Ungarn Das "Wunder von Cserdi" und ein wütender Bürgermeister

22. April 2019, 21:00 Uhr

Das "Wunder von Cserdi" nennen ungarische Medien einen Ort bei Pécs in Südungarn, den ein Roma-Bürgermeister in wenigen Jahren zu einem Musterdorf gemacht hat. Vieles, was im Dorf neu entstanden ist, wurde mit Geld von der EU finanziert. Auf Brüssel ist der Bürgermeister dennoch nicht gut zu sprechen.

Rund 400 Menschen wohnen im Dorf Cserdi im Süden Ungarns, Richtung kroatische Grenze. Die ungarischen Medien nennen den Wandel dieses Dorfes seit 2006, seitdem Lászlo Bogdán hier Bürgermeister ist, das "Das Wunder von Cserdi".

Bogdán, ein großer Mann, braungebrannt mit dunkelschwarzen Haaren und Dreitagebart, ist wie die meisten Bewohner hier Roma oder, wie sie sich selbst nennen, Zigeuner.

Aus Cserdi, einem Ort mit einer Arbeitslosenquote von fast 100 Prozent und mehreren hundert Einbruch- und Diebstahlsmeldungen pro Jahr, hat er ein Vorzeigedorf gemacht. Ab und zu fährt er mit den Jugendlichen in Gefängnisse, um ihnen zu zeigen, was sie erwartet, wenn sie kriminell werden. Und die lokale Kneipe hat er schließen lassen, dafür zum Beispiel in Gewächshäuser investiert.

Wut auf die EU trotz Fördergelder

Die wurden wie vieles, was die Dorfgemeinschaft heute besitzt, mit EU-Geldern finanziert. Trotzdem: Bogdán ist  wütend auf die EU.

Die Lage der Zigeuner in Europa ist heute so, dass sich niemand um sie kümmert. Ich glaube nicht mehr daran, dass die Union, dass Europa sich wirklich für diese Frage interessiert.

László Bogdán

Egal, wo er in Europa hingehe, bekomme er mit, dass alle die Zigeunerfrage von sich wegschieben, sagt Bogdán. "Einwanderer werden priorisiert. Das ist auch überhaupt kein Problem, aber eins dürfen wir nicht vergessen: Wir leben seit 600 bis 800 Jahren hier. Wir haben es niemals geschafft. Damit möchte ich nicht sagen, dass wir Zigeuner fehlerfrei oder problemlos sind, aber das Geld ist nicht bei uns. Wir haben kein Geld und keine Macht."

Bildungsprogramme bei Roma nie wirklich angekommen

Mehr als zehn Millionen Roma leben heute in Europa. Sehr viele von ihnen in Osteuropa. 2011 hat die EU, während Ungarn die Ratspräsidentschaft inne hatte, ein Strategiepapier beschlossen, das die Situation der größten Minderheit in Europa verbessern soll. Die Mitgliedsländer werden darin aufgefordert, sich vor allem um die Bildung der Roma zu kümmern, damit diese endlich aus dem Teufelskreis der Armut heraustreten können.

Das Einzige, was sich in den letzten 30, 50, 100, 200 Jahren geändert hat, ist, dass Zigeuner jetzt auf Facebook sind und dass sie iPhones haben.

László Bogdán

Wenn es um die Bewertung und die Verallgemeinerung geht, habe sich gar nichts geändert. Es gebe vielleicht nur Dutzende, einige hundert von uns, die ein Diplom haben. Insgesamt liege der Anteil an Hochschulbildung bei den Roma bei einem Prozent.

Verbote ja - Lösungen nein

Zum Schluss will uns Bogdán unbedingt noch ein Beispiel nennen, das zeigen soll, was genau die EU aus seiner Sicht falsch macht. Früher, sagt er, gab es hier eine Schindgrube, wo die Roma verendete Tiere gelagert haben, um sie später zuzubereiten. Gesundheitsgefährdend ja, aber auch überlebensnotwendig.

Ich bin sauer auf die EU, weil sie die Schindgrube abgeschafft hat. Außerdem: Sie hat zwar die Schindgrube abgeschafft, aber nicht die Menschen aus den Tiefen der Schindgrube geholt.

László Bogdán

Dass die Europawahl an der Situation der Roma etwas ändern wird, glaubt Bogdán nicht. Er will trotzdem seine Stimme abgeben, damit die schlechten ungarischen Politiker in Brüssel landen. Dort, meint Bógdan, könnten die sich dann um sich selbst kümmern. Soviel halte er mittlerweile von der EU.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 09:00 Uhr