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SlowakeiBetuchte Slowaken ziehen nach Österreich

01. Mai 2019, 11:00 Uhr

Bratislava boomt und die Mieten steigen. Ebenso die Preise für Eigenheime und Eigentumswohnungen. Viele gut verdienende Einwohner der slowakischen Hauptstadt ziehen deshalb fort - in grenznahe Gemeinden in Österreich. Dort ist es beschaulich und die pulsierende slowakische Metropole dennoch nur zehn Autominuten entfernt.

Bezahlbare Wohnungen gibt es in der slowakischen Hauptstadt Bratislava kaum noch. Der Wohnungsmarkt ist wie leergefegt. Und wenn doch einmal eine Mietwohnung im Angebot ist, wird sie umgehend wieder vermietet. 60 Quadratmeter kosten derzeit rund 750 Euro. Wer sich dagegen eine Wohnung kaufen will, muss dafür um die 3.000 Euro pro Quadratmeter bezahlen. Praktisch unbezahlbar bei einem Durchschnittseinkommen von etwas über 1.000 Euro in der slowakischen Hauptstadt. "Wenn sich die Leute in Bratislava eine Wohnung kaufen, verschulden sie sich für ihr ganzes Leben, wenigstens aber für 30 Jahre", erzählt die Immobilienmaklerin Beata Farkasová. "In Bratislava sind die Löhne zwar etwas höher, aber trotzdem: Wenn man sich im Zentrum eine Wohnung mieten oder kaufen will, dann müssen mindestens zwei Verdiener dafür zusammenlegen, manche Mieter teilen sich die Wohnung sogar zu dritt, je nachdem, was der Vermieter erlaubt."

Umziehen nach Österreich

Bratislava boomt und viele betuchte Slowaken zieht es deswegen in grenznahe Gemeinden im benachbarten Österreich. In gut zehn Autominuten ist man ist auf dem stillen Land und der Trubel der slowakischen Metropole weit weg. Einst endete hier, am Eisernen Vorhang, die Welt. Jetzt wird eine Eigenheimsiedlung nach der anderen hochgezogen - und zwar fast ausschließlich für Slowaken.

Skyline von Bratislava Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nähe zu Bratislava

Tomáš Marek ist einer von ihnen. Er sucht nach einem etwas größeren Haus für seine Familie. Marek ist Finanzberater und kann sich wie mittlerweile viele Slowaken das Leben in Österreich locker leisten. "Natürlich sind die Immobilien hier in der Randlage günstiger als im Zentrum von Bratislava", sagt er. Die Immobilienmaklerin Ildikó Lörintzy hat in der Gemeinde Kittsee bereits ein Haus für die Mareks im Auge, 150 Quadratmeter für etwa 435.000 Euro. Doch es ist nicht nur der günstige Preis, der das Objekt für Slowaken wie Tomáš Marek so interessant macht. "Den Slowaken geht es vor allem auch um die Nähe zu Bratislava. Bis ins Stadtzentrum sind es von hier nur etwas mehr als zehn Minuten und Infrastruktur und Verkehrsanbindung sind sehr gut. Und so besteht großes Interesse an Häusern und Wohnungen."

Traum vom eigenen Häuschen mit Garten

Familie Sloboda hat sich bereits 2013 in Kittsee den Traum vom eigenen Häuschen mit Garten erfüllt. Soňa Sloboda arbeitet als Lehrerin in Bratislava, ihr Ehemann Martin ist Unternehmer im Tourismusbereich. Und beide sind jetzt Neu-Österreicher. Vor allem der moderate Preis für ihr Haus hat sie damals davon überzeugt, nach Österreich umzuziehen. Da nehmen sie es auch in Kauf, dass Kittsee "das Ende der Welt" sei im Vergleich zur pulsierenden Metropole Bratislava.

Familie Sloboda im eigenen Häuschen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Das Ländliche geht mehr und mehr verloren"

Die Kittseer lebten einstmals ganz allein am Ende der Welt. Viele Alteingesessene haben kein Problem mit den Slowaken an sich, jedoch mit dem rasanten Wachstum der Gemeinde. Der Kittseer Gerhard Heiret erzählt, dass sich Fremde früher allerhöchstens zur Marillenernte in diese Region verirrten. "Das Ländliche geht mehr und mehr verloren", beklagt er. "Und Integration ist natürlich sehr schwierig, wenn man mit 1.900 Kittseern 1.500 Slowaken integrieren will. Es funktioniert, aber es geht langsam."

Integration durch Sport

Es funktioniere richtig gut, meint man jedoch im ortsansässigen Fußballclub, in dem auch Heinrich, der Sohn der Familie Sloboda kickt. Auf diese Weise beteiligen sich die Slowaken am Dorfleben. Und so wächst Kittsee dann doch irgendwie zusammen. "Sport ist ein Weg zur Integration", meint Mutter Soňa Sloboda. "Ich denke, dass die Generation unserer Kinder über Integration gar nicht mehr reden wird." In anderen Gemeinden in Österreich müssen Kindermannschaften geschlossen werden. In Kittsee hat Trainer Roland Dau keine Nachwuchssorgen, im Gegenteil. Er hat sogar zwei Kindermannschaften. Wie viele slowakische Kinder in den Teams spielen, weiß er nicht einmal. Das sei auch überhaupt kein Thema mehr. "Natürlich ist es ein riesiger Vorteil für uns, weil viel mehr Kinder da sind, sehr viel talentierte sogar. Der Verein ist enorm gewachsen", erzählt Dau. "Und das ist letztendlich nicht nur ein Vorteil für den Verein, sondern vor allem auch für die Gemeinde." 

Fußballtrainer Roland Dau Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Europa wächst in Kittsee zusammen

So wachse Europa im Kleinen in Kittsee doch recht spielerisch zusammen, meint Soňa Sloboda. Und eine Grenze, die einstmals ein Eiserner Vorhang war, der Welten voneinander trennte, sei hier, zwischen Österreich und der Slowakei, kaum mehr zu bemerken.

(D.H./S.L.)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV in "Aktuell"16.03.2019 | 19:30 Uhr