Kanada Erneut hunderte Gräber bei Schule für indigene Kinder gefunden
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01. Juli 2021, 12:26 Uhr
Im Westen Kanadas sind in der Nähe eines früheren Internats für indigene Kinder zahlreiche anonyme Gräber gefunden worden. Noch ist aber unklar, ob es sich bei den Toten um ehemalige Schüler handelt. Zuvor waren in Kanada an zwei ehemaligen katholischen Internaten Gebeine von Kindern ausgegraben worden.
In Kanada sind erneut anonyme Gräber in der Nähe eines früheren Internats für Kinder von Ureinwohnern gefunden worden. Wie die indigene Gemeinschaft in Cranbrook im Westen des Landes mitteilte, handelt es sich um 182 Gräber, auf die Experten bei einer Suchaktion gestoßen seien. Jetzt müsse geprüft werden, ob es sich um die sterblichen Überreste früherer Schüler der St. Eugene's Mission School handele. Aufgrund der komplexen Geschichte des Ortes Cranbrook könne man das derzeit nicht mit Sicherheit sagen.
Den Angaben zufolge befindet sich auf dem betroffenen Gelände auch ein Friedhof der Indigenen. Zudem seien auf dem Friedhof Patienten des Krankenhauses St. Eugene begraben worden, das 1899 abbrannte. Die St. Eugene's Mission School war von der katholischen Kirche im Auftrag der kanadischen Regierung von 1912 bis Anfang der 1970er-Jahre betrieben worden.
Dritter Fund innerhalb weniger Wochen
In den vergangenen Wochen hatte es bereits zwei ähnliche Funde mit insgesamt rund 1.000 anonymen Gräbern gegeben. Auf dem Gelände eines früheren katholischen Internats nahe der Kleinstadt Kamloops in British Columbia waren Ende Mai 215 Kinderleichen gefunden worden. Daraufhin wurden in ganz Kanada mit Unterstützung der Behörden Ausgrabungen in der Umgebung ehemaliger Schulen für Kinder von Ureinwohnern initiiert. Bei einem anderen katholischen Internat in Marieval in der Provinz Saskachewan stießen die Experten auf weitere 751 anonyme Gräber.
Indigene Kinder sollten ihre Kultur abstreifen
In Kanada waren ab Ende des 19. Jahrhunderts Zehntausende Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden. Die Kinder sollten so dazu gezwungen werden, sich an die weiße Gesellschaft anzupassen. Viele der Kinder wurden in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. Nach bisherigen Angaben starben mindestens 3.200 Kinder, die meisten an Tuberkulose. Die letzten dieser Schulen schlossen erst in den 1990er-Jahren. Viele indigene Gemeinschaften machen die Heime heute für soziale Probleme wie Alkoholismus, häusliche Gewalt und erhöhte Selbstmordraten unter den Indigenen verantwortlich.
Regierungschef Trudeau: Papst soll sich entschuldigen
Kanadas Regierungschef Justin Trudeau hatte in der vergangenen Woche gefordert, das Land müsse "Lehren aus der Vergangenheit ziehen". Er deutete aber auch an, die Schuld liege größtenteils bei der katholischen Kirche. Trudeau forderte Papst Franziskus auf, nach Kanada zu kommen und sich zu entschuldigen.
Ermittlungen wegen brennender Kirchen
In Kanada selbst ist die Wut über die Entdeckungen groß. Seit den ersten Leichenfunden gingen landesweit acht Kirchen in Flammen auf. Am Mittwoch brannten eine Kirche in Morinville nördlich von Edmonton in der Provinz Alberta und eine Kirche im Indigenen-Gebiet Sipekne'katik bei Halifax in der Provinz Nova Scotia ab. Beide Brände stuft die Polizei als "verdächtig" ein und ermittelt wegen möglicher Brandstiftung. Offiziell wird noch geprüft, ob es eine Verbindung zwischen den Anschlägen und den Funden der Kinderleichen gibt.
Quelle: AFP, dpa
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. Juli 2021 | 10:30 Uhr