EU-Ratspräsidentschaft Der Westentaschen-Orbán: Janez Janša

01. Juli 2021, 15:17 Uhr

Slowenien übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Der Ministerpräsident des Landes, Janez Janša, entwickelte sich vom Dissidenten im sozialistischen Jugoslawien zum rechtspopulistischen Hardliner im Stil Viktor Orbáns. Um seine schmale Machtbasis daheim zu erhalten, setzt er auf Spaltung und scharfe Rhetorik, übt auf kritische Medien Druck aus und will die Justiz zu seinen Gunsten umbauen. Doch im Land regt sich Widerstand und auch in der EU will man ihn nicht mehr gewähren lassen.

Janez Janša während einer PK
Schillernde Figur: Sloweniens Ministerpräsident Janez Janša Bildrechte: IMAGO / photonews.at

Seit mehr als drei Jahrzehnten bespielt er die politischen Bühne seines Landes und ist gerade zum dritten Mal Ministerpräsident: Janez Janša. Nun übernimmt Slowenien zum zweiten Mal unter seiner Führung die EU-Ratspräsidentschaft. Zum 30. Unabhängigkeitstag am 25. Juni war vielen Menschen in Slowenien jedoch nicht nur zum Feiern zumute. Seit gut einem Jahr finden jeden Freitag in Ljubljana Demonstrationen gegen Janšas Minderheitsregierung aus vier Mitte-Rechts-Parteien statt. Die Angst unter den Demonstrierenden ist groß, dass ihr Premier Slowenien weiter nach dem Vorbild von Viktor Orbáns Ungarn umbaut.

Demonstranten halten ein Banner mit der Aufschrift 'Schützt die Rechtsaatlichkeit in Slowenien'.
"Schützt den Rechtstaat in Slowenien" - Demonstranten in der Hauptstadt Ljubljana. Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Vom Dissidenten zum Rechtspopulisten

Seine politische Karriere begann der heute 62-Jährige Janša noch in Jugoslawien, für seine Kritik am sozialistischen System ging er 1988 ins Gefängnis. Drei Jahre später führte er Slowenien als Verteidigungsminister der ersten demokratisch gewählten Regierung zunächst in den 10-Tage-Krieg und damit schließlich in die Unabhängigkeit. Deshalb gilt er für seine Anhänger auch heute noch vor allem als Held dieser Zeit. Dass seine zweite Amtszeit als Ministerpräsident 2013 wegen Korruptionsvorwürfen endete, blenden sie lieber aus.

Die tiefe Spaltung Sloweniens verläuft heute vor allem zwischen Janšas rechtsnationalem Lager auf der einen Seite und der Zivilgesellschaft, der Justiz sowie politisch Liberalen und Linken auf der anderen. Vor allem kritische Medien, die nicht unter Janšas Einfluss stehen, geraten unter Druck. Das weiß man auch beim Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig, das im März 2021 gemeinsam mit anderen Organisationen einen offenen Brief an die Vorsitzende der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gerichtet hat: "Wir glauben dass die wiederholte Verunglimpfung von Journalisten, kombiniert mit den Versuchen der herrschenden Partei, größere Kontrolle über die öffentliche Rundfunkanstalt auszuüben, ein zunehmend feindliches Klima für kritische Berichterstattung schafft, die ihre fundamentale Rolle des kritischen Hinterfragens der Regierung wahrnimmt."

Viktor Mihály Orbán,  Ministerpräsident von Ungarn
Ein Vorbild für Janša? Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Bildrechte: imago/Belga

Neben den Angriffen auf die Presse setzte der Regierungschef seit 2020 reihenweise Personal in Justiz und öffentlichen Institutionen ab und tauschte es gegen politisch genehmere Figuren aus. So widerstrebten ihm auch die beiden slowenischen Kandidaten, für die neu geschaffene Europäische Staatsanwaltschaft EUStA, die gegen Subventionsbetrug ermittelt. Beide nominierten Staatsanwälte waren an früheren Ermittlungen gegen Janša beteiligt, in denen um sein Vermögen ging. Kurzerhand kassierte er ihre Ernennung, ohne bisher neue Vorschläge einzubringen.

Unterstützung von Orbán und einem Viertel der Wähler

Janša orientiert sich stark an seinem politischen Freund Viktor Orbán. Dessen Geschäftsfreunde aus Ungarn wiederum unterstützen in Slowenien Janša-nahe Medien. Bei den letzten Parlamentswahlen 2018 erhielt Janšas rechtskonservative SDS (Demokratische Partei Sloweniens) allerdings nur 25 Prozent der Stimmen, nur in seinem Heimatwahlkreis Grosuplje waren es 40 Prozent.

So kam 2018 zuerst auch keine Koalition mit Janša als Regierungschef zustande. Dann scheiterte Anfang 2020 die damalige Mitte-Links-Regierung unter Marjan Šarec und Janša übernahm mit seinem Mitte-Rechts-Bündnis. Doch ist die Regierung kaum handlungsfähig und überstand ein Misstrauensvotum im Mai nur knapp.

Janšas Wählerinnen und Wähler, so der Politologe Marko Lovec aus Ljubljana, stammen insgesamt eher aus dem ländlichen Raum und seien eher weniger gebildet als der Durchschnitt. Vor allem aber halten sie seit den 1990er Jahren zu ihm, müssten vor Wahlen kaum für Janšas semi-autoritären Kurs mobilisiert werden. Da seine Machtbasis aber sehr schmal ist, brauche der Regierungschef die Polarisierung, um politisch zu überleben, so Lovec. Deswegen wiederhole Janša auch so vehement, dass Kräfte von innerhalb und außerhalb Sloweniens das nationale Interesse des Landes gefährdeten, erklärt Lovec. Wenn er mediale Kritik an sich und seinem Regierungshandeln regelmäßig als Lügen bezeichnet, Journalistinnen als Prostituierte und die staatliche Nachrichtenagentur als Schande, dann ist Janša wohl nicht an Ausgleich gelegen.

Janez Janša
Auf internationalem Parkett: Slowenien hat von Juli bis Dezember die EU-Ratspräsidentschaft inne. Bildrechte: IMAGO / Belga

Konfrontationen mit der EU

Nun sorgt man sich offenbar auch in der EU. Eine Anhörung Janšas im Europäischen Parlament zur Pressefreiheit in Slowenien endete im März in einem Eklat: In der Sitzung bestand er darauf, ein Video abspielen zu lassen, was die Vorsitzende mit dem Verweis darauf, dass das nicht üblich sei, verweigerte. Daraufhin stieg Janša aus der Videositzung aus und sprach später auf Twitter von Zensur. In Brüssel weiß man außerdem sehr gut, dass Janša Viktor Orbáns Modell der "illiberalen Demokratie" anhängt. Das zeigte sich vorige Woche, als der ungarische Regierungschef auf einem EU-Treffen für seine homophobe Gesetzgebung von den meisten Anwesenden scharf kritisiert wurde - und lediglich von Polen und Slowenien etwas Rückendeckung erhielt. Der Politologe Marko Lovec vermutet daher: "Es besteht ein Risiko, dass sich während Sloweniens Ratspräsidentschaft der europäische Druck gegen Orbán auch gegen Janša wendet". Aus dem Windschatten Orbáns könnte also für Janez Janša auch ein Gegenwind werden.

Fern der großen Politik: Warum es sich lohnt nach Slowenien zu reisen

Alpen: Wandern in den Bergen oder zum Raften auf dem blaugrün leuchtenden Gebirgsfluss Soča, über allem der höchste Gipfel Sloweniens, der Triglav (2864 m).
Adria: Die 50 Kilometer lange Küste lädt ein mit venezianisch geprägtem Städtchen wie Piran und den Salinen von Sečovlje mit traditioneller Salzgewinnung aus dem Meer.
Slowenischer Karst nahe der italienischen Grenze: Für die Höhle von Postojna, die Höhlenburg von Predjama und das Lipizzanergestüt in Lipica.
Die Städte:
Ljubljana
– 300.000 Einwohner-Hauptstadt mit barocken Fassaden, Arkaden und Kirchen im Zentrum, sowie markanten Spuren moderner Architektur vom Baumeister Jože Plečnik wie der Nationalbibliothek.
Maribor – Zentrum der Region Südsteiermark am Fluss Drava mit herausragender Weintradition und einer 400-jährigen Weinrebe an einem Altstadthaus.

Aktuelle Reisehinweise für Slowenien in der Corona-Pandemie von der Deutschen Botschaft in Ljubljana: https://laibach.diplo.de/si-de/service/-/2312802

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 11. August 2020 | 13:11 Uhr

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