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UmweltkatastropheDeutsche Experten lassen Ursache für Oder-Fischsterben offen

30. September 2022, 21:30 Uhr

Das massenhafte Fischsterben in der Oder ist durch eine giftige Algenart ausgelöst worden, die sich aufgrund eines ungewöhnlich hohen Salzgehaltes im Fliss vermehren konnte. Darin sind sich die von Polen und Deutschland beauftragten Expertenteams einig. Während die polnischen Spezialisten eine industrielle Ursache ausschließen, wollen sich die deutschen Kollegen nicht festlegen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist sich jedoch sicher, die Umweltkatastrophe sei menschengemacht.

Das massive Fischsterben in der Oder im Sommer geht deutschen Experten zufolge auf einen extremen Salzgehalt im Fluss zurück, der zu einer Massenvermehrung giftiger Algen geführt hat. Die Forscher einer Nationalen Expertengruppe unter Leitung des Umweltbundesamts legten am Freitag die Ergebnisse ihrer Analysen vor und bestätigten darin die massive Ausbreitung der Algenart Prymnesium parvum als wahrscheinlichste Ursache.

Was die Quelle für die ungewöhnlich hohe Salzkonzentration im Wasser gewesen sei, bleibe "mangels verfügbarer Informationen" unklar, hieß es weiter. Der Bericht merkte aber an, die Analyse habe ergeben, dass die im Wasser nachgewiesenen Stoffe "typischerweise aus Einleitungen von industriellen oder kommunalen Kläranlagen" stammten.

Lemke: Umweltkatastrophe durch menschliche Aktivitäten

Bundesumweltministerin Steffi Lemke betonte daher, die "gravierende Umweltkatastrophe" sei "durch menschliche Aktivitäten verursacht" worden. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchungen sei, dass Salzeinleitungen die Ursache für das Fischsterben gewesen seien. Sie mahnte: "Wir müssen die Einleitungen von Stoffen, zum Beispiel aus Kläranlagen, in Flüsse überprüfen und reduzieren." Sie werde dieses Thema im November mit den Bundesländern besprechen.

Greenpeace: Fischsterben wäre vermeidbar gewesen

Ähnlich hatte am Vortag Greenpeace argumentiert. Die Umweltschutzorganisation machte aufgrund eigener Analysen ganz konkret Salzeinleitungen des polnischen Bergbaus für das Fischsterben verantwortlich. Ein deutsch-polnisches Team habe auf etwa 550 Kilometer Flusslänge Proben entnommen. Die höchsten Salzwerte habe es an einem Rückhaltebecken des Bergbaukonzerns KGHM im niederschlesischen Gmina Polkowice gegeben. Dort habe der Salzgehalt das 40-Fache des empfohlenen Wertes überstiegen.

Polen nennt heißen Sommer und Niedrigwasser als Gründe

Polnische Behörden hatten ebenfalls am Donnerstag den Abschlussbericht ihres Expertengremiums vorgelegt, waren aber zu ganz anderen Schlussfolgerungen gekommen. Die Wissenschaftler bestätigten demnach die These, dass eine starke Verbreitung der Mikro-Alge Prymnesium parvum die wahrscheinliche Ursache für das Fischsterben sei. Die toxische Algenart war bereits im August in der Oder entdeckt und als mögliche Usache ausgemacht worden.

Agnieszka Kolada vom polnischen Umweltschutzinstitut erklärte, die Alge lebe normalerweise in salzhaltigem Brackwasser in Meeresnähe und sei zuvor noch nie in Polen nachgewiesen. Hohe Temperaturen und ein niedriger Wasserstand hätten möglicherweise zur Ausbreitung der Algen in diesem Sommer beigetragen. Die Wassertemperatur sei zeitweise auf bis zu 27 Grad gestiegen, zudem habe der niedrige Wasserstand zu einer höheren Salzkonzentration geführt. Das massenhafte Auftreten der Alge  in der Oder und anderen Flüssen in Polen könne sich in den kommenden Jahren wiederholen.

Industrie-Abwässer laut Bericht innerhalb der Norm

Weiter heißt es in dem polnischen Untersuchungsbericht: "Das Fischsterben wurde weder durch Schwermetalle, noch durch Pestizide, noch durch Kohlenwasserstoff verursacht." Keiner der untersuchten Industriebetriebe habe Schadstoffe eingeleitet, "die über das erlaubte Maß hinausgingen", betonte der Chef der Regierungsbehörde für Umweltschutz, Andrzej Szweda-Lewandowski. Die in den Fluss geleiteten Abwassermengen überschritten demnach nicht die der vergangenen Jahre.

Im Juli und August waren in der Oder auf polnischer und deutscher Seite massenhaft tote Fische entdeckt worden. Allein in Polen waren es knapp 250 Tonnen. Die Suche nach der Ursache hatte zu Verstimmungen zwischen beiden Ländern geführt. Als möglicher Grund war auch die Einleitung von Industrieabwässern in Betracht gezogen worden. Ursprünglich sollten deutsche und polnische Experten gemeinsam nach der Ursache forschen.

MDR, AFP, DPA

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 29. September 2022 | 15:30 Uhr