Krieg in der Ukraine Sowjetische Ehrenmale in Deutschland abreißen?

12. Mai 2022, 05:00 Uhr

Ehren- und Denkmale für die Soldaten der Roten Armee, die Hitlerdeutschland besiegten, standen am 8. und 9. Mai im Mittelpunkt. Schon seit Wochen gibt es in mehreren Orten Forderungen, Denkmäler zu entfernen. Eine öffentliche Diskussion, die angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine, sehr kontrovers geführt wird.

Die Soldaten der sowjetischen Armee haben geholfen, Deutschland vom Nationalsozialismus und Adolf Hitler zu befreien und den Zweiten Weltkrieg zu beenden. Dafür sind viele Ehren- und Denkmäler in Deutschland errichtet worden. Doch diese sind seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine umstritten – auch in Ostdeutschland.

So fordern FDP-Politiker, dass das sowjetische Ehrenmal auf dem Olbrichtplatz in Dresden umgesetzt werden soll. "Vor dem Hintergrund, dass die sowjetischen Truppen auch eingesetzt wurden, um 1953 den Volksaufstand [in der DDR] niederzuschlagen und ´68 in Prag zu intervenieren, ist schon es fraglich", sagt Stefan Scharf (FDP). Putin habe erst die Erste Gardepanzerarmee wieder neu aufgestellt und diese sei nun bei Charkiw in der Ukraine eingesetzt. "Deswegen muss man sich schon die Frage gefallen lassen, ob das Denkmal noch zeitgemäß ist."

In Dresden war die Erste Gardepanzerarmee als Teil der sowjetischen Streitkräfte in der DDR stationiert. Diese Elitetruppe wurde vor einigen Jahren neu aufgestellt und agiert jetzt als Teil der russischen Besatzungsarmee in der Ukraine, unter anderem bei den mörderischen Angriffen auf Charkiw. 

Das Denkmal in Dresden ist das erste seiner Art in der damaligen DDR gewesen und wurde bereits 1945 in der Alberstadt errichtet.  Eine Inschrift in russischer Sprache lautet: "Ewiger Ruhm den Kämpfern der Roten Armee, die in den Kämpfen gegen die deutschen faschistischen Eroberer für die Freiheit und Unabhängigkeit der sowjetischen Heimat gefallen sind."

Berlin: Gedenken an Befreiung belastet?

Die Ehren- und Denkmale haben deutschlandweit eine hohe Symbolkraft. Am 8. und 9. Mai gedenken zahlreiche Menschen jedes Jahr an das Ende des Zweiten Weltkrieges. 80.000 Rotarmisten – Russen, Ukrainer, Georgier, Tataren und andere starben bei der Befreiung Berlins vor 77 Jahren. 7.000 von ihnen sind im Treptower Park bestattet, in den Grabfeldern rings um das riesige Ehrenmal. Doch in diesem Jahr überschattet der Krieg in der Ukraine das Gedenken.

"Dieses Ehrenmal ist so symbolhaft. Allerdings eben belastet durch diesen fürchterlichen Krieg", sagt Ellen Händler von Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Sie kommt jedes Jahr in den Treptower Park. "Wir wollen, dass dies im Moment hier nicht stattfindet, dass hier Ruhe ist. Wir sind auf dem Friedhof." Um Konflikte zu vermeiden, verbot die Berliner Polizei das Zeigen von Fahnen und das Tragen von militärischen Zeichen und Uniformen im Umfeld der Gedenkstätten.

Auch Egon Krenz, letzter Staatschef der DDR, hat die verstorbenen Rotarmisten im Treptower Park am Sonntag geehrt. Auf die Frage, ob der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dieses Gedenken beeinflussen würde, antwortet er nur ausweichend: "Lassen Sie mir diesen Tag als Tag des Gedenkens in meinem Herzen haben." Ganz ähnlich sehen es auch viele weitere Besucher: Die Sowjetarmee war der ruhmreiche Befreier vom Faschismus. Deshalb sei sie zu ehren und das heutige Russland bewahre allein dieses Erbe und stehe in dieser Tradition.

Erinnerung an die vielen ukrainischen Opfer heute und damals?

Ganz anders sehen es die Ukrainer in der Markthalle in Berlin Kreuzberg. Für sie geht es an diesem Tag um Solidarität und Erinnerung. Um Solidarität mit den Opfern des aktuellen russischen Krieges gegen die Ukraine und die Erinnerung an die vielen auch ukrainischen Toten im Zweiten Weltkrieg.

Die werden von den Deutschen oft vergessen, kritisieren Aktivistinnen. "Oft ist es meine persönliche Wahrnehmung: Sowjetunion wird mit Russland gleichgesetzt", sagt Natalia Pryhornytska von der Allianz ukrainischer Organisationen. "Im Groben hat Deutschland diese Geschichtsnarrative Russlands mit übernommen", sagt Oleksandra Bienert. Russland und Putin behaupteten, dass sie den Hauptteil zum Ende des Zweiten Weltkrieges geleistet hätten "Das ist natürlich falsch."

Auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) unterstützt die ukrainischen Organisationen am Tag des Jubiläums des Kriegsendes. Es gehe vor allem darum, Konflikte zwischen Ukrainern und Russen in Berlin zu vermeiden.: "Wir wollen alles dafür tun, dass auch in dieser besonderen Situation ein würdiges Gedenken möglich ist und dass wir keine heutigen Konflikte, die ausgetragen werden, auf den Gräbern der Toten hier sehen."

Doch am Montag wehten am Ehrenmal im Treptower Park trotz Verbots russische und sowjetische Fahnen und Besucher präsentierten das Georgskreuz. Das ist ein patriotisches Militärabzeichen, dessen Tragen ebenfalls untersagt worden war. Die Polizei schaute nur zu. Einen Tag zuvor hatte die Polizei am sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten durchgegriffen: eine ukrainische Fahne wurde eingerollt, weil sie als Gefahr für die öffentliche Sicherheit bewertet worden.

Forderung nach Abbau des Ehrenmals in Dresden

Die sowjetischen Ehren- und Denkmäler – vor allem in Ostdeutschland – sind umkämpft. In Potsdam wurde ein Monument aus Protest gegen den russischen Einmarsch mit roter Farbe beschmiert. Doch während die FDP-Politiker das Ehrenmal in Dresden versetzen wollen, verteidigt es Jens Matthis von der Linkspartei "Das Denkmal ist eine Ehrung der gefallenen sowjetischen Soldatinnen und Soldaten im Zweiten Weltkrieg."  Er findet den FDP-Vorstoß absurd und "auch den Zusammenhang mit dem russisch ukrainischen Krieg vollkommen konstruiert".

Vor vier Jahren besuchte Putins nationalistische Rockertruppe, die Nachtwölfe, das Dresdner Ehrenmal. Es gehe also nicht nur ums Gedenken, so der FDP-Stadtrat und Militärhistoriker Holger Hase. Sondern auch um die Legitimierung der aktuellen russischen Politik. Und ein Sieges-Denkmal habe eine ganz klare Aussage: "Der imperiale Machtanspruch, der damit unterstrichen wird der damaligen Sowjetunion, das ist natürlich genau das Gerüst, auf dem Herr Putin momentan mit seiner imperialen Machtpolitik segelt."

Quelle: MDR Investigativ/ mpö

Dieses Thema im Programm: Das Erste | FAKT | 10. Mai 2022 | 21:45 Uhr

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