Visualisierung eines Denkmals in Budapest
Trianon-Denkmal in Budapest - visualisiert von den Architekten des Imre-Steindl-Programmes. Bildrechte: Steindl Imre

Trianon Gedenktag Ein Denkmal in Ungarn sorgt für Ärger

04. Juni 2019, 16:04 Uhr

Heute vor 99 Jahren Jahren wurde das Ende des Ersten Weltkrieges mit den Pariser Vorortverträgen besiegelt. In Ungarn wird mit den Gebietsverlusten von damals heute noch Politik gemacht – sehr zum Leidwesen der europäischen Nachbarn.

Ein aktuelles Bauprojekt in Ungarn erregt zurzeit die Gemüter der Hauptstadt: 100 Meter lang und vier Meter breit soll die "Mega-Rampe" in Budapest werden. Das "Denkmal der nationalen Einheit" der Regierung soll daran erinnern wie groß Ungarn einmal war. In die Mauern der unterirdisch verlaufenden Rampe sollen mehr als 12.500 Ortsnamen des Königreichs Ungarn gemäß dem Stand von 1913 eingemeißelt werden. Und damit auch jene, die heute nicht mehr in Ungarn liegen und auch nie mehrheitlich von Ungarn besiedelt waren. Das Monument soll rechtzeitig zum hundertsten Jahrestag von Trianon am 4. Juni 2020 fertig werden. Es wird umgerechnet rund 16 Millionen Euro kosten. Seit Mai wird gebaut.

Vertrag von Trianon

Visualisierung eines Denkmals in Budapest
Das Denkmal wird die Namen aller Ortschaften aufzählen, die einst zu Ungarn gehörten. Bildrechte: Steindl Imre

Und der Hintergrund zum Denkmal ist kaum zu glauben: Ein Vertrag, der 100 Jahre alt ist, beschäftigt Ungarn noch heute innen- wie auch außenpolitisch. Mit dem Vertrag von Trianon vom 4. Juni 1920 endete der Erste Weltkrieg auch formal. Ungarn verlor rund zwei Drittel seines damaligen Territoriums unter anderem an Österreich, die Slowakei und Rumänien und damit einen großen Teil seiner Bevölkerung. Diese bestand zwar mehrheitlich nicht aus Ungarn, dennoch fanden nach Vertragsunterzeichnung rund drei Millionen Menschen mit ungarischer Muttersprache plötzlich im Ausland wieder. Viele davon direkt auf der anderen Seite der Grenze. Das Denkmal soll nun an genau diese Territorien des Königreich Ungarn erinnern.

Große Kritik am Bauwerk

Viele Intellektuelle, etwa der Philosoph Gaspár Miklós Tamás, sehen im Bau des Denkmals eine massive Provokation der Nachbarstaaten. Der Publizist Tamás Bauer nannte die Rampe deshalb gar einen "politischen Skandal". 
Derweil sieht Tamás Wachsler, der Chef des Imre-Steindl-Programmes, das für die Baudurchführung zuständig ist, keinen Anlass, die Pläne der Regierung öffentlich zu debattieren: Das Wichtigste sei ein positives Ergebnis, einen fruchtlosen Streit gelte es zu vermeiden, ließ er im ungarischen Sender Klubradio wissen. Die Regierung habe über die Grundgestaltung des Denkmals entschieden, eine Ausschreibung sei deshalb nicht nötig gewesen.

Trianon als symbolisches Thema

Die Regierung Orbán führte direkt nach ihrem Amtsantritt 2010 einen Trianon-Gedenktag ein und schrieb die Verantwortung des ungarischen Staates für die ethnischen Ungarn im Ausland in der Verfassung fest. Das "Denkmal der nationalen Einheit" wird sich damit in eine Vielzahl von Trianon-Denkmälern einreihen, die bereits in die vergangenen Jahren in Ungarn entstanden sind. Kritiker sehen das als übertriebenen Nationalismus: Die ungarische Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky sieht das als einen Ausdruck einer völkisch-rassistischen Vorstellung von Nation.

Neue Grenzen wird kaum gefordert

Eine Korrektur der Grenzen fordert in Ungarn allerdings kein ernst zu nehmender Politiker. So wird die Erinnerung an die Verluste von Trianon vor allem als "Parole für einen Nationalismus von heute" genutzt, wie es der britische Guardian nennt, und auch dafür, Orbáns Anti-Migrationspolitik zu legitimieren.

Ärger mit den Nachbarstaaten

2010 wurde nach Orbáns Amtseintritt auch das Staatsbürgerschaftsrecht reformiert. Und das hat für ganz konkreten Ärger mit den Nachbarstaaten gesorgt. Denn die Gesetzesnovelle erleichtert es den ungarischen Minderheiten in diesen Ländern, die ungarische Staatsbürgerschaft anzunehmen, ohne ihre bisherige aufzugeben. Das führte mit manchen Nachbarn zu  massiven diplomatischen Verstimmungen – etwa in der Ukraine, wo in der Region Transkarpatien etwa 150.000 ethnische Ungarn leben. Denn die Ukraine lässt keine doppelten Staatsbürgerschaften zu, was die ungarischen Behörden aber nicht daran hinderte, ungarische Pässe auszugeben. Kiew reagierte ungehalten und unterstellte Budapest, es würde sich in der Region benehmen "als sei das ungarisches Staatsgebiet".

"Todesliste" ungarischer Staatsbürger

Als dann auch noch herauskam, dass die frisch gebackenen Ungarn von den Mitarbeitern eines Konsulats in der Westukraine angewiesen wurden, ihre ungarische Staatsbürgerschaft vor den ukrainischen Behörden geheim zu halten, eskalierte der Konflikt. Die Ukraine wies den zuständigen ungarischen Konsul aus, Ungarn reagierte seinerseits mit der Ausweisung eines ukrainischen Konsuls. Kurz zuvor war außerdem im Internet eine von ukrainischen Rechtsextremisten erstellte "Todesliste" aufgetaucht, die hunderte Ungarn mit doppelter Staatsbürgerschaft auflistet.

Umgang mit ungarischer Minderheit

Der Umgang mit der ungarischen Minderheit, ist immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten zwischen den beiden Ländern. So hatte ein Bildungsgesetz von 2017 für diplomatische Spannungen gesorgt. Darin schreibt Kiew Ukrainisch als verpflichtende Unterrichtssprache fest, Budapest sieht dies als Einschränkung der ungarischen Minderheitenrechte. Was die Regierungen in der Ukraine oder den anderen Nachbarstaaten von den Plänen für das neue Trianon-Denkmal halten, ist derweil noch nicht bekannt. 

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: Brisant | 28.01.2017 | 17:10 Uhr

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