Russland, 07.06.2018 TV-Show: Putins Sprechstunde

Einmal im Jahr stellt sich Russlands Präsident Putin seinen Bürgern - in der TV-Show "Der direkte Draht". Stundenlang dürfen die dann fragen, klagen, bitten. Und Putin kann sich als Macher inszenieren, als der Gute, der für alle Probleme eine Lösung hat. So auch an diesem Donnerstag wieder.

Wladimir Putin während der TV-Show Direkter Draht
Wladimir Putin während der TV-Show "Direkter Draht" in Moskau, 2016 Bildrechte: IMAGO

Eigentlich dürfte es diesmal ein leichtes Spiel werden für Wladimir Putin. Er ist wieder frisch im Amt vereidigt. Und die Fußball-WM steht vor der Tür - im eigenen Land. Auch das wird der Kremlchef als seinen Verdienst verkaufen. Er, der Macher, der Russland wieder zu Größe verholfen hat. Er, der alle Missstände im Land beseitig, eigenhändig, der hilft, wo er nur kann in dem großen Land, so präsentiert sich der Kremlchef gern.

"Der nächste bitte" - Sprechstunde bei Putin

"Der direkte Draht" ist der Höhepunkt dieser Inszenierung. Fast vier Stunden dauerte die Veranstaltung im vergangenen Jahr. Mehr als zwei Millionen Fragen waren per Telefon, SMS, Videobotschaft oder Brief eingegangen. Fast 70 Fragen hatte der Präsident am Ende beantwortet.

Es ging viel um die Alltagssorgen der Russen. Um diese zum Beispiel: Anwohner aus einer Stadt bei Moskau klagten über den permanenten fauligen Gestank einer riesigen Müllhalde, auf der der Abfall der Hauptstadt landete. Putin versprach Abhilfe - live im Fernsehen, vor Millionen Zuschauern. Ein paar Tage später wurde die Deponie geschlossen - wieder nachrichtenträchtig. Tatsächlich wird der Müll seither einfach in andere Städte gebracht. An dieses Thema wird Putin wohl nochmal ran müssen: Jetzt gibt es dort Proteste.

Wirtschaft zieht nur langsam wieder an

Ein Dauerbrenner ist auch die Wirtschaftslage. 2015 beruhigte der Kremlchef seine Landsleute noch: In zwei Jahren werde die heimische Wirtschaft wieder wachsen. Sanktionen des Westens wegen des Ukraine-Krieges und der Annexion der Krim 2014 hatten den Rubelkurs und die Kaufkraft der Russen auf ein historisches Tief gedrückt. Tatsächlich zieht Russlands Wirtschaft nur langsam wieder an, im vergangenen Jahr um rund 1,5 Prozent. Das Einkommen der Russen liege allerdings noch immer deutlich unter dem Niveau von 2013, meldete unlängst die OECD.

Holprige Straßen in Russland

Noch so ein ewiges Thema in Russland: die schlechten Straßen. 2016 meldete sich eine Frau aus Omsk, Sibirien, in der Sendung und beschwerte sich über Schlaglöcher überall in der Millionenstadt, die Autos gingen kaputt. Putin sicherte Abhilfe zu. Noch während der Sendung konnte die Moderatorin die Nachricht aus Omsk verkünden: Die Verwaltung wolle die Straßen in den nächsten Wochen in Ordnung bringen. Nicht immer funktioniert die Sendung derart gut als Ventil für angestauten Frust.

Auch Gebiets-Gouverneure und Regierungsmitglieder dazugeschaltet

In diesem Jahr soll es vermutlich auch deshalb eine Neuerung geben: Erstmals sollen die Gebiets-Gouverneure und Regierungsmitglieder live zugeschaltet werden, heißt es zumindest aus informierten Politikkreisen - für den Fall, dass Putin sie wegen der Klagen der Bürger ins Gebet nehmen oder gar rügen muss.

Live-Schalte auf Krim-Brücke

Neu in diesem Jahr auch: Es wird wohl eine Live-Übertragung zur Krim-Brücke geben, berichten russische Medien. Russlands einzige Landverbindung zu der 2014 annektierten ukrainische Halbinsel war erst Anfang Mai eröffnet worden – vom Präsidenten höchst persönlich.

Osteuropa

Blick auf die Krim Brücke
Russland eröffnet heute feierlich seine Brücke zur Krim. Eine wichtige Verbindung, denn nach der Annexion der Halbinsel 2014 führt der einzige Landweg zur Krim durch die Ukraine. Und der ist Russland versperrt.
Etwa 19 Kilometer ist die neue Brücke lang - und damit die längste Brücke in Europa. Den bisherigen Längenrekord hielt die Brücke "Ponte Vasco da Gama" in Portugal mit gut 17 Kilometern.
Bildrechte: Infozentr Krymskii Most

Rückblick: TV-Show "Direkter Draht"

Die Sendung "Direkter Draht" lief 2001 zum ersten Mal. Und selbst als Putin 2008 für ein paar Jahre auf den Posten des Ministerpräsidenten wechselte, lief das Format weiter, nur unter dem Titel "Gespräch mit Wladimir Putin". Im Jahr 2012 allerdings fiel die Show aus. Wohl wegen der Proteststimmung in der Bevölkerung, unkten russische Medien damals. Der Vorwurf, die Präsidentenwahl von 2011 sei gefälscht und Putins Ankündigung, wieder in den Kreml zurückzukehren, hatten bei vielen Russen für Frust und Wut gesorgt. Allein in Moskau waren immer wieder Zehntausende mitten im Zentrum auf die Straßen gegangen. Das hatte es unter Putins Führung zuvor noch nie gegeben.

(mare)

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 15.06.2017 | 19:29 Uhr

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