Belgrad, 25.01.2019 Holocaust-Überlebender Ivan Ivanji erhält Thüringer Verdienstorden

28. Januar 2019, 09:48 Uhr

Ministerpräsident Bodo Ramelow hat in Belgrad den Thüringer Verdienstorden an den serbischen Schriftsteller und Holocaust-Überlebenden Ivan Ivanji überreicht. Der heute 90-Jährige war als Teenager unter anderem im KZ Buchenwald inhaftiert.

Bodo Ramelow und Ivan Ivanji
Der serbische Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Ivan Ivanji (r.) nimmt am 26. Januar 2019 den Thüringer Verdienstorden aus den Händen von Ministerpräsident Bodo Ramelow entgegen. Bildrechte: Bojan Stekić

Ivan Ivanji hat erst kürzlich seinen 90. Geburtstag gefeiert - und wird nicht müde, weiter Bücher zu schreiben und vor allem über seine Vergangenheit zu reden. Als Teenager überlebte er das KZ Buchenwald. Immer wieder spricht er öffentlich über seine Erfahrungen und sucht den Kontakt vor allem zu jungen Menschen.

"Größter Respekt und tiefe Dankbarkeit"

Für sein jahrzehntelanges Engagement, die Verbrechen der Shoa aufzuarbeiten und die Erinnerung an die Opfer lebendig zu halten, ist er am Samstag in Belgrad von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow mit dem Verdienstorden des Freistaats ausgezeichnet worden.

Ivan Ivanji hat Bleibendes für Frieden und Versöhnung in Europa geleistet. Der Thüringer Verdienstorden ist Ausdruck unseres größten Respekts und tiefer Dankbarkeit für sein reiches Lebenswerk.

Bodo Ramelow, Ministerpräsident Thüringen

Weiter heißt es in der Dankesrede: "Er hat ein umfangreiches, beachtenswertes Oeuvre von Romanen, Erzählungen, Dramen und Essays geschaffen, in dem er die Erfahrungen des Fünfzehnjährigen, der die Lager von Auschwitz und Buchenwald überlebt, zum Ausgangspunkt seiner Reflexionen über menschlichen Ängste, Wünsche und Sehnsüchte macht. Seine Gedanken über die Auswirkungen von psychischer und physischer Gewalt auf das einzelne Individuum sind auch heute noch von erschreckender Aktualität."

Erinnerung an Holocaust als "Pflicht"

Für Ivanji selbst sei es eine Pflicht, über die Vergangenheit zu reden - auch mit 90 Jahren. Als er im Mai 1944 nach Auschwitz verschleppt wurde, war er erst 15 Jahre alt, fast noch ein Kind. Als Häftling 58116 kam er dann ins Hauptlager Buchenwald auf dem Ettersberg. Von dort gelangte er in die Außenlager Magdeburg, Niederorschel und schließlich nach Langenstein-Zwieberge bei Halberstadt. Obwohl ein Großteil seiner Familie im Zweiten Weltkrieg umgebracht wurde, darunter sein Vater und seine Mutter, blickte er nie mit Wut auf Deutschland. Deutsch war seine erste Fremdsprache, auch sein bester Freund war ein Deutscher.

Wenn ihr DIE Nazis sagt, sagt nicht DIE Deutschen.

Ivan Ivanji

Diese Offenheit würdigt auch Ramelow in seiner Dankesrede: "Er reicht uns die Hände zur Versöhnung. Es ist ein einzigartiges, kostbares, ein unbezahlbares Geschenk des Vertrauens an uns Deutsche, für das wir sehr dankbar sind."

Nach dem Krieg studierte Ivanji an der Belgrader Universität Architektur und Germanistik, arbeitete als Lehrer, Theaterintendant, Dolmetscher für Josip Broz Tito, jugoslawischer Kulturattaché in Bonn und war viele Jahre Generalsekretär des jugoslawischen Schriftstellerverbandes.

"Scharfes Urteilsvermögen"

Auch für die Gedenkstätte Buchenwald ist die Auszeichnung von Ivan Ivanji ein wichtiges Zeichen. Das helfe, Aufmerksamkeit auf die Überlebenden zu richten und sei in der heutigen Zeit ein wichtiges Signal, betont der stellvertretende Stiftungsdirektor Dr. Philipp Neumann-Thein. An Ivanji schätzt er "seine unglaublich freundliche, warme, zugewandte Art und sein scharfes Urteilsvermögen. Er ist jemand, der sich nicht anpasst, sondern immer auch eine ganz eigene Sicht auf die Dinge hat. Das ist das Besondere an ihm."

Der 90-Jähre wird jedoch nicht nur als ein mit der Gedenkstätte Buchenwald eng verbundener Zeitzeuge gewürdigt, sondern gleichermaßen auch als politisch engagierter Mensch, Schriftsteller und kritischer Beobachter der gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa. "Er ist ein Humanist und ein leidenschaftlicher Erzähler, dessen Appell an die Vernunft und dessen Glaube an eine humane Zukunft von vielen Menschen bewundert wird", so Ramelow in seiner Dankesrede.

Holocaust-Gedenktag

Neben der Verleihung des Thüringer Verdienstordens nahm Ministerpräsident Ramelow am Sonntag in Belgrad auch an der offiziellen Gedenkveranstaltung anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages am 27. Januar teil und legte in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Staro Sajmiste einen Kranz nieder.

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: MDR THÜRINGEN JOURNAL | 26.01.2019 | 19:00 Uhr

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