Analyse Die G7 sind sich nur oberflächlich einig

28. Juni 2022, 18:50 Uhr

Der G7-Gipfel auf Schloss Elmau ist vorbei. Die Staaten haben sich auf jede Menge Absichtserklärungen geeinigt, aber nur auf wenige konkrete Maßnahmen. Einigkeit gibt es bei den großen Leitlinien, doch sobald es konkret wird, wird es knifflig.

Alexander Budweg
Bildrechte: Tanja Schnitzler/ARD Hauptstadtstudio

Es ist die große Überschrift über diesem Gipfel gewesen: Einigkeit. Immer wieder haben die G7-Staats- und Regierungschefs betont, dass sie von Schloss Elmau aus ein Zeichen der Geschlossenheit senden wollen – an China, an Russland, an die Welt. Oberflächlich betrachtet, ist ihnen das auch gelungen. Bei den großen Leitlinien fällt die Einigkeit scheinbar noch leicht.

Sobald es aber konkreter werden soll, werden die unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen der wirtschaftsstärksten Demokratien der Erde sichtbar. Das gilt zum Beispiel für den Umgang mit Russland. Grundsätzlich einig ist sich die Gruppe der Sieben darin, den Druck auf Präsident Putin erhöhen zu wollen. Eine gemeinsame Antwort auf die Frage, wie das zu erreichen ist, fällt da schon schwerer.

Keine Einigkeit bei Preisobergrenze für russisches Öl

Die USA wollen zum Beispiel eine Preisobergrenze für russisches Öl, damit Russland nicht mehr von den ständigen Preisanstiegen profitiert. Die Bundesregierung und EU-Ratspräsident Michel möchten eine Lösung finden, die alle 27 EU-Staaten mittragen können. Dafür müsste aber sichergestellt werden, dass diese Preisobergrenze auch wirklich Russland trifft und nicht nur die Situation in der Europäischen Union verkompliziert. Zudem müssten China und Indien als größte Importeure von russischem Öl mit ins Boot geholt werden. Für russisches Gas soll ebenfalls eine solche Preisobergrenze geprüft werden.

Die größere Zurückhaltung auf Seiten der Europäer ergibt sich aus dem unterschiedlichen Grad der wirtschaftlichen Beziehungen. Der Waren-Im- und -Export zwischen den EU-Staaten und Russland ist trotz Sanktionen fast sechsmal größer als zwischen den USA und Russland. Aus diesem Grund haben die Amerikaner auch schon Maßnahmen vorgelegt, um Russland den Zugang zu internationalen Märkten zu erschweren. Auch darauf hatten sich die G7 geeinigt.

Die Europäer sind in der Umsetzung zögerlicher. Das gilt auch für das von den USA, Kanada, Großbritannien und Japan vorgeschlagene Importverbot für russisches Gold. Deutschland, Frankreich und Italien wollten sich dem nicht sofort anschließen, weil Sanktionen im Kreise der EU-Staaten einstimmig beschlossen werden müssen.

Investitionen als Antwort auf Chinas Politik

Auch beim 600-Milliarden-Investitionspaket der G7-Staaten besteht zunächst nur oberflächlich Einigkeit. Es soll eine Antwort der westlichen Demokratien auf Chinas expansive Seidenstraßen-Politik sein. Wie sie genau aussieht, da gehen die Vorstellungen auseinander. Deutschland würde mit dem Geld gerne den Ausbau der erneuerbaren Energien in Schwellen- und Entwicklungsländern fördern. Bundeskanzler Scholz will den Senegal aber auch bei der Erschließung eines Erdgasfeldes unterstützen. Italien denkt zudem an einen Ausbau der Gasinfrastruktur in Afrika, die allerdings später auch für Wasserstoff genutzt werden könnte.

Beide Vorhaben wären ein Bruch mit den Beschlüssen des Klimagipfels in Glasgow Ende letzten Jahres. Hier verpflichteten sich Deutschland und andere Länder dazu, ab Ende 2022 nicht mehr in fossile Energieträger zu investieren. Auf der anderen Seite wollen die USA in Rumänien den Bau eines Atomkraftwerkes unterstützen, was innerhalb der Bundesregierung für Unmut sorgen müsste, da zumindest Grüne und SPD sich für einen Ausstieg aus der Atomenergie starkmachen.

Scholz wollte Klima zum Hauptthema machen

Dabei wollte Olaf Scholz auf diesem G7-Gipfel eigentlich den Klimawandel zu einem der Hauptthemen machen. Mit der geänderten Weltlage wird nun in der Abschlusserklärung begründet, dass "öffentlich unterstützte Investitionen in den Gassektor als vorübergehende Maßnahmen angemessen sein" können. Und so wird das Klima eher zu einem der Verlierer dieses Gipfels, denn auf konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz konnten sich die G7 nicht einigen. Eine feste Zielmarke für E-Autos wird von Japan abgelehnt. Was bleibt, sind einmal mehr Selbstverpflichtungen zum Ausstieg aus der Kohle und zum Ausbau der Erneuerbaren. Außerdem wollen die G7 die Idee von Bundeskanzler Scholz aufgreifen und einen für alle Staaten offenen Klima-Club gründen, um ambitionierte Klimaschutzprojekte zu fördern.

Auch bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der weltweiten Hungerkrise bleiben die G7 hinter den Erwartungen und den eigenen Möglichkeiten zurück. Zwar haben die Staats- und Regierungschefs insgesamt 4,5 Milliarden US-Dollar hierfür zugesagt. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen sind aber 46 Milliarden US-Dollar im Kampf gegen die drohende Nahrungsmittelkrise nötig.

Einigkeit bei großen Leitlinien

Trotz nach wie vor bestehender Differenzen, die G7 zeigen sich aber doch nicht nur bei der Ausformulierung der großen Leitlinien einig. Immerhin bei einigen konkreten Maßnahmen beweisen sie Geschlossenheit. Das betrifft vor allem die finanzielle Unterstützung der Ukraine. 28 Milliarden Euro sind ein starkes Zeichen an den ukrainischen Präsidenten und sein Volk. Zwar hätte er sich wohl auch direktere Zusagen bei den militärischen Hilfen gewünscht, aber dafür bleibt ja auch noch der sich ans G7-Treffen anschließende NATO-Gipfel in Madrid.

Letztlich wird dieser G7-Gipfel auch dazu gedient haben, Einigkeit nicht nur nach außen zu demonstrieren, sondern diese auch nach innen zu festigen. Alle Teilnehmer berichteten von guten Gesprächen und einer guten, vertrauensvollen Atmosphäre. Einen Störfaktor à la Donald Trump hat es in diesem Jahr nicht gegeben. Die G7-Staaten müssen die auf Schloss Elmau formulierten Absichten nun in konkrete Maßnahmen umwandeln. Erst dann wird sich zeigen, wie glaubwürdig die hier demonstrierte Einigkeit und Entschlossenheit tatsächlich ist.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 28. Juni 2022 | 19:30 Uhr

2 Kommentare

Maria A. am 29.06.2022

Es erstaunt nun wirklich nicht, dass andere Länder Klimaängsten derzeit weniger Bedeutung zukommen lassen und die momentane Versorgungsunsicherheit bei Gas und Öl als Klärungskernproblem betrachten. Genau beleuchtet, müsste sich in Deutschland auch um ausreichend Strom Gedanken gemacht werden. Hinsichtlich der zu erwartenden Kürzungen beim Gasbezug kann sich jeder Laie vorstellen, dass viele Mitmenschen mit elektrisch betriebenen Heizkörpern Wärme in klamme Wohnungen bringen wollen. Vermutlich wird bis zum Winter der Strompreis straff ansteigen, um dem vorzubeugen. Aber ein Mehrbedarf wird trotzdem entstehen. Da drängt sich die Frage auf, ob man in einigen Ggenden Deutschlands nicht nur frösteln wird, sondern ab und an im Dunkeln herum sitzen wird im zweiten Halbjahr?
Dahingehend besteht weniger Gefahr in anderen Staaten der EU. Bei vielen wird Strom vorrangig per Atomkraft erzeugt. Es wird einfach ein neues Atomkraftwerk gebaut, wenn Versorgungsengpässe befürchtet werden.

Freies Moria am 28.06.2022

Ich vermisse entschiedene Schritte zur Bekämpfung von Energiemangel und Inflation - DAS und nichts anderes sind die Prioritäten bis zum Ende des nächsten Winters, denn sie bedeuten auch Deeskalation und Kriegsvermeidung.
Wie schrieb Präsident Biden in diesem Monat in eine präsidiale Anordnung?
Preiswerte Energie ist das Fundament für Freiheit und Wohlstand.
Recht hat der Mann, und jetzt muß die EU und insbesondere Deutschland auch mal danach handeln!

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