Slowenien Der Fährmann: "Früher war Europa besser"

05. Mai 2019, 06:32 Uhr

Anton Marjan Zupan fährt Touristen über den See der slowenischen Urlaubshochburg Bled. Europa, sagt er, habe es hier schon früher gegeben, unter den Habsburgern. Da seien die Leute zufriedener gewesen. Für die heutige EU hat er indes nicht viel übrig.

Flüssig löst Anton Marjan Zupan die Kette seines Boots. Es liegt am Südufer des Bleder Sees im Dorf Mlino am Steg. Das Boot trägt einen Stoff-Baldachin – blau wie Antons Pullover - und einen Schriftzug: Antonija. Da steckt sein Name drin.

Kein Wunder: Anton baut seine Boote selbst. Das Boot sagt er, sei aus Lärchenholz, ein bisschen über sieben Meter lang und für 18 Personen ausgelegt.

Ein richtiger Seebär mit Pudelmütze und Schnurrbart ist der groß gewachsene 65-Jährige. Wie ein Gondoliere taucht er im Stehen die Bootsriemen ein. Der Kollege in Venedig hat ein Paddel, Anton aber zwei. Er steuert eines der typischen Pletna- also Platt-Boote mit ihrem flachen Boden. Die transportierten früher Heu und Herde über den See.

Erinnerung an Habsburg und Tito

Mit dem Boot fängt bei Anton Europa auch schon an:

Wir haben Europa schon viel früher gehabt - unter Maria Theresia. Da waren die Leute zufriedener als jetzt mit diesem Brüssel! Glauben Sie nicht?

Anton Marjan Zupan

"In dieser Zeit haben unsere Vorfahren viel mehr bekommen als jetzt. Wir aus unserem Dorf bekamen die Servitut für das Bootfahren auf unserem See", erklärt Anton. Die Servitut, das Fährrecht, erhielt seine Familie zusammen mit gut 20 anderen im Dorf. Brachten sie Pilger zur Wallfahrtskirche auf die Insel im See, wurde ihnen auch der Zehnt erlassen.

Habsburgs Landreform im 18. Jahrhundert ist nicht die einzige Epoche, für die sich Anton begeistert:

Jugoslawien war auch schön und gut. Unter Tito hat man in Slowenien 200.000 neue Häuser gebaut!

Anton Marjan Zupan

EU-Gelder für Wallfahrtskirche - na und?

Nach zehn Minuten Fahrt legt Anton an der Mini-Insel an. Eine imposante Treppe führt steil zur Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt hinauf. 99 Stufen sind es, mit EU-Geldern saniert, weiß Anton. Doch er winkt ab:

Unsere Vorfahren haben das gebaut ohne europäisches Geld – schon im 10. Jahrhundert!

Anton Marjan Zupan

Und das hochmoderne Ruderzentrum in Sichtweite der Insel? Gefördert von der EU - lässt Anton das als Plus gelten? Nein: Da trainieren die Slowenen, aber Medaillen holen die Anderen, erinnert Anton an die WM 2011 in Bled: "Die Weltmeisterschaft hat der Ratzeburger Achter gewonnen. Aus Deutschland, ja!"

Keine Sympathie für die Europäische Union

Lachen muss er schon. Woher kommt dann seine Abneigung gegen die EU? Er sei sehr skeptisch. Warum?

Ich halte gar nichts von diesem Großeuropa – es sind zu viele Interessen! Ein kleines Land wie Slowenien ist zu schwach. Europa ist nichts für ein kleines Land.

Mit Blick auf die schneeweiße Kirche rückt der Fährmann mit der Sprache heraus:

Migranten – es funktioniert nicht. Die islamische Kultur passt nicht hierher. Wir sind katholisch.

Anton Marjan Zupan

Bled, fügt er hinzu, brauche keine Hilfe: "Wir leben immer ganz gut vom Tourismus."

Anton läuft zur Kirche hoch, zieht drinnen die Mütze vom Kopf. Er zeigt auf ein einfaches Seil mit zwei Knoten vor dem goldenen Barockaltar und greift es behutsam: "Hier ist die Glocke", sagt er. "Wir müssen drei Mal ziehen."

Läuten an der Wunschglocke

Anton läutet die berühmte Wunschglocke von 1534 und denkt versunken nach: Was er Europa wünscht? 

Ruhe ohne Krieg und ohne Proteste. Nicht so wie in Frankreich mit diesen Gelben Westen. Und Engländer müssen schnell weggehen. Passt nicht dazu.

Anton Marjan Zupan

Und was möchte er für sein Heimatland? Da zitiert Anton die Nationalhymne:

'Ne vrag, le sosed bo mejak!' Nicht Teufel, sondern Nachbar soll an den Grenzen leben.

Anton Marjan Zupan zitiert und übersetzt aus der Nationalhymne Sloweniens

Die "guten Nachbarn", präzisiert Anton, mit den Kroaten habe man Probleme gehabt. "Noch immer." Die Nachbarn streiten um eine Adria-Bucht.

Dann geht Anton Marjan Zupan zum Boot und macht es klar für die Rückfahrt. Mit seinem Sohn an Bord, der die Familientradition fortsetzt und mit den Gästen Englisch und Deutsch spricht. Im Gegensatz zur EU lässt er dem Vater nichts zu wünschen übrig.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 05:00 Uhr