Ungarn Jung und desillusioniert - Abschied aus Budapest

29. April 2019, 20:33 Uhr

Réka Béndek ist Sozialarbeiterin in Budapest und auf dem Absprung. Wie so viele ihrer Generation zieht sie die Konsequenzen aus der Entwicklung in Ungarn und verlässt das Land. Nicht, ohne der EU einen Rat zu geben.

Im zweiten Bezirk von Budapest treffen wir Réka Béndek. Eigentlich gehört die 25-Jährige nicht zu den Menschen, die den Kopf in den Sand stecken, wenn es mal schwierig wird. Immerhin hat Réka Psychologie studiert und  in Paris und in ihrer Heimatstadt Budapest als Sozialarbeiterin ihr Geld verdient.

Dafür, dass sie sich in einem Zufluchtsheim um Arme und Obdachlose gekümmert hat, hat sie in Ungarn aber nur knapp 500 Euro im Monat bekommen.

Früher, sagt die überzeugte Europäerin, die darauf bestanden hat, das Interview auf Englisch zu führen, sei sie immer wieder auf die Straße gegangen. Früher sei sie sehr politisch gewesen und habe für ihre Sache links der Mitte gekämpft. Heute aber hat sie den Glauben an Veränderung ein Stück weit verloren und schüttelt allein beim Gedanken an Politik nur noch verzweifelt den Kopf, vor allem wenn sie daran denkt, wie die Regierung Orbán sich gegenüber der EU verhält.

Meiner Meinung nach ist es skandalös, es ist so respektlos. Sogar wenn ich verstehen würde, warum sie glaubten, unser Land beschützen zu müssen oder was auch immer, erlaubten sie sich zu viel. Und dann noch die Propaganda gegen die EU! Also, es ist wirklich schwer, irgendwie nett darüber zu sprechen.

Réka Béndek

Réka kannte ihr Land noch vor dem EU-Beitritt 2004. Ein Leben ohne die EU kann sie sich eigentlich nicht mehr vorstellen, schon deshalb, weil sie dank eines Erasmus-Austausch-Programms ihren italienischen Freund Andrea kennengelernt hat.

Umzug nach Barcelona

In ein paar Tagen ziehen die beiden nach Barcelona, in Ungarn ist ihnen die Zukunft zu unsicher geworden. Auch deswegen will sie für dieses Gespräch noch einmal in eines ihrer Lieblingscafés in ihrer Heimatstadt Budapest gehen. Es liegt im 2. Bezirk und befindet sich in einem alten Hochhaus mit grauer Fassade und hellbraunen Balkongeländern aus Kunststoff. Die Terrasse ist mit steinernen Blumentrögen abgegrenzt. In diesem sowjetischen Zweckbau, nicht weit weg vom Donau-Ufer, gebe es etwas typisch Ungarisches, sagt sie: stark aufgebrühten schwarzen Kaffee, serviert in einem Glas. Den gab's schon vor der EU, den gibt es während der EU - und wahrscheinlich auch danach.

Ich habe ein bisschen Angst davor, dass sie uns rausschmeißen [aus der EU]. Ich habe wirklich etwas Angst davor. Und ich habe Angst, dass wir viel besser mit Russland befreundet sein werden als mit den anderen Teilen Europas.

Réka Béndek

Für Réka ist klar, dass sie lieber in einem gemeinsamen Europa leben will, das nicht perfekt ist, als in gar keinem.

Apparat in Brüssel unverständlich

Trotzdem versteht auch sie nicht richtig, wie dieser Apparat da in Brüssel so funktioniert. Und da liegt aus ihrer Sicht auch das Problem: "Ich habe den Eindruck, dass es dort so viel Bürokratie gibt, dass manchmal die wichtigsten Punkte einfach verloren gehen. So, dass die Werte, welche die EU repräsentiert, auf diesem Weg global keinen großen Einfluss haben können.

Rékas Wunsch an die Europäische Union

Réka wünscht sich nämlich eine europäische Union, die aufsteht und weltweit für ihre Werte kämpft und aufhört, sich von Mitgliedsstaaten herumschubsen zu lassen. Wahrscheinlich würde sie so ihre Politikverdrossenheit wieder etwas ablegen. Bei der abschließenden Frage, was sie der EU gerne ins Gesicht sagen würde, wird sie dann deutlich.

Irgendwie musst du aufstehen und deinen Scheiß auf die Reihe bekommen. Das ist zwar jetzt nicht so p.c., das so zu sagen, aber du darfst es dir einfach nicht erlauben auseinanderzufallen.

Réka Béndek an die Adresse der EU

Dass es irgendwann aber einen gesamteuropäischen Staat geben könnte, davon hält sie eher wenig. Befreundete Nationalstaaten mit mehr Sinn für Gemeinschaft, das würde schon reichen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 09:00 Uhr