Russland | Ukraine Dürre auf der Krim: Löst Russland das Problem militärisch?

06. August 2020, 11:52 Uhr

Nach der Krim-Annexion 2014 hatte die Ukraine der Halbinsel das Wasser abgedreht. Der Nord-Krim-Kanal ist so gut wie trocken. Mittlerweile sind Trink- und Industriewasser auf der Krim ausgesprochen knapp. Nun macht man sich in der Ukraine Sorgen wegen eines russischen Militärmanövers im Süden des Landes. Man befürchtet, dass Russland das Wasserproblem der Krim militärisch lösen könnte.

In der Ukraine wachsen die Sorgen wegen des großen Manövers der russischen Armee "Kaukasus-2020", das im Juli begonnen hat und Ende September in die heiße Phase kommt. Das Manöver findet im Süden Russlands statt, vor vier Jahren wurde "Kaukaus-2016" bereits teils auf der von Russland annektierten Krim ausgetragen. Das sollte diesmal wieder der Fall sein. Sowohl US-Vertreter wie der ehemalige Botschafter Taylor als auch die ukrainischen Offiziellen weisen auf die Möglichkeit eines militärischen Angriffs in diesem Zusammenhang hin.

Wasserproblem auf der Krim verschärft sich

"Jedes Manöver an der Grenze kann sich schnell in einen Angriff verwandeln", hieß es aus dem ukrainischen Außenministerium. Zu den möglichen Gründen zählte der stellvertretende Außenminister Bondar innenpolitische Instabilität Russlands sowie die ungelöste Frage mit den Wassenlieferungen auf die Krim. "Ich schließe es nicht aus", ließ der Kommandeur der ukrainischen Seestreitkräfte, Olexij Nejischpapa, die Frage beantworten, ob ein Angriff Russlands auf das südukrainische Bezirk Cherson ausgerechnet wegen des massiven Wasserproblems, das die Schwarzmeerhalbinsel hat, demnächst möglich wäre.

Russland-Krim-Kanal
Der Nord-Krim-Kanal: Er brachte einst Wasser aus dem Fluss Dnjepr auf die Krim. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Später wurden diese Aussagen von staatlicher Stelle ein wenig revidiert. Doch in Odessa, wo die ukrainische Flotte nach der Krim-Annexion 2014 stationiert ist, nimmt man die Möglichkeit der Zuspitzung der Lage sehr ernst. Diese Wachsamkeit hat tatsächlich mit dem Wasserproblem zu tun, welches sich in den letzten zwei Jahren durch die extreme Trockenheit noch einmal verschärft hat. Vor der Annexion wurde die Halbinsel bis zu 85 Prozent durch Wasser aus dem noch zu Sowjet-Zeiten errichteten Nord-Krim-Kanal versorgt. Nach der Annexion der Krim hat Kiew die Wasserlieferungen auf die Krim gestoppt.

Keine Lösung des Problems in Sicht

In anderen Bereichen hat Russland relativ zügig Lösungen gefunden, um die Abhängigkeit der Halbinsel von der Ukraine zu minimieren. Die Probleme mit der Stromversorgung konnten etwa durch ein Unterseekabel, die sogenannte "Energiebrücke", aus der russischen Region Kuban gelöst werden. Die logistischen Schwierigkeiten wurden durch die Errichtung der Kertsch-Brücke sowie den Ausbau des Flughafens der Krim-Hauptstadt Simferopol gelöst. Doch für eine ausreichende Wasserversorgung der Krim ist eine Lösung nicht in Sicht.

Große Trockenheit auf der Krim

Die Krim gehört zu den Regionen mit den geringsten eigenen Wassereserven Europas, was einst den Bau des Nord-Krim-Kanals überhaupt erst nötig machte. 2020 gehört nun zu den trockensten Jahren in der Geschichte der Halbinsel, die Wassereserven waren zuletzt vor 25 Jahren so knapp gewesen. Das Trinkwasser reicht zwar noch, doch die lokale Regierung rief die Bevölkerung bereits zum Sparen auf. Große Probleme haben dagegen die landwirtschaftlichen Gebiete im Nordosten der Krim, die früher fast ausschließlich mit Wasser aus dem Nord-Krim-Kanal versorgt wurden.

Ein Blick auf den ausgetrockneten Boden des Simferopol-Speichers. Kleinere Flüsse im Osten der Krim-Halbinsel sind ausgetrocknet; seit dem 10. Februar 2020 ist die Wasserversorgung der Anwohner begrenzt, wobei morgens und abends kaltes Wasser fließt und warmes Wasser nur am Wochenende zur Verfügung steht.
Ein Blick auf den ausgetrockneten Boden des Simferopol-Speichers. Kleinere Flüsse im Osten der Krim-Halbinsel sind bereits ausgetrocknet. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Nur lokale Lösungen parat

Um die Situation zu entschärfen, wurden nach der Krim-Annexion an den noch zur Sowjetzeiten gefundenen Fundorten drei Wasserinlässe gebaut, die das Wasser dann in den Nord-Krim-Kanal ableiten. Gleichzeitig passt sich die Landwirtschaft vor Ort an und wechselt auf die sogenannte Tröpfchenbewässerung, die in trockenen Ländern zum Wassersparen verwendet wird. Besonders erfolreich sind diese Versuche bisher jedoch nicht. Auch an anderen Problemorten versucht man, die Wasserreserven aus natürlichen Abflussreservoirs sowie unterirdischen Quellen aufzufüllen.

Jedenfalls geht es dabei um lokale und nicht um grundsätzliche Lösungen. Global hätte eine Wasserleitung von der südrussischen Region Kuban oder aus dem Regierungsbezirk Rostow die Ausgangslage verändern können. Allerdings ist das Projekt nicht nur teuer, in beiden genannten Regionen gibt es einfach nicht genug Wasser. "Geld ist nicht das Problem. Wir würden dieses Wasser den Menschen wegnehmen, die schon jetzt nicht genug haben", sagt Wladimir Paschtezkij, Direktor des Forschungsinstituts für Landwirtschaft der Krim. Eine andere Idee wäre der freilich sehr teure Bau einer Entsalzungsanlage in Kertsch im Osten der Krim.

Russland muss mit Kiew verhandeln

Das würde im Klartext bedeuten, dass Russland mittel- und langfristig Verhandlungen mit der Ukraine über die Wiederaufnahme der Wasserlieferungen aufnehmen muss. Dass Russland zuletzt bei den Verhandlungen bezüglich des Ostukraine-Krieges seine Wortwahl wieder verschärft und von Kiew konkrete Vorschläge in Sachen Sonderstatus für die umkämpfte Donbass-Region fordert, wird auch als Wetterhöhung im Blick auf das Wasserproblem um die Krim bewertet. Doch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will auf Kompromisse nicht eingehen. "Ich bin dagegen", zitiert Bohdan Jaremenko, Abgeordneter der Präsidentenpartei im Parlament, die Position seines Chefs.

Bedeutet das alles nun, dass ein militärischer Konflikt tatsächlich unausweichlich ist? Für rund 600 Millionen Euro eine Entsalzungsanlage in Kertsch zu errichten, sei immer noch günstiger als ein Krieg, meint man dazu lakonisch auf der Krim. Doch sollte es in den nächsten Jahren ähnlich trocken bleiben wie in diesem Jahr, wird Moskau quasi dazu gezwungen, eine dauerhafte Lösung für das Problem zu finden. Und darauf möchte man sich in Kiew schon jetzt vorbereiten.

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