus gibt? Auch das Unverständnis, warum Regierungen mit solchen kurzfristigen Entscheidungen aus meiner Sicht reine Symbolpolitik betreiben, wächst. Hätte es nicht einen Weg gegeben, diese Entscheidung zumindest so zu treffen, dass Menschen die mit diesem Konflikt nichts zu tun haben, nicht in Mitleidenschaft gezogen werden?

Bildrechte: imago images/Scanpix

Russland auf dem Landweg verlassen

Gleichzeitig ließ die Luftraumschließung auch die noch vor kurzem unmögliche Option einer vollständigen Schließung der russischen Landgrenzen gar nicht mehr so unwahrscheinlich wirken. Während sich die meisten anderen Passagiere entschlossen, mit dem Zug nach Helsinki zu reisen, wollte ich keine Zeit mehr verlieren. Die am nächsten gelegene EU-Grenze bei Sankt-Petersburg ist das estnische Narwa. Dort können Fußgänger über eine Brücke aus dem russischen Iwangorod in die EU herüberlaufen. Ich setzte mich in ein Taxi, das mich innerhalb von zwei Stunden an die estnische Grenze brachte. Dort traf ich eine Frau, die es wirklich eilig hatte mit der Ausreise. Ihr tschechischer Aufenthaltstitel war nur noch einen Tag gültig. Vor wenigen Tagen wurde ihr Flug nach Prag gecancelt. Auch der Flug am Sonntag nach Wien kehrte auf halbem Wege um. Als die estnische Grenzbeamtin ein Knöpfchen drückte und die Schranke an der Passkontrolle aufgehen ließ, hat sie tief durchgeatmet.

Auch ich war erleichtert, aber gleichzeitig besorgt, weil es unklar ist, wann und wie ich wieder nach Sankt Petersburg zurückkehren kann, ob es dann noch möglich sein wird, von dort aus journalistisch zu arbeiten – und ob Russland bis dahin nicht im Chaos versinkt. Doch das ist nichts im Vergleich zu den Sorgen und Nöten, die die Menschen in der Ukraine derzeit ausstehen müssen.

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 28. Februar 2022 | 19:30 Uhr