Tschechien Landwirt auf dem zweiten Bildungsweg

22. April 2019, 21:00 Uhr

Miloslav Puchta war Jurist. Nach dem Ende seiner beruflichen Karriere baut er jetzt im bayerisch-böhmischen Grenzland einen Biohof auf – und pflanzt, auch mit Unterstützung aus Strukturfonds' der EU, wieder alte, regionale Obstsorten an und züchtet alte Rinder- und Schweinerassen.

Die morgendliche Runde gehört zu den festen Ritualen von Miloslav Puchta. In den ersten Sonnenstrahlen des Tages leuchten die Hügel des Böhmerwalds, Puchta läuft mit festen Schritten zu seiner Weide, auf der  Kühe grasen. "Wir schauen mal, ob hier über Nacht ein Kalb auf die Welt gekommen ist", ruft er: "Ah, es sieht nicht so aus. Die Kälber, die Sie da vorne sehen, stammen aus den letzten Tagen: Vorgestern wurden drei geboren, gestern eins."

Hobby mit 50 - Bauer werden

Ein großes, zweistöckiges Bauernhaus mit viel Holzverkleidung steht an einem Waldrand
Bauernhaus im böhmisch-bayerischen Grenzland Bildrechte: Kilian Kirchgeßner

Miloslav Puchta ist 68 Jahre alt, er trägt einen Hut auf dem Kopf und eine rahmenlose Brille, er ist Bauer auf dem zweiten Bildungsweg, wie er lachend sagt: Eigentlich sei er Jurist und habe Karriere gemacht, bevor er nach seinem 50. Geburtstag den Bauernhof kaufte. Nach und nach hat er ihn renoviert und immer neue Felder dazugekauft. Er frage viel und lese sich viel an, erklärt er.

Aber oft gehen wir den Weg von Versuch und Irrtum. Bei der Landwirtschaft ist es ja leider so, dass man immer ein Jahr warten muss, bis man seine Erfahrungen anwenden kann.

Miloslav Puchta
Eine Herde Kühe steht auf einer schlammigen Fläche am Fuße eines kleinen Hügels
Kühe gehören zum Hof des Hobby-Landwirts Bildrechte: Kilian Kirchgeßner

Seinen Bauernhof betrachtet Puchta als Hobby. Mit seiner Frau pflanzt er Obstbaum-Sorten an, die schon fast ausgestorben sind, und hält alte Viehrassen. "Wir machen das zu unserer Freude – ein Gutshof mit allem Drum und Dran, so wie es früher war. Hier soll von allem etwas sein: Wir haben Kühe, Pferde, Schafe, Schweine, wir haben Fische und Bienen – was Sie sich nur vorstellen können, das haben wir hier."

EU-Subventionen waren auch ein Grund

Ein Mann schaut sich die Honigrahmen eines Bienenstocks an
Auch Bienen hält sich Miloslav Puchta Bildrechte: Kilian Kirchgeßner

Puchta geht weiter, morgens umrundet er seinen ganzen Hof, schaut überall nach dem Rechten und verteilt die Aufgaben für den Tag. Mit ihrem ungewöhnlichen Hobby haben Miloslav Puchta und seine Frau Hana im Jahr 2003 angefangen – unmittelbar, bevor Tschechien in die Europäische Union gekommen ist. Von Anfang an bezog er Agrarsubventionen.

Das ist einer der Gründe, warum wir damit angefangen haben. Die Subventionen waren von vornherein eingeplant.

Miloslav Puchta

Ohne Geld von der EU, sagt er, könne man heute nirgendwo in Europa mehr Landwirtschaft betreiben.

Bauern sehen auch Nachteile in der EU

Nachteile sieht er aber auch: "Als Tschechien der EU beigetreten ist, hatte Westeuropa Angst, dass wir als neue Länder zur Konkurrenz werden. Deshalb hat man uns gezwungen, so viel Fläche wie möglich mit Gras zu bepflanzen statt mit Getreide." Natürlich würden sie einen nicht direkt zwingen, das gehe über die Finanzen, nach dem Prinzip: Wer Geld will, macht keinen Acker, sondern Grasfläche.

Nicht immer ist die EU schuld

Langsam will Puchta jetzt aber wieder zurück und zumindest auf einigen Feldern Getreide anbauen – die Regeln, sagt er, seien zuletzt gelockert worden. Die EU bedeute für ihn und die anderen Landwirte jede Menge Bürokratie. Aber das, schiebt er hinterher, sei nicht die Schuld von Brüssel:

Es ist zwar Geld von der EU, aber die Bedingungen werden oft vom tschechischen Ministerium vorgegeben, das setzen die hiesigen Beamten durch.

Miloslav Puchta

Genau deshalb sei er froh, dass Tschechien in der Europäischen Union ist: Sie sei eine Art Korrektiv für die nationale Politik; eine unabhängige Instanz. Außerdem gehöre Tschechien schlicht zu Europa. Für ihn, sagt Miloslav Puchta dann, gehörten Europa und die offenen Grenzen längst zum Alltag: Jeden Morgen fährt er in den nächstgelegenen bayerischen Ort, der von seinem Hof aus 15 Kilometer entfernt ist – seine Enkel gehen dort in den Kindergarten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 09:00 Uhr