Ungarn Die Pendlerin, die Miete, das Dorf und die EU
Hauptinhalt
Szonja Kostenc ist technische Kalkulatorin und pendelt seit zehn Jahren aus Sopron nach Österreich zur Arbeit. Der EU-Beitritt Ungarns hat es ihr ermöglicht, den gut bezahlten Job anzunehmen. Nun bereitet ihr ein kleines Dorf in Österreich Sorgen und mit ihm die EU.
Es ist ein kleines rundes Häuschen im Industriegebiet von Pöttelsdorf in Österreich, innen drin ist kaum mehr Platz als für zehn bis fünfzehn Leute. Vor der Tür steht ein leicht ramponierter Tannenbaum, gleich daneben ein Schild mit der Aufschrift "Imbiss". Ab und zu, wenn es schnell gehen muss, kommt auch Szonja Kostenc hierher.
EU brachte gut bezahlten Job
Die Ungarin arbeitet direkt gegenüber bei ENVIRAL. Die Firma stellt Kunststoff-Beschichtungen aller Art her und Szonja Kostenc ist dort technische Kalkulatorin.
Dafür pendelt die 40-Jährige aber jeden Tag aus ihrer ungarischen Heimatstadt Sopron insgesamt über 40 Kilometer nach Pöttelsdorf und zurück. Dass Ungarn 2004 der EU beigetreten ist, war für sie trotzdem ein Glücksfall.
Ich muss ehrlich sagen, als ich in Ungarn gearbeitet habe, hatte ich immer permanent mehrere Jobs und ich bin jetzt elf Jahre alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Vor circa zehn Jahren habe ich dann entschieden: Es ist mir einfach zu viel, in der Nacht zu arbeiten und diverse Nebenjobs zu haben, und dann habe ich entschieden, dass ich einen Job möchte, mit dem wir gut über die Runden kommen.
Immer mehr Ungarn pendeln wie Szonja Kostenc zum Arbeiten über die Grenze. Im ganzen Land sind es rund 100.000 Menschen, die das dauerhaft und im Grunde täglich machen.
Boomende Grenzregion lässt Immobilienpreise steigen
Die Grenzregion boomt also, mit allen Vor- und Nachteilen. Szonja Kostenc' einstiger Glücksfall, dass sie sich als EU-Bürgerin den Arbeitsort frei aussuchen darf, ist mittlerweile fast unumgänglich geworden: "Wir sind die letzten zehn Jahre aufs Doppelte an Einwohnern in Sopron und Umgebung gewachsen, eben weil Freizügigkeit ist."
Ein jeder zieht in unsere Region. Somit sind die Immobilienpreise auch auf ein Mehrfaches gestiegen, und da muss man auch durchkommen können. Also ein Ungar, der in Ungarn lebt, kann sich weder eine Untermiete noch eine Immobilie in Sopron leisten.
Auch wenn die Gehälter in Ungarn langsam steigen würden, glaube sie nicht, dass diese bis zu ihrer Rente an das Niveau von Österreich herankommen werden. Bis dahin wären es also noch circa 25 Jahre, in denen sie wohl weiterhin im Nachbarland arbeiten muss.
Österreichisches Dorf bremst Pendler aus
Die niedrigen Gehälter und die steigenden Immobilienpreise sind aber nur ein Problem, mit dem die Menschen in der Region zu kämpfen haben. Das andere ist die Straße von Ungarn nach Österreich. Seit 2015 ist die nämlich im kleinen Ort Schattendorf zu bestimmten Zeiten für Autos gesperrt – um die Verkehrsbelastung zu senken. Für Szonja Kostenc bedeutet das seitdem: entweder einen Umweg fahren oder jeden Abend bis 19 Uhr warten. Ihr Wunsch an die EU ist stark von dieser Erfahrung geprägt.
Einheitliches Denken und solche Gesetze erschaffen, die verpflichtend für die Einheit sind, wo nicht jeder ein Vetorecht hat, wenn es ihm gerade nicht passt und dann steht wieder alles …
Für Szonja Kostenc ist die Grenzstraße ein Beispiel dafür, dass es zwischen den EU-Mitgliedsstaaten gerade an Gemeinschaft mangele. Ihr kommt es doch stark so vor, als ob die EU zwar Vorschriften mache, aber jedes Land am Ende so entscheide, wie es wolle.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 09:00 Uhr