Faktencheck zu Interview mit Ukraines Botschafter Welche Fortschritte macht die Ukraine bei der Korruptionsbekämpfung?

09. Februar 2023, 20:16 Uhr

Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev sagt, sein Land habe Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption gemacht. Im Interview mit MDR AKTUELL verwies er darauf, dass ein "sehr effizientes Antikorruptionssystem" aufgebaut worden sei. In der Ukraine gebe es eine Null-Toleranz gegen Korruption. Die Aussagen im Faktencheck.

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Seit Oktober ist Oleksii Makeiev ukrainischer Botschafter in Deutschland. Bei seinem Antrittsbesuch in Sachsen am Donnerstag sagte er MDR AKTUELL: "In den letzten Jahren haben wir ein sehr effizientes Antikorruptionssystem aufgebaut. Nichtregierungsorganisationen und dieses Antikorruptionssystem nehmen alle Beamten und Regierungsvertreter unter die Lupe. Und wenn die Information dann an die Oberfläche kommt, kommt sofort eine Untersuchung."

In unserem Land, welches kämpft, wo Bürger an die Armee spenden, um Gerät einzukaufen, gibt es eine Null-Toleranz gegenüber der Korruption.

Oleksii Makeiev Ukrainischer Botschafter in Deutschland

Korruption: Auswirkungen auf Kiews Politik

Doch wie sieht es tatsächlich aus bei der Korruptionsbekämpfung in der Ukraine? Schlagzeilen machte im Januar ein mutmaßlicher Korruptionsskandal in Teilen der ukrainischen Regierung. Mehrere Vize-Minister, Gouverneure und hochrangige Beamte traten in der Folge zurück oder wurden entlassen. 

Den Ausschlag für die Entlassungswelle gab unter anderem der in Medienberichten vorgebrachte Vorwurf, das ukrainische Verteidigungsministerium habe für die Soldaten Lebensmittel zu deutlich überhöhten Preisen eingekauft. Angesichts des Skandals war auch Ukraines Verteidigungsminister Olexij Resnikow in die Kritik geraten. Resnikow selbst erklärte, er wolle seinen Platz erst räumen, wenn ihm dies von Präsident Wolodymyr Selenskyj angetragen werde. Bisher ist Resnikow im Amt geblieben.

Transparency International: Ukraine auf Platz 116

Dass Korruption in der Ukraine ein großes Problem ist, zeigt eine Rangliste der Nichtregierungsorganisation Transparency International für das Jahr 2022. Der sogenannte Korruptionswahrnehmungsindex beruht auf Befragungen und bewertet den öffentlichen Sektor. Die Ukraine lag auf Platz 116 von 180 Ländern. Im europäischen Vergleich schnitt nur Russland mit Rang 137 schlechter ab. Die Ukraine konnte sich in den vergangenen zehn Jahren insgesamt etwas verbessern, stagnierte aber zuletzt.

Transparency bescheinigt dem Land einerseits Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung. Diese seien etwa auf eine Digitalisierung der Verwaltung und neue Institutionen bei der Korruptionsbekämpfung zurückzuführen. Andererseits ist die Umsetzung von Reformen nach Einschätzung von Transparency unzureichend. Viele Strukturen seien verkrustet und einzelne Oligarchen verfügten über sehr viel Einfluss auf politische Entscheidungen.

Um die Korruption einzudämmen, wurde eine Reihe neuer Institutionen geschaffen, die auch gegen hochrangige Regierungsmitglieder vorgehen. So entstand in der Ukraine zwischen 2015 und 2019 das nationale Antikorruptionsbüro NABU, eine Strafverfolgungsbehörde. Dazu eine spezialisierte Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft und das Oberste Antikorruptionsgericht.

In einem ARD-Interview sagte Tetiana Schewtschuk vom Aktionszentrum gegen Korruption, die Ukraine sei auf dem richtigen Weg. "Jetzt [...] sehen wir, dass die wichtigsten Einrichtungen schon geschaffen sind und Ergebnisse liefern. Das System wird allmählich gesäubert. Natürlich kann man ein Land nicht von heute auf morgen verändern, aber in acht Jahren hat es in diesem Bereich große Fortschritte gegeben."

Kampf gegen Korruption Bedingung für EU-Beitritt

Nach Angaben von Transparency International könnte der angestrebte EU-Beitritt der Ukraine bei der Korruptionsbekämpfung in dem Land helfen. Denn der Punkt ist einer der Hauptforderungen der EU-Kommission und spielte wohl auch eine wichtige Rolle beim EU-Ukraine-Gipfel Anfang Februar in Kiew. Damals reiste auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in die ukrainische Hauptstadt.

Einen festen Zeitplan für Beitrittsverhandlungen gibt es aber noch nicht, derzeit hat das Land Kandidatenstatus. Um diesen nicht zu verlieren, muss das Land unter anderem in den Bereichen Korruptionsbekämpfung und Gerichtssystem Reformfortschritte vorweisen.

Ein Zusammenschluss mehrerer Nichtregierungsorganisationen, zu denen auch Transparency gehört, bescheinigte der Ukraine Fortschritte – vor allem beim Justizrat und dem neuen Mediengesetz. Keine Fortschritte gebe es hingegen bei der Entoligarchisierung und der Reform des Verfassungsgerichtshofs. 

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 09. Februar 2023 | 19:30 Uhr

46 Kommentare

Eulenspiegel am 11.02.2023

"Die Ukraine gilt als eines der korruptesten Länder in Europa."
"Die Korruptionsbekämpfung ist Bedingung für eine EU-Beitrittsperspektive."
Also ich denke da wird noch viel Wasser der Oder runter laufe bis die Ukraine EU-Mitglied ist. Denn die EU wird da ganz genau hin schauen. Da können viele Jahre vergehen.

Goldloeckchen am 11.02.2023

„da sind wohl die Sanktionen gegenüber Putin & Co. mehr als berechtigt.“

Es ist ja nicht so das Putin keinen Cent mehr bekommt er bekommt angeblich nur weniger 😂

Aber kehren wir zum Thema des Artikels zurück

👍☝️😉😂

Shantuma am 11.02.2023

Absolut richtig JanoschausLE.
Den Fehler den wir machen ist, dass wir die Souveränität eines Landes über die Souveränität der dortigen Bevölkerung stellen. Dies ist fatal, denn die Souveränität des Land fusst auf die der Bevölkerung.

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