Vergabe in Oslo Friedensnobelpreis für Menschenrechtsaktivisten aus Belarus, Russland und der Ukraine

07. Oktober 2022, 21:11 Uhr

Der Friedensnobelpreis 2022 geht an Ales Bialiatski aus Belarus, die russische Organisation Memorial und die ukrainische Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties. Das teilte das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo mit.

Den Friedensnobelpreis 2022 erhalten in diesem Jahr Menschenrechtsorganisationen aus Russland, der Ukraine und Belarus. Die Auszeichnung bekommen der belarussische Menschenrechtsaktivist Ales Bialiatski, die russische Menschenrechtsorganisation Memorial sowie das Center for Civil Liberties aus der Ukraine, teilte das Nobelkomitee am Freitag in Oslo mit.

Die Preisträger repräsentierten die Zivilgesellschaft in ihren Ländern und hätten einen "außergewöhnlichen Beitrag" geleistet, um Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch zu dokumentieren, hieß es in der Begründung.

Memorial: Engagement gegen Militarismus

Die russische Organisation Memorial werde für ihr Engagement gegen Militarismus und für ihren Einsatz für Menschenrechte ausgezeichnet, sagte die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen. Memorial wurde 1986 gegründet mit dem Ziel, dass die Opfer des kommunistischen Regimes in der Sowjetunion nicht in Vergessenheit geraten. Im vergangenen Jahr wurde die Organisation in Russland verboten.

Memorial-Mitbegründerin Irina Scherbakowa bedankte sich im Namen ihrer Organisation für den Friedensnobelpreis. Sie sagte, ihre Gefühle seien gemischt. Manche ihrer Kollegen in Russland hätten mit Freude auf den Preis reagiert, aber auch mit Trauer angesichts des tragischen Hintergrunds derzeit durch die Situation in Russland und den Krieg in der Ukraine. Für viele sei dieser Preis natürlich auch eine Genugtuung, dass es eine Gerechtigkeit gebe. Die 73-Jährige erklärte, sie hoffe sehr, dass Russland irgendwann aus dieser moralischen, politischen Katastrophe einen Weg finde in Demokratie und Freiheit. Aber sie wisse nicht, ob sie das wirklich erlebe.

Center for Civil Liberties: Dokumentation von Kriegsverbrechen

Das ebenfalls ausgezeichnete Center for Civil Liberties habe zur Stärkung der ukrainischen Zivilgesellschaft beigetragen, sagte Reiss-Andersen. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges hätten die Menschenrechtler Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung dokumentiert. Die Organisationerhielt in diesem Jahr bereits den Right Livelihood Award, der als alternativer Nobelpreis gilt.

Ales Bialiatski: Einsatz gegen Folter

Der in Belarus inhaftierte Menschenrechtsaktivist Bialiatski gründete nach Angaben des Nobelkomitees die Organisation Viasna, die sich gegen die Folter von politischen Gefangenen einsetzt. Er habe sein Leben der Förderung von Demokratie und einer friedlichen Entwicklung gewidmet, betonte Reiss-Andersen. Das Nobelkomitee fordere seine Freilassung, ebenso wie die der anderen politischen Gefangenen in Belarus.

Ales Bialiatski
Der belarussische Menschenrechtler Ales Bialiatski bei der Verleihung des Alternativen Nobelpreises 2020. Bildrechte: IMAGO / TT

Dotiert ist der Friedensnobelpreis mit insgesamt 10 Millionen Kronen, umgerechnet rund 920.000 Euro. Der Preis ist darüber hinaus aber mit einem hohen weltweiten Renommee verbunden.

Die Vereinten Nationen gratulierten den diesjährigen Geehrten. Die Auszeichnung für die Menschenrechtsaktivisten zeige, wie wichtig der Kampf für die Freiheit sei, betonte die Sprecherin der UN in Genf, Alessandra Vellucci. Sie erinnerte daran, dass die Menschenrechte neben Frieden und Entwicklung einer der Grundpfeiler des gesamten UN-Systems seien.

Glückwünsche aus Deutschland für Preisträger

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte die neuen Friedensnobelpreisträger. Er sagte, es handle sich um eine hochverdiente Anerkennung für die schwierige und mutige Arbeit der Menschenrechtler. Ein solches Engagement sei heute wichtiger denn je.

Außenministerin Annalena Baerbock würdigte den Mut der Ausgezeichneten. Sie schrieb auf Twitter, dieser Friedensnobelpreis ehre all jene, die unter hohem Risiko für ihre Rechte und ihre Freiheit kämpften.

Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow beglückwünschte insbesondere die Memorial-Mitbegründerin Scherbakowa, die derzeit an der Universität Jena lehrt. Ramelow sprach von einem unbeschreiblichen Engagement, mit dem ihre Organisation sich seit Jahrzehnten für Menschenrechte in Russland und die Opfer des Stalinismus einsetze.

dpa,MDR (ala)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 07. Oktober 2022 | 19:30 Uhr

10 Kommentare

dimehl am 07.10.2022

"Also alles richtig gemacht, ... " Das werden nicht Alle so sehen. Und damit sind nicht nur Jene gemeint, die Sie im Blick haben dürften. Denn: am meisten dürften sich über die Nobelpreisvergabe 2022 bisher in Summe die Anhänger der White Supremacy Bewegung gefreut haben: Seht, wo kommen alle Preiträger, wie so oft, her ? Obwohl der Preis doch weltweit vergeben wird. Gerade der Friedensnobelpreis, aber auch der Literaturnobelpreis, waren in der Vergangenheit doch oft eine Möglichkeit, auch Menschen aus anderen Erdteilen zu berücksichtigen.

wodi am 07.10.2022

Memorial, mitgegründet von Friedensnobelpreisträger Sacharow, wurde vom Kreml vor Kriegsbeginn geschlossen – ein letzter Akt von Putin und seines Unterdrückungsapparats, das Dokumentationszentrum mundtot zu machen.
Die ukrainische Menschenrechtsorganisation "Zentrum für zivile Freiheiten" dokumentiert in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen seit Kriegsbeginn die russischen Kriegsverbrechen.
Bjaljatzki kämpfte schon in der damaligen Sowjetunion Mitte der 80er-Jahre für Freiheitsrechte. Er ist der bekannteste und anerkannteste Menschenrechtsaktivist in Belarus. Der promovierte Literaturwissenschaftler besteht zusammen mit der von ihm gegründeten Menschenrechtsorganisation "Wjasna" (Frühling) auf der Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in Belarus.
Im August 2020, zählten Bjaljatzki und seine MitarbeiterInnen jeden Abend, wie viele Menschen verhaftet, geschlagen, gefoltert und umgebracht worden sind.
Die haben sich die "Solidaritätsgeste" verdient.

wodi am 07.10.2022

Na da steht den üblichen Verdächtigen doch schon wieder der Schaum vor dem Mund und das ausgerechnet zum 70. Geburtstag ihres russischen Idols.
Also alles richtig gemacht, verehrtes Nobelpreiskomitee. Die Geehrten haben es sich verdient.

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